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Wieso die Stimme für eine kleine Partei in Bremen nicht verschenkt ist

Nahaufnahme einer Hand mit Stift beim Ausfüllen des Wahlzettels
Wer eine Kleinpartei anstelle einer großen wählt, verschenkt seine Stimme keinesfalls. Bild: Imago | Westend61

Ob Volt, Mera25 oder GfA: Bei der Bremischen Bürgerschaftswahl treten neben den großen Parteien auch zehn kleine an. Wer eine davon wählt, macht vielleicht alles richtig.

Verschenken wir unsere Stimme, wenn wir eine Kleinpartei wählen? Diese Frage kommt bei jeder Wahl auf. Dabei ist die Antwort aus Sicht des Bremer Politikwissenschaftlers Andreas Klee ganz einfach: "Nein, wer eine kleine Partei wählt, verschenkt seine Stimme nicht." Klee erklärt, was es bewirkt, wenn jemand eine kleine Parteien wählt.

Was nützt es einer kleinen Partei, wenn ich sie wähle?

Sie bekommt Geld vom Staat dafür. Anspruch auf eine staatliche Teilfinanzierung in einem bestimmten Jahr haben alle Parteien, die bei der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5 Prozent oder bei einer der jeweils letzten Landtagswahlen mindestens ein Prozent der Listenstimmen erreicht haben. Das teilt Sonja Kock aus dem Bundesinnenministerium mit. Für die ersten vier Millionen Stimmen erhält eine Partei demnach einen Euro pro Stimme, für jede weitere Stimme 83 Cent. "Die Höhe der staatlichen Zuschüsse darf allerdings die selbst erwirtschafteten Einnahmen nicht überschreiten", heißt es weiter dazu aus dem Innenministerium. Die Parteien müssten sich daher mindestens zur Hälfte selbst finanzieren.

Der Bremer Politikwissenschaftler Andreas Klee weist aber noch auf einen anderen Nutzen hin, den eine kleine Partei von den Wählerstimmen haben kann: "Eine kleine Partei muss nicht klein bleiben, sondern kann durch die Stimmen wachsen." Das sei zuletzt etwa der AfD geglückt. Doch auch die Grünen hätten buchstäblich klein angefangen. "Man kann mit seiner Stimme dazu beitragen, eine Partei stark zu machen." Konkret hält Klee derzeit für denkbar, dass es der Volt-Partei gelingt, sich in der deutschen Parteienlandschaft zu etablieren.

Der Politikwissenschaftler Andreas Klee im Interview bei buten un binnen.
Misst den kleinen Parteien in Deutschland eine große Bedeutung bei: der Politikwissenschaftler Andreas Klee. Bild: Radio Bremen

Was hat die Gemeinschaft davon, wenn ich eine Kleinpartei wähle statt gar nicht zu wählen?

Kleinparteien repräsentieren die Meinungsvielfalt in Deutschland. Sie bilden die Interessenlagen der Bevölkerung ab. Spätestens dann, wenn eine Kleinpartei größer zu werden scheint, müssen sich auch die etablierten Parteien ihren Inhalten öffnen, sagt Politikwissenschaftler Andreas Klee: "Man spricht dabei von einer indirekten Repräsentation." Anders gesagt: Wer eine Kleinpartei wählt, macht seine Interessen sichtbar und gibt dem politischen System die Chance, darauf zu reagieren. "Diese Chance hat das System nicht, wenn ich nicht wähle", erklärt Klee den entscheidenden Unterschied.

Welchen Vorteil haben Kleinparteien gegenüber großen Parteien?

Ein wesentlicher Vorteil kleiner Parteien gegenüber großen besteht oft darin, dass sich der Einzelne in der kleinen Partei oft viel leichter einbringen kann als in dem durchstrukturierten Apparat großer Parteien, sagt Andreas Klee. Auch verschiedene Nicht-Regierungsorganisationen profitierten immer wieder von den Ideen derer, die sich zuvor in der Nische einer kleinen Partei organisiert hätten. "Diese Leute und ihre Ideen werden dann im besten Sinne des Wortes aufgesogen", so Klee.

Wenn kleine Parteien so wichtig sind – wieso gibt es dann in Deutschland noch eine Fünf-Prozent-Hürde?

Die Fünf-Prozent-Hürde besagt im Kern, dass nur ins Parlament einzieht, wer wenigstens fünf Prozent der Stimmen bekommen hat. Das gilt für Bundestagswahlen genauso wie für Landtagswahlen, also auch für die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft.

Aus Sicht von Andreas Klee ist diese Regelung wichtig, um eine Zersplitterung der Parlamente zu verhindern. Denn die Fraktionen in den Parlamenten wie der Bremischen Bürgerschaft müssen Kompromisse schließen, um mit Mehrheitsbeschlüssen Entscheidungen treffen zu können. "Wir sehen schon jetzt, da immer öfter drei Parteien eine Regierung bilden, dass es immer schwieriger wird, einen Konsens zu finden", so Klee. Säßen noch mehr Fraktionen als derzeit in den Parlamenten und gäbe es Regierungsbündnisse aus vier oder fünf Parteien, würde das Regieren noch schwieriger, glaubt der Politikwissenschaftler.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 21. April 2023, 19.30 Uhr