Interview

Bremer CDU greift Aulepp an: "Müssten nicht so schlecht dastehen"

Die CDU attackiert die Bildungssenatorin wegen des Lehrermangels scharf. Ihr Ressort habe versagt, sagt die bildungspolitische Sprecherin, Yvonne Averwerser.

An neun Grundschulen in Bremen findet der Unterricht zurzeit nur eingeschränkt statt. Die Bremer CDU ist alarmiert, sie hat das Thema deshalb auf die Agenda der Bürgerschaft gesetzt. Die Partei sieht in den Unterrichtsausfällen ein strukturelles Versagen. Die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Yvonne Averwerser, macht dafür das SPD-geführte Bildungsressort verantwortlich: Die Behörde hätte von der Bürgerschaft seit Jahren beschlossene Maßnahmen nicht umgesetzt. Auch habe sie die jüngsten Unterrichtsausfälle lange geheim gehalten.

Frau Averwerser, in der Ankündigung zur Aktuellen Stunde warnen Sie, es gebe bei der Bildungspolitik "erste Anzeichen eines Staatsversagens". Wem genau werfen Sie das vor?

Ich werfe das der seit Jahrzehnten verantwortlichen und von der SPD-geführten Bildungsbehörde vor. Die hat sehenden Auges ihre Arbeit nicht gemacht und den Schulen den notwendigen Rückhalt nicht zukommen lassen.

Yvonne Averwerser
Yvonne Averwerser ist bildungspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Bild: CDU Bremen

Was hat die Bildungsbehörde falsch gemacht? Was werfen Sie dem Ressort vor?

Sie haben sich die Lage in den Schulen nicht objektiv angeguckt und jahrelang so getan, als hätten sie davon keine Ahnung. Dabei wusste das Ressort Bescheid, Änderungen im Stundenplan müssen mit der Schulaufsicht abgestimmt werden. Aber erst jetzt sind die Dimensionen öffentlich geworden: Wir (Anm. d. Red.: Bremer CDU) wissen das schon länger, aber wir waren darauf angewiesen, dass die Eltern auf den desolaten Zustand aufmerksam gemacht haben. Wir sind sehenden Auges da rein gelaufen: Schon 2017 hatte die Bürgerschaft einen Antrag für ein Konzept zur Personalentwicklung im Lehramt beschlossen. Da wurden genau die Punkte aufgegriffen, die Frau Aulepp jetzt wieder im Interview mit buten un binnen aufgegriffen hat. Dabei hätte die Senatorin die Punkte schon längst abgearbeitet haben müssen.

Auch wenn sich der Lehrermangel bundesweit verschärft hat: Wir müssten nicht so schlecht dastehen, wie wir es jetzt tun.

Yvonne Averwerser, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion

Worum ging es in dem Konzept von 2017?

Wir hatten uns in der Bürgerschaft darauf geeinigt, die Situation der Lehrkräfte am Arbeitsplatz zu verbessern und die Defizite in der Personalbeschaffung anzugehen. Es ist bis heute aber nichts gemacht worden. Wir hatten mehrmals nachgefragt. Uns wurde gesagt, man würde den Bericht nochmal neu aufsetzen. Nun fordern wir wieder dasselbe. Wir müssten nicht da stehen, wo wir heute sind. Und auch wenn sich der Lehrermangel bundesweit verschärft hat: Wir müssten nicht so schlecht dastehen, wie wir es jetzt tun.

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: Fachkräftemangel an Schulen ist ein bundesweites Problem, das schon lange bekannt ist. Schulen berichten, dass sie gegenseitig um Lehrkräfte konkurrieren. Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass die CDU das im Regierungsamt frühzeitig erkannt und entsprechend reagiert hätte?

Ich bin überzeugt davon, dass ein CDU-geführtes Bildungsressort selbstkritischer mit Daten umgegangen wäre. Wir hätten anders als die SPD nicht behauptet, dass die Daten der Kultusministerkonferenz (KMK) nicht richtig sind. Die SPD hat nur auf die eigenen Daten geguckt. Wir wären da kritischer gewesen. Auch hätte ich mir gewünscht, dass wir frühzeitiger in der KMK zusammengearbeitet hätten. Wir hätten mit dem Bund schon Lösungen finden können für den Ausbildungsweg. Es ist schon lange klar, dass Bremen den Lehrkräftemangel nicht allein stemmen kann, es muss einen Austausch mit den anderen Ländern geben.

Welche Maßnahmen sollte das Bildungsressort Ihrer Meinung nach jetzt kurzfristig einleiten?

Wenn Sascha Aulepp sagt, es müssen jetzt schnelle Lösungen her, dann ist das falsch. Der Zug ist abgefahren, es gibt nur noch ehrliche Lösungen. Und dazu gehören auch Abordnungen (Anm. d. Red.: zeitweise Tätigkeit einer Lehrkraft in einer anderen Schule) und die Möglichkeit für Schwangere, in Arbeit zurückzukehren. Man muss außerdem gucken, ob man alles so umsetzen kann, wie man es sich wünscht und es im Schulplan steht.

Wir haben nicht mehr die Zeit, große Anforderungen zu stellen.

Yvonne Averwerser, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion

Was fordern Sie auf lange Sicht?

Dass das Ressort arbeitet und eine Datenlage aufgreift, die belastbar ist. Wir müssen gucken, welche Bedarfe wir in den einzelnen Fächern haben – und das an dem Schulaufbau messen, den wir in ein paar Jahren haben werden. Wir müssen mehr Lehramtsstudierende an der Uni und mehr Referendare am LiS (Anm. d. Red. Landesinstitut für Schule) ausbilden, wir brauchen mehr Seiten- und Quereinsteiger und mehr Anerkennungen ausländischer Fachkräfte. Wir haben nicht mehr die Zeit, große Anforderungen zu stellen. Wir müssen sie stellen – aber sie anpassen. Es muss für Seiteneinsteiger möglich sein, sich neben dem Beruf weiterzubilden. Wir können uns nicht mehr erlauben, die Probleme – wie seit 2017 – weiter aufzuschieben. Das ist eine Generation Lehrer, die wir haben durchsegeln lassen.

Bildungssenatorin Aulepp hat jüngst angekündigt, genau da anzusetzen. Sie will ein Quereinstiegsprogramm aufsetzen und mehr ausländischen Lehrkräften das Arbeiten im Bremer Schuldienst ermöglichen. Halten Sie das für einen ersten Schritt in die richtige Richtung?

Das muss ich sehen und beurteilen, wenn es umgesetzt wurde. Angekündigt wurde ja schon eine Menge.

Eltern beklagen massiven Lehrermangel an Bremens Schulen

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. Oktober 2022, 19:30 Uhr