Homophobe Attacke nach dem CSD besorgt queere Menschen in Bremen

Im Zuge des Christopher Street Days in Bremen wurde eine Frau mit Regenbogenflagge attackiert. Die queere Community reagiert bestürzt – und erinnert an ähnliche Fälle.

12.000 Menschen demonstrierten am Sonnabend zum Christopher Street Day in Bremen für Toleranz und die Rechte queerer Menschen. Es wurde gefeiert – aber es gab auch Ärger: Nach der Parade wurde in Bremen-Tenever eine junge Frau mit umgehängter Regenbogenfahne angegriffen. Sie wurde homophob beleidigt und einer der Angreifer riss ihr schließlich die Fahne weg.

In der Community sorgt dies für Verunsicherung. Viele stellen sich die Frage: Wie sicher ist Bremen für Schwule, Lesben und andere queere Menschen?

"Ich glaube nicht, dass Bremen oder irgendeine andere Stadt für queere Menschen wirklich sicher ist", sagt Ali Tutar. Er arbeitet im Rat-und-Tat-Zentrum für queeres Leben im Bremer Viertel. Homophobie und Queer-Feindlichkeit hat auch er schon am eigenen Leib erfahren – mehrfach. 2017 beim CSD in Oldenburg wurde er in einer Gruppe von Geflüchteten körperlich angegriffen – und auch in Bremen wurde es schon gefährlich für ihn.

Ich habe erlebt, dass hier auch im Viertel homo-feindliche Personen uns beleidigt, bedroht haben.

Ali Tutar, Rat-und-Tat-Zentrum im Bremer Viertel

Auch Christian Linker hat als Geschäftsführer schon mehrfach Anschläge auf das Rat-und-Tat-Zentrum erlebt. Es gab Eierwürfe gegen die Fassade und Attacken mit Buttersäure. Es löst etwas in ihm aus, wenn er seinen Kollegen erzählen hört oder an die junge Frau denkt, die in Tenever angegriffen wurde.

Es erschreckt mich jedes Mal wieder.

Christian Linker, Geschäftsführer des Rat-und-Tat-Zentrums

"Wenn man sich jetzt überlegt, dass der einzige Anlass gewesen ist, dass die Person eine Regenbogenflagge dabei gehabt hat, dann sieht man, wie wenig da ausreicht, um Menschen zu triggern, Gewalt auszuüben", sagt Linker.

Polizei registriert nur wenige Straftaten

Teilnehmende laufen beim CSD durch Bremen
12.000 Teilnehmer waren am Christopher Street Day auf der Demo durch Bremen unterwegs. Bild: Radio Bremen | Hannah Wolf

Die Polizei hingegen registriert nur relativ wenige homophobe Straftaten im Land Bremen: 18 waren es im vergangenen Jahr. Die Realität bildet das kaum ab, sind sie sich im Rat-und-Tat-Zentrum sicher, die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen.

Viele Opfer melden sich gar nicht, wenn ihnen etwas angetan wurde – manchmal aus Scham, aber auch aus anderen Gründen. "Wir arbeiten seit vielen Jahren daran, auch mit Hilfe der Polizei, dass einfach auch mehr solcher Taten angezeigt werden", sagt Christian Linker. Denn die Menschen fühlten sich oft ohnmächtig und glaubten, es passiere dann auch nichts.

Werden Attacken heruntergespielt?

Viele Attacken würden zum Beispiel nach wie vor heruntergespielt und nicht als das erkannt, was sie tatsächlich seien: homophobe Straftaten gegen die sexuelle Identität.

Und doch gebe es auch positive Entwicklungen, sagt Linker. Er findet, dass sich die Situation für queere Menschen insgesamt verbessert habe – vor allem durch mehr Sichtbarkeit wie zum Beispiel bei den CSD-Paraden: "Ich glaube schon, dass auch gerade junge Menschen viel besser verstehen als früher, dass Liebe für niemanden eine Bedrohung sein kann", sagt er. Und er hofft, dass es eben zum Beispiel auch in Schulen langsam besser werde und dadurch die Gewalt abnimmt.

Verschiedene Anlaufstellen für Betroffene

Ob es jemals ganz sicher sein wird, in Bremen oder auch anderswo als queere Person zu leben, da ist sich Ali Tutar nicht sicher. "Das kann ich nicht prophezeien", sagt er. "Ich glaube aber, dass wir daran arbeiten können."

Solange es auch in Bremen homophobe Angegriffe gibt, können sich Betroffene zumindest an verschiedene Stellen wenden, wo sie unkompliziert Hilfe finden: Neben dem Rat-und-Tat-Zentrum im Viertel bietet auch die Beratungsstelle Soliport in der Neustadt Unterstützung an.

Das fordert die queere Community beim CSD in Bremen von der Politik

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 1. September 2022, 9:10 Uhr