Warum manche Bremer Stiftungen wegen Corona noch Geld übrig haben
Bremens Stiftungen helfen vielen Menschen – auch gerade in finanzieller Not. Paradox: Weil jetzt reihenweise Veranstaltungen ausfallen, bleiben manche Mittel ungenutzt.

Seit sie fünf ist, steht die 19-jährige Ekaterina Kondiliabrova, die lieber Katja genannt wird, auf dem Eis. Lange in ihrer Heimat in St. Petersburg in Russland; seit 2014 trainiert sie Eiskunstlauf in Bremen beim Verein "Bremen 1860". "Das ist ein sehr teurer Sport", sagt sie. Und: "Wenn die Stiftung nicht wäre, hätte ich mit dem Eiskunstlauf aufgehört, weil ich das meinen Eltern nicht zumuten konnte."
Klier-Stiftung: Musik und Sport
Die Stiftung, das ist die Stiftung "Starke Kinder - Gertrude und Hannelore Klier Stiftung". Sie fördert Kinder, indem sie ihnen Musik- oder Sportunterricht ermöglicht, wenn die Familie es selbst nicht könne, erläutert Vorständin Jutta Ohlendorf. Für Katja Kondiliabrova wäre es ohne die Klier-Stiftung mit dem Leistungssport vorbei gewesen.

Eiskunstlauf auf dem Niveau, auf dem sie es betreibt, hat seinen Preis: Ein Trainingswochenende auswärts kann schon mal 1.000 Euro kosten. Das ist auch etwa der Preis für die Schlittschuhe, von denen wegen des Verschleißes jedes Jahr ein neues Paar fällig ist. Eine Freundin ihrer Mutter erwähnte mal die Klier-Stiftung, weil ihren eigenen Kinder darüber der Musikunterricht ermöglicht wurde. Ab da war Kondiliabrovas Weg frei. Bis zur Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften hat sie es gebracht.
Doch Stiftungs-Vorständin Jutta Ohlendorf hat jetzt ein Problem: "Wir haben freie Mittel, die wir gerne einsetzen würden." Denn Sport oder auch Musik sind von den Corona-Einschränkungen betroffen: Training und Unterricht sind nur eingeschränkt oder gar nicht möglich und entsprechend gibt es keine Förderanträge. "Wir hoffen, das wir im nächsten Jahr wieder mehr Neuförderungen abschließen können", so Ohlendorf.
Schullandheime: Keine pädagogische Arbeit mehr

Ein ähnliches Problem hat Lars Friedrichsen von der in Bremen ansässigen Stiftung 'Deutsches Schullandheim'. Auch die bleibt auf ihrem Geld derzeit sitzen. Die Stiftung finanziert laut Satzung pädagogische Konzepte in Schullandheimen. Doch die sind geschlossen. "Weil wir pädagogische Arbeit fördern, können wir einem Schullandheim nicht einfach 5.000 Euro für neue Fenster geben" – selbst, wenn es welche brauchen sollte und die Schließung zur Renovierung nutzen wolle, erläutert Friedrichsen. "Beiden Seiten sind die Hände gebunden."
Wer eigentlich gerne helfen möchte, ist da durchaus etwas frustriert, räumt Friedrichsen ein: "Das ist einerseits schmerzhaft. Andererseits arbeiten wir mit dem Geld anderer Leute. Und da müssen wir uns auf den Rechtsrahmen einlassen." Und der bestimme eben, dass der vom Stiftungsgeber vorgegebene Stiftungszweck nicht beliebig dehnbar ist.
Widersprüchliche rechtliche Vorgaben
Doch dieser Rechtsrahmen ist durchaus kompliziert, erklärt auch Harald Kieselhorst. Er ist gewissermaßen offizieller Stiftungsprofi: Als mit Stiftungen betrauter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater einerseits und als Vorstandsmitglied des "Bremer Stiftungshauses" andererseits erst Recht.
Er nennt das "gespaltenes Recht", in dem sich die Stiftungen bewegen: Das ist einerseits das jeweils von den 16 Bundesländern geregelte Stiftungsrecht. Und gleichzeitig unterliegen Stiftungen auch dem bundeseinheitlichen Steuerrecht. Und beides passt nicht immer voll deckend zusammen.
Konkret zum Thema Geld ausgeben: Nach dem Steuerrecht sind Stiftungen verpflichtet, die Ihnen durch Spenden oder Zinseinnahmen entstehenden Einnahmen innerhalb von zwei Jahren gemäß des Stiftungszweckes auszugeben. Nach dem Stiftungsrecht hingegen könnten sie Rücklagen beliebiger Höhe bilden. Kieselhorst sagt aber auch:
Geld werden Stiftungen immer los.
Harald Kieselhorst, Bremer Stiftungshaus
Zumindest die mit einer halbwegs offenen Satzung. So kann in der Regel nicht nur die Veranstaltung einer gemeinnützigen Organisation unterstützt werden, sondern auch die Organisation selbst, wenn die Veranstaltung ausfällt. Oder wenn im Sportverein das Training ausfallen muss, kann Geld für Geräte oder Ausstattung gegeben werden.
Insbesondere Kultur kann auf Fördermittel hoffen

So ähnlich sieht es auch Stefan Stolte. Der Jura-Professor ist Geschäftsführer des "Deutschen Stiftungszentrums", einer Service-Gesellschaft des "Deutschen Stifter-Verbandes". Allein, dass es so etwas gibt, zeigt, dass es eine komplizierte Materie ist, in der man sich bestens auskennen muss, um rechtlich immer bei allem auf der sicheren Seite zu sein.
"Das ist kein massenhaftes Problem", sagt Stolte auf die Frage, ob Stiftungen derzeit regelmäßig ihr Geld nicht loswerden. Im Einzelfall könne die Satzung in der Tat mal so eng gefasst sein, dass sich als Folge der vielschichtigen Corona-Beschränkungen mal ein Problem ergibt. Doch das seien "Einzelfälle".
In der Regel könnten Stiftungen auch "institutionelle Förderungen" geeigneter Projektpartner übernehmen, die sie derzeit sicher auch gut gebrauchen können. Vorbildlich etwa hätten da eine Menge Stiftungen gehandelt, die in der Kulturförderung aktiv sind. In deren Geschäft brach ja durch Absage von Ausstellungen und Aufführungen mehr oder minder alles zusammen.
Da haben sich viele Stiftungen schon zu Beginn der Krise zusammengetan und sich verständigt, großzügig und loyal zu ihren Projektpartnern zu stehen.
Stefan Stolte, Deutsches Stifterzentrum
Heißt: Zugesagte Projektförderungen wurden dennoch ausgezahlt, um den Partnern einen sicheren Rahmen in der Krise zu besorgen.
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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 10.Dezember 2020, 12:13 Uhr