Wasserwerfer rund ums Weser-Stadion: Bremens Zapfenstreich-Krawalle

Als vor 40 Jahren Bundeswehr-Soldaten im Weser-Stadion ihr Gelöbnis ablegen, werden draußen Demonstranten mit Tränengas auf Abstand gehalten. Ein schwarzer Tag für Bremen.

Die Szenerie ist bizarr. Einheiten der Bundeswehr haben auf dem Rasen des Weser-Stadions Aufstellung genommen. 1.200 Soldaten wollen ihr Gelöbnis zur Verteidigung des Vaterlandes ablegen. Militärmusik schwappt durch das Stadion. Auf den Rängen sitzen Soldaten, Offiziere, Politiker. Bundespräsident Karl Carstens spricht über Pflicht und Freiheit. Alle suchen nach feierlicher Haltung. Doch es hallen Pfiffe und Gebrüll über das Tribünendach. Es riecht nach brennenden Autos. Ein knatternder Polizeihubschrauber kreiselt über allem.

Es ist das Frühjahr 1980: Der Nato-Doppelbeschluss zur Nachrüstung und der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan liegen gerade wenige Monate zurück, die Friedensbewegung in Deutschland ist stark und genießt große Sympathien in der Bevölkerung.

In dieser Situation ein öffentliches Rekrutengelöbnis samt großem Zapfenstreich als militärisches Ritual zu inszenieren, um die in Zweifel gezogene Nato-Treue der deutschen Sozialdemokratie zu dokumentieren, ist gelinde gesagt politisch unüberlegt. Zumal im Bremer Weser-Stadion. Auch prominente Bremer Sozialdemokraten wollen auf das "Säbelrasseln" verzichten. Bürgermeister Koschnick hält es für notwendig.

Bild: Radio Bremen

10.000 marschieren gegen Bundeswehr

Dass solch ein Spektakel zu dieser Zeit einer Provokation gleichkommt und massiven Protest auslösen muss, liegt auf der Hand. Nur niemand – weder in der Politik, noch bei der  Polizei oder beim Verfassungsschutz, aber auch nicht die Organisatoren der zwei angemeldeten Demonstrationen – hat mit einer solchen Eskalation der Gewalt gerechnet. Zunächst bleibt der Protesttag mit rund 10.000 Demonstranten auch vergleichsweise friedlich. Erst am Abend setzt eine relativ kleine Gruppe militanter Autonomer auf gewaltsame Konfrontation.

So etwas wie eine gemeinsame Demonstrationsleitung gibt es spätestens seit dem Eintreffen am Weser-Stadion nicht mehr. Was Bremen jetzt erlebt, gleicht einem Straßenkampf: Demonstranten werfen Pflastersteine und Molotow-Cocktails, schießen mit Feuerwerkskörpern und Leuchtkugeln, setzen Fahrzeuge in Brand und bewaffnen sich mit Eisenstangen und Knüppeln. Die Polizei antwortet mit Wasserwerfern, die mit CS-Gas die Demonstranten auf Abstand zu halten versuchen. Nach Einbruch der Dunkelheit räumen einige Hundertschaften der Polizei dann den Osterdeich und seine Seitenstraßen. Augenzeugen sprechen später davon, dass sie dabei wahllos auf jeden einprügeln, der nicht schnell genug fliehen kann.

Langes politisches Nachspiel

Die Auseinandersetzungen an diesem 6. Mai 1980 sind die schwersten Straßenkrawalle in Bremen in der Nachkriegszeit. Und sie haben ein langes politisches Nachspiel. Vergebliche Rücktrittsforderungen gegen Bremens Bürgermeister Koschnick und Innensenator Fröhlich, parlamentarische Untersuchungsausschüsse und einen Bericht des Verteidigungsauschusses des Bundestages. Empfehlung der Bonner Politiker ein halbes Jahr nach den Bremer Krawallen: Die wichtige Aufgabe der Bundeswehr müsse den Jugendlichen in Deutschland positiver dargestellt werden.

Autor

  • Peter Meier-Hüsing
    Peter Meier-Hüsing

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 6. Mai 2020, 16:45 Uhr

Archivinhalt