Interview

Droht Bremer Kliniken das Aus? Wieso bundesweit Krankenhäuser streiken

 Angestellte und Mitarbeitende verschiedener Krankenäuser bei einer zentralen Kundgebung in Berlin 2022 (Archivbild).

Mehr Krankenhäuser von Pleiten bedroht? Bremer Kliniken demonstrieren

Bild: Imago | Christian Ditsch

Deutschlands Krankenhäuser streiken Mittwoch wegen drohender Pleiten. Einige mussten schon schließen. Uwe Zimmer von der Bremer Krankenhausgesellschaft nennt die Gründe.

Höher als achteinhalb Milliarden Euro: So hoch ist das Defizit der Deutschen Krankenhäuser laut Defizit-Uhr der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Stündlich kommen hiernach knapp 600.000 Euro hinzu. Den Krankenhäusern geht es schlecht. Die hohe Inflation hat bereits einige in den Ruin getrieben. Für Mittwoch ruft die Deutsche Krankenhausgesellschaft daher bundesweit zu einem Protesttag auf. Die Krankenhäuser fordern einen sofortigen Inflationsausgleich, um die gestiegenen Preise abfedern zu können, und die vollständige Refinanzierung der Tarifsteigerungen für 2024.

Der Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft, Uwe Zimmer, möchte am Mittwochmorgen zusammen mit einer Delegation aus Krankenhäusern des Landes in Bussen nach Hannover fahren, um sich an den dortigen Protesten zu beteiligen. Zimmer schätzt, dass mehrere Hundert Beschäftigte der Bremer Kliniken mitreisen werden, sofern die Versorgung in den Krankenhäusern dennoch gewährleistet werden kann. buten un binnen hat mit ihm über die Hintergründe der Proteste gesprochen.

Uwe Zimmer von der Bremer Krankenhausgesellschaft im Interview bei buten un binnen.
Fordert, dass der Bund den Kliniken schnell hilft: Uwe Zimmer, Geschäftsführer der Bremer Krankenhausgesellschaft. Bild: Radio Bremen

Herr Zimmer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft betont, dass die Politik schnell handeln müsse, um zu verhindern, dass eine Reihe von Krankenhäusern pleite geht. Wieso ist es so eilig?

Die Eile ist durch den Zeitablauf entstanden. Wir hatten bereits Ende des Jahres 2021 einen starken Anstieg der Inflationsrate, auch wegen Lieferengpässen in der Pandemie, die Preissteigerungen nach sich zogen. Dann, nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, zogen die Energiepreise gewaltig an, und die Inflationsrate ist exorbitant weiter in die Höhe geschnellt. Das hat sich dann verfestigt. Die Inflationsrate liegt immer noch bei gut sechs Prozent.

Das geht natürlich an den Krankenhäusern nicht vorbei – im Gegenteil: Wir haben nicht den Warenkorb eines Vier-Personen-Haushalts. Sondern wir haben einen sehr spezifischen Warenkorb, und der Preis einiger Produkte, auf die wir angewiesen sind, ist besonders drastisch gestiegen.

Wofür zum Beispiel?

Das gilt zum Beispiel für Arzneimittel. Sie machen einen großen Posten bei den Sachkosten aus. Es gilt aber auch für medizinische Produkte wie für Operationsbesteck, für Herzkatheter oder auch für Hüftendoprothesen. Die ganzen Materialien, die um den Patienten und am Patienten gebraucht werden, sind im Preis sprunghaft angestiegen. Gleiches gilt für die Energiekosten.

Insgesamt hatten wir bei den Sachkosten, die etwa die Hälfte der Gesamtkosten in den Krankenhäusern ausmachen, im letzten Jahr zweistellige und in diesem Jahr noch einmal hohe einstellige Zuwachsraten. Diese Zuwächse sind nicht in der Regelfinanzierung der Krankenhausfinanzierung berücksichtigt. Denn die Regelfinanzierung hat einen anderen Maßstab als die Inflationsrate, abhebend auf die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Und die sind nicht so stark gestiegen: im letzten Jahr um zwei Prozent und in diesem Jahr um vier Prozent. Das reicht einfach nicht aus, um die Kostensteigerung auszugleichen.

Was passiert, wenn die Krankenhäuser keinen Inflationsausgleich bekommen?

Das sieht man schon bundesweit. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat dafür ein Messinstrument, den Insolvenzmonitor, wie wir es nennen. Letztes Jahr gab es bundesweit zehn Krankenhaus-Insolvenzen, und in diesem Jahr waren es allein im ersten Halbjahr weitere 33. Wir erwarten, dass jetzt monatlich immer mehr Krankenhäuser dazukommen, weil ihnen einfach die Puste ausgeht.

Was noch hinzukommt, ist der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst. Die Hauptsteigerung, die große Anhebung findet zum 1. März des kommenden Jahres statt. Damit wir uns richtig verstehen: Keiner von uns kritisiert, dass die Löhne und Gehälter der Krankenhausmitarbeiter steigen. Im Gegenteil: Das ist richtig so. Aber diese Steigerung um 11,5 Prozent bedeutet für die Krankenhäuser bei den Personalkosten einen weiteren Sprung, der ebenfalls nicht durch Mehreinnahmen von drei oder vier Prozent ausgeglichen werden kann. Die nichtgedeckten Sachkostensteigerungen und die nichtgedeckten Personalkostensteigerungen addieren sich auf. Auch dadurch wird es richtig kritisch für viele Krankenhäuser.

Droht auch einem Bremer Krankenhaus demnächst die Insolvenz?

Bei uns sieht es etwas besser aus als in anderen Bundesländern. Das haben wir in erster Linie dem Land zu verdanken. Das Land Bremen hat an mehreren Stellen in der Corona-Pandemie, aber auch in diesem Jahr zusätzliche Mittel bereitgestellt, um Lücken zu stopfen. Hinzu kommt vom Bund eine Hilfszahlung für die Energiepreissteigerungen. Daraus bekommen die Krankenhäuser noch eine Rate in diesem Jahr und eine weitere im nächsten Jahr, sodass wir dank der Hilfszahlungen gerade so durchkommen. Aber: Das sind Einmalzahlungen. Deshalb richten sich unsere Blicke auch auf das kommende Jahr und die Tarifsteigerungen. Da tun sich große Lücken auf.

Doch Sie haben nach Insolvenzen gefragt. Die größten Defizite im Land Bremen hat die Geno. Der Träger, die Stadt Bremen, gleicht das auch deshalb aus, weil die Geno ein Sanierungsprogramm aufgelegt hat und es so eben zu keiner Insolvenz kommt. Das mag man sich ja auch gar nicht vorstellen, ist vielleicht gar nicht machbar. Wenn die Hälfte der Bremer Krankenhausversorgung ins Trudeln käme – das wäre eine Katastrophe für die Bevölkerung. Aber: Krankenhausinsolvenzen im Land Bremen erwarte ich vorerst nicht.

Karl Lauterbach bei der Bundespressekonferenz zum Krankenhaustransparenzgesetz im Haus der Bundespressekonferenz
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht mit seiner Krankenhausreform bei den Krankenhäusern in der Kritik. Bild: Imago | Future Image/F. Kern

Wie sieht es im Bremer Umland aus? Droht dort Krankenhäusern das Aus?

Ja, dort sieht es noch kritischer aus als in Bremen. Es gibt dort viele kleine Krankenhäuser, mit denen wir zum Teil eng zusammenarbeiten. Und die werden nicht alle vom Land Niedersachsen oder von ihren Trägern gerettet werden können. Zumindest wenn nichts passiert, wird es dort zu Insolvenzen kommen. Um das zu verhindern, protestieren wir.

Herr Lauterbach sagt zwar immer wieder, dass die Klinikreform gegen das Krankenhaussterben helfen wird. Aber bis die Krankenhausreform greift, werden viele Krankenhäuser längst insolvent sein. Die Krankenhäuser, die man dann braucht, auch in der Fläche, die sind dann vielleicht gar nicht mehr da.

Druck für Bremer Geno: Gesundheitsminister beraten über Klinik-Reform

Bild: Radio Bremen

Autor

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 20. September 2023, 5:30 Uhr