Krank nach Corona: Bremer Ärztin fordert mehr Rehas für Genesene
Wegen Spätfolgen einer Corona-Infektion bräuchten viele Menschen eine Reha. Doch nur wenige bekommen sie verordnet – ein böser Fehler, sagt die Kardiologin Manju Guha.
Mit einer starken Erkältung im Mai vorigen Jahres ging es los. Zwei Tage dauerte es, dann konnte Stefanie Hoppe nichts mehr schmecken. Der anschließende Test auf das Coronavirus fiel bei der 32-jährigen Bremerin positiv aus. Zehn Tage hatte sie in der Folge mit der Krankheit zu kämpfen, litt zeitweise unter hohem Fieber. Ins Krankenhaus aber musste die Mutter zweier Kinder nicht. "Es war kein schwerer Verlauf", blickt sie zurück.
Wohl aber ein langer, wie sich noch zeigen sollte. Denn obgleich Hoppe die Krankheit im engeren Sinn schnell überwunden hatte, fühlt sie sich noch heute, fast ein dreiviertel Jahr später, keinesfalls gesund.
Ich kann absolut gar nichts riechen und gar nichts schmecken.
Stefanie Hoppe, Corona-Genesene
Neben dem Geruchs- und Geschmacksverlust habe sie außerdem starke Kopfschmerzen und sei ständig schlapp. "Wenn ich von der Arbeit komme, setze ich mich erst einmal aufs Sofa und schlafe ganz schnell ein", berichtet die Laborfahrerin.
"Viel mehr Infizierte betroffen, als wir anfangs dachten"

Wie Hoppe, so leiden offenbar viele Menschen langfristig unter den Auswirkungen einer Covid-19-Infektion. Wie viele es genau sind, dazu gibt es laut Robert Koch-Institut (RKI) bislang jedoch keine verlässlichen Zahlen. Für die Ärztliche Direktorin der Reha-Klinik am Sendesaal, Manju Guha, steht allerdings fest: "Es sind viel mehr Infizierte davon betroffen, als wir anfangs dachten."
Gerade Herzschäden seien offenbar eine häufige Folge der Erkrankung, so die Kardiologin. Die 60-jährige Herzspezialistin gehört einer bundesweiten Arbeitsgruppe aus Fachärzten wie Lungenärzten, Neurologen oder auch Psychiatern an, die kürzlich im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums erstmals Leitlinien für die Rehabilitation von Covid-19-Patienten erstellt hat. In der Reha-Klinik am Sendesaal behandelt Guha Post-Covid-Patienten sowohl in der Geriatrie als auch in der Kardiologie.
Immer öfter sieht sie sich auf diese Weise auch Post-Covid-Patienten mit sogenanntem Fatigue-Syndrom gegenüber, also Menschen, die ihre unmittelbare Covid-Erkrankung zwar überstanden haben, nun aber unter ungeheurer Müdigkeit und Muskelschwäche leiden, genau wie Stefanie Hoppe.
"Wir geben diesen Patienten Vitamine und Mineralstoffe. Das ist sowohl für die Gehirnfunktion als auch für die Muskulatur wichtig. Außerdem regen wir sie zu Bewegungen an", sagt Guha. Sie denkt dabei an leichte bis mittelschwere Belastungen wie solche durch gymnastische Übungen, durch Treppensteigen, Spaziergänge und durch Fahrradfahren. Oft höre sie von den Patientinnen und Patienten hinterher, dass es ihnen besser gehe.
Der Fluch der neuen Krankheit

Ein großes Problem stellt aus Guhas Sicht dar, dass auch unter Fachleuten bislang kaum jemand wisse, wie mit Covid-Patienten nach mehr oder weniger überstandener Krankheit umzugehen sei. Denn auch für das deutsche Gesundheitswesen sei Covid-19 neu: "Ich glaube, es liegt nicht im Fokus vieler Krankenhaus-Ärzte, dass ein Patient nach einer Covid-Behandlung nicht einfach so nach Hause entlassen werden kann", stellt Guha beispielhaft fest. Zögen diverse operative Eingriffe, Krebserkrankungen, Herzinfarkte oder Schlaganfälle in Deutschland geradezu zwangsläufig eine Reha nach sich, so bekämen Post-Covid-Patienten bislang viel zu selten eine Reha verordnet.
Dabei könnte der Rehabilitation für Covid-Patienten gerade deshalb eine bislang ungeahnte Bedeutung zufallen, weil die Krankheit noch so neu ist.
Die Patienten sehen bei der Reha, dass sie nicht allein sind mit ihren Symptomen.
Manju Guha, Kardiologin
Die Rekonvaleszenten gewännen durch die Reha nicht nur Anregungen für zuhause, sondern könnten unter Umständen auch wertvolle Kontakte zu anderen Betroffenen knüpfen.
Covid-Nachsorge noch in den Kinderschuhen
Guha glaubt, dass die angemessene Nachsorge von Covid-19-Erkrankungen das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren sehr beschäftigen wird: zum einen wegen der hohen Fallzahlen der Infizierten, zum anderen wegen der offensichtlich häufigen Langzeitschäden infolge der Infektion. So geht die Kardiologin davon aus, dass es vielen Patientinnen und Patienten guttäte, wenn sie sich nach der Behandlung Selbsthilfegruppen sowie ambulanten Lungen- und Herzgruppen anschlössen. "Da ist man nicht nur körperlich im Training, sondern auch psychisch gut aufgehoben und kann weitere Kontakte knüpfen", benennt sie die Vorzüge solcher Gruppen.
Der Haken an der Sache: Wegen der Corona-Schutzmaßnahmen finden derzeit gar keine Gruppentreffen statt. "Corona verlangt uns allen ganz, ganz viel Geduld ab", sagt Guha dazu. Stefanie Hoppe kann der Ärztin in diesem Punkt nur beipflichten.
Ärztekammer-Chefin rät zu Nachuntersuchungen für alle Corona-Patienten
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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. Januar 2021, 19:30 Uhr