Zum 90. Geburtstag: Hans Koschnick – ein politischer Brückenbauer

Der frühere Bremer Regierungschef Hans Koschnick (SPD) im Jahr 2009 in seinem Haus in Bremen und beantwortet Fragen zu seinem Leben als Politiker.
Seine hemdsärmelige Art machte ihn populär. Von 1967 bis 1985 war er Präsident des Senats und damit Bremens Bürgermeister. Bild: dpa | Ingo Wagner

Bremens langjähriger Bürgermeister würde heute seinen 90. Geburtstag feiern. Der SPD-Politiker war ein Mann klarer Worte, geradlinig, klug und bodenständig.

Eine schwere Mercedes-Limousine steht inmitten einer aufgebrachten Menschenmenge. Die kroatischen Frauen und Männer zerren an den Türen des Autos und schlagen auf Scheiben und Blech ein. Es fallen Schüsse. Im Fond des Wagens sitzt mit stoischem Gesichtsausdruck Hans Koschnick, der ehemalige Bremer Bürgermeister, jetzt, 1996, ist er EU-Administrator für den Wiederaufbau der Stadt Mostar. Koschnick zieht den Hass kroatischer Extremisten auf sich, weil er angeblich die Moslems im Land bevorzuge. Den Angriff auf sein Auto übersteht er unverletzt, weil der Wagen gepanzert ist. Zuvor war Koschnick knapp einem Raketenangriff auf sein Hotelzimmer entkommen.

Politiker auf einer Hängebrücke
Hans Koschnick mit Außenministern auf der Behelfskonstruktion in Mostar. Acht Jahre später ist die Brücke wieder aufgebaut. Bild: dpa | Martin Athenstäd

Eine Reporterin schildert den Vorfall in den Nachrichten: "Gegen Null Uhr 30 schlug die Panzer-Abwehrrakete in dem Haus ein, in dem Hans Koschnick und das übrige Verwaltungspersonal leben. Soviel ist aus dem EU-Hauptquartier in Zagreb zu erfahren." Der Mann setzte sein Leben aufs Spiel, um Frieden und Wiederaufbau zu organisieren.

Zu helfen – das empfand Koschnick als Pflicht, die er von seinen Großeltern gelernt hatte, bei denen er aufgewachsen war. Die mahnenden Worte seines Großvaters blieben ihm immer in Erinnerung.

"Solange du stark bist, musst du Schwächeren helfen. Eines Tages bist du schwächer, dann brauchst du Hilfe von anderen." – und das habe ich durchgehalten!

Hans Koschnick, ehemaliger Bremer Bürgermeister

Er wuchs im Bremer Arbeiterquartier Bremen-Gröpelingen auf. Sein Vater war kommunistischer Gewerkschafter und bezahlte dafür ab 1933 unter den Nazis mit Zuchthaus und Konzentrationslager. Die Mutter verweigerte den Hitlergruß und unterstützte Widerstandsgruppen.

Das Ende des Krieges war eine Befreiung für die Familie, und Hans Koschnick trat in die SPD ein. Er startete eine steile politische Karriere, die ihn 1967 – gerade 38 Jahre alt – in das Amt des Bremer Bürgermeisters beförderte.

Hans Koschnick
Hans Koschnick starb im April 2016. Bild: dpa | Ingo Wagner

Ein Amt, das er 18 Jahre mit einem Wahl-Sieg nach dem anderen verteidigte, auch in für ihn schlimmen Zeiten. 1983 konnte der Gröpelinger Jung nicht verhindern, dass die in seinem Heimatstadtteil gelegene Werft AG Weser schloss. Wenige Tage vor der gerade anstehenden Bürgerschaftswahl tritt Koschnick vor die verzweifelte Belegschaft, die ihn ausbuht und beschimpft. Wahlversprechen gibt er nicht.

Wer von mir verlangt, dass ich dagegen etwas anderes sage, zwingt mich am Tage vor der Wahl zu lügen, um nach der Wahl alles preiszugeben. Das mach' ich nicht. Wenn ihr uns nicht wählen wollt, das ist euer Recht, aber ich sage euch nichts anderes, als ich machen kann.

Hans Koschnick, ehemaliger Bremer Bürgermeister

Danach werfen ihm Parteigenossen aus der Belegschaft enttäuscht das SPD-Parteibuch vor die Füße. Der spätere Bürgermeister Henning Scherf erinnert sich, dass "ihm die Tränen gekommen sind". Er habe ihn nur einmal weinen gesehen. Das war bei dieser katastrophal schwierigen Situation.

Drei Männer unterhalten sich
Hans Koschnick und SPD-Vorsitzender Willy Brandt im November 1977 auf dem SPD Bundesparteitag in Hamburg. Bild: dpa | Werner Baum

Koschnick gewann wenige Tage später die Bürgerschaftswahl trotzdem – mit absoluter Mehrheit. Die Wähler belohnten seine Ehrlichkeit und den Mut, in Krisenzeiten keine Versprechen abzugeben, die man nicht wirklich halten kann. In Koschnicks Regierungszeit fielen die Gründung der Bremer Universität, die Ansiedlung des Mercedes-Automobilwerkes in Sebaldsbrück und die Erweiterung des Container-Terminals in Bremerhaven. Als stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD trieb Koschnick mit Willy Brandt die Ostpolitik voran. Später war er Bundestagsabgeordneter, brachte die Aussöhnung mit Israel und Polen voran. Dabei blieb er immer der nahbare und bodenständige Arbeitersohn aus Gröpelingen.

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Autor

  • Andreas Neumann
    Andreas Neumann Redakteur

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Die Chronik, 2. April 2019, 7:45 Uhr

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