Bremerin mit Trisomie 21 spielt Hauptrolle in Stück über Euthanasie

Videoprojektion einer Schminkszene aus dem Hintergrund auf Gaze-Vorhang
Die Regie arbeitet in "T4" viel mit Videoprojektionen. Unser Foto zeigt Neele Buchholz, die im Hintergrund geschminkt und deren Bild zugleich auf einen Gaze-Vorhang geworfen wird. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Neele Buchholz übernimmt die Rolle einer Verfolgten in einem Theaterstück über den Massenmord der Nazis an Menschen mit Behinderung – als erste Schauspielerin mit Trisomie 21.

Es ist nicht der bevorstehende Auftritt an sich, der Neele Buchholz ein wenig nervös erscheinen lässt. "Bremen ist meine Heimatstadt. Freunde und meine Familie kommen. Deswegen bin ich mega aufgeregt", sagt die Bremer Schauspielerin mit Trisomie 21 zu buten un binnen, kurz bevor sie in ihre Rolle schlüpft: In die der Ophelia aus Pietro Floridias Theaterstück "T4. Ophelias Garten" aus dem Jahr 2006.

Ophelia ist eine Verfolgte. Sie muss um ihr Leben fürchten. Es geht in dem Theaterstück um den Massenmord der Nazis an Menschen mit Behinderungen, um die "Vernichtung lebensunwerten Lebens", wie die Nazis es nannten. Unter Leitung der Zentralstelle T4 brachten sie 1940 und 1941 bei der "Aktion T4" rund 70.000 Menschen mit Behinderungen um. Bis Kriegsende fielen 200.000 Menschen den sogenannten Krankenmorden der Nazis zum Opfer.

Neele Buchholz spielt Ophelia

Mit Neele spielt in der Inszenierung David Stöhrs zum ersten Mal eine Schauspielerin mit Trisomie 21 die Ophelia. Die Premiere hat bereits im Berliner "Theater unterm Dach" stattgefunden. Doch am 26., 27. und 28. Januar wird die Produktion erstmals in Bremen zu sehen sein: im Zentrum für Kunst und zum Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar (alle Vorstellungen sind bereits ausverkauft).

Theaterszene mit zwei Akteurinnen, darunter eine, die offenbar das Down-Syndrom hat
Neele Buchholz (links) in der Rolle der Ophelia. In dieser Szene lernt sie Krankenschwester Gertrud (Maja Zećo) kennen. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

"Wir waren sehr beeindruckt von Neele, als wir in Videos Nahaufnahmen von ihr sahen", erklärt Dramaturg Dirk Brauner, weshalb die Berliner Theatermacher Neele für die Rolle der Ophelia ausgewählt haben. Es handelt sich um die erste Hauptrolle für die 32-jährige Bremerin, die auch als Filmschauspielerin und Tänzerin bereits auf sich aufmerksam gemacht hat.

Tanzen darf Neele auch in "T4. Ophelias Garten". So bitter und so traurig die Handlung in diesem historisch fundierten Drama ist, gibt es doch zumindest fröhliche Momente. Und das ist Neele sehr wichtig. "Mir gefällt am Theater, dass ich auf der Bühne Gefühle teilen kann", sagt sie. Je größer die Bandbreite dieser Gefühle, desto besser. Ophelia durchlebe neben Ängsten und Trauer zeitweise eben auch Freude. "Die Figur der Ophelia hat etwas sehr Poetisches", sagt dazu Regisseur David Stöhr.

Er hebt an "T4. Ophelias Garten" hervor, dass es sich um ein "sehr gut recherchiertes Stück" handele. Als er zum ersten Mal damit zu tun gehabt hatte, sei er vor allem überrascht darüber gewesen, dass dieses Drama um die Euthanasie unter Adolf Hitler aus der Feder eines Italieners stammt und nicht aus der eines Deutschen.

"Starkes Signal für Menschenrechte"

Maskenbildnerin richtet Haare einer jungen Frau mit Trisomie 21
Kurz vor dem Auftritt: eine Maskenbildnerin richtet die Haare von Neele Buchholz für die Rolle der Ophelia. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Ein Umstand, der Bremens Landesbehindertenbeauftragten Arne Frankenstein allerdings weniger überrascht. Der Massenmord an Menschen mit Behinderung sei ein Thema, das in Deutschland noch immer zu kurz komme in der Auseinandersetzung mit dem NS-Regime. Betroffene der Euthanasie seien lange nicht als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt worden.

Das wiege umso schwerer, weil das Leben von Menschen mit Behinderung derzeit wieder von rechts angegriffen werde, sagt Frankenstein mit Blick auf das Geheimtreffen Rechtsextremer in Potsdam. "Das macht mir Angst." Es liege jetzt an der gesamten Gesellschaft, dem Rechtsextremismus etwas entgegen zu setzen. In diesem Sinne erhofft er sich von den Bremer "T4. Ophelias Garten"-Aufführungen ein starkes Signal für Menschenrechte.

Diese Bremerin spielt in der ARD-Serie "Eldorado KaDeWe"

Bild: ARD

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 26. Januar 2024, 19.30 Uhr