Astoria: Bremer Varieté-Bühne mit Weltruf

Bild: privat

Siegfried und Roy zaubern, Udo Jürgens tritt auf und Zarah Leander singt. Das Astoria in Bremen war international bekannt. Vor 50 Jahren fiel der Vorhang. Für immer.

Vor 50 Jahren feierten rund 600 Gäste eine ausgelassene Silvesterfeier und stießen auf das Jahr 1968 an, bevor die Lichter im Varieté-Theater "Astoria" endgültig ausgingen. Die Glanzzeiten waren längst vorbei. Und abends ins Astoria – dieser Spruch galt nicht mehr. Es kamen zuletzt immer weniger Zuschauer.

Darüber konnte auch die Gala am Silvesterabend nicht hinwegtäuschen. Ihr Stammpublikum – in der Mehrzahl schon ältere Menschen – belohnten die Artisten des Astoria während der Abschiedsvorstellung mit jenem Applaus, der aus der Dankbarkeit kommt. Mit dem Astoria Theater schloss eine der letzten großen Varieté-Bühnen in der Bundesrepublik.

Postkarte vom Astoria-Varieté: Hauptraum, Teilansicht mit Bühne
Ganze Generationen von Bremern amüsierten sich hier nächtelang. Bild: Imago/Arkivi

Schuld an dieser Entwicklung sei nicht allein das Fernsehen gewesen, das solche Shows in die Wohnzimmer brachte. Sondern vor allem der Tod des Astoria-Begründers Emil Fritz im Jahr 1954. Die Seele des Hauses sei da gewichen, berichtet Toni Paßmann. Sie war lange Zeit artistische Leiterin und die rechte Hand von Direktor Emil Fritz, der 1908 ein Musik-Café mit Varieté in der Bremer Innenstadt eröffnet hatte.

Die Bremer lachen auch gern. Sie haben immer gern gelacht – nur ehe ich kam, wurde nichts geboten.

Emil Fritz, Astoria-Betreiber
Emil Fritz
Der abenteuerlustige Gastwirt Emil Fritz hatte Großes vor. Er machte das "Astoria" weltberühmt. Bild: privat

Bis 1967 gingen hier die Stars der deutschen und internationalen Unterhaltungsbranche ein und aus. Das Orchester spielte Lieder wie "Wenn der weiße Flieder wieder blüht" und Jongleure, Kunstpfeifer und Akrobaten traten auf. Dressierte Seelöwen, Elefanten und Pferde zeigten auf der Bühne ihre Kunststücke. Berühmte Künstler wie Zarah Leander sorgten für ein ausverkauftes Haus. Ihr Chanson "Kann denn Liebe Sünde sein?" blieb unvergessen. Und berühmte Gäste saßen auch im Publikum. Schauspieler wie Heinrich George, Prinz Heinrich von Preußen, der König der Niederlande, Fürsten aus dem Orient, der Bürgermeister von New York. Und auch die Bremer Gesellschaft zeigt sich hier.

Herr Fritz war ein echter Pionier! Er hat riskiert. Aber er hatte auch Instinkt und Geschmack für das, was das Publikum unbedingt haben wollte.

Toni Paßmann, artistische Leiterin des Astorias

Das Astoria war mehr als die Vorstellung in einem Theatersaal. Es gab die Spiegelbar, den Klosterkeller, die Bodega oder die ein bisschen verruchte Arizona-Bar: ein "Nachtclub mit pikanten Überraschungen". Von den reizenden, leicht bekleideten Tänzerinnen schwärmten die Gäste noch lange danach.

Wiedereröffnung und Neubeginn

Im Krieg wurde das Astoria vollständig zerstört. Doch Emil Fritz gab nicht auf. 1950 eröffnete der mittlerweile 73-Jährige sein neues Haus an alter Stelle in der Katharinenstraße. Noch schöner als früher, warben die Plakate. Direktor Emil Fritz war überaus glücklich, nach schweren Kämpfen das Astoria in noch schönerer Blüte wieder stehen zu sehen.

Die Diseuse Olga Irén Fröhlich gehörte zu denen, die vor und nach dem Krieg im alten und neuen Astoria auftreten. Und schwärmte noch Jahrzehnte später von Emil Fritz: Er hatte einfach Format. Und er hatte eine Nase für das, was gut und richtig war. Kommende Stars verdienten im Astoria ihre erste Gage, wie Udo Jürgens zum Beispiel oder Siegfried und Roy. Gerd Fröbe spielte den lustigen Kellner, und Claire Schlichting, die Großmutter der Schauspieler Ben und Meret Becker, trat als Putzfrau auf. Sie gab den Satz zum Besten: 'Ich bin auch noch nicht lange alt. Mich ärgert nur eins: Im Gesicht kriegste die Falten, und am Arsch haste Platz genug.'

Bevor der letzte Vorhang für immer fiel, kam der artistischen Leiterin Toni Paßmann ein schöner Spruch in den Sinn. Den soll Emil Fritz oft voller Stolz über sein schönes Haus gesagt haben – verbunden mit der Hoffnung, dass er sich nicht bewahrheiten sollte.

Wenn das Astoria mal nicht mehr ist, wird Bremen wieder ein Fischerdorf.

Emil Fritz, Astoria-Betreiber

An der Stelle des Astoria-Theaters steht heute zwar kein Fischladen, aber auch kein neues Varieté, sondern eine Einkaufspassage. Hier erinnert nur noch eine Tafel an die glanzvollen Zeiten.

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Autorin

  • Birgit Sagemann
    Birgit Sagemann

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 31. Dezember 2017, As time goes by - die Chronik, 6:20 Uhr