Vor 20 Jahren: Als in der Bremer Neustadt ein Haus in die Luft flog

Ein ohrenbetäubender Knall und ohne Vorwarnung fällt das Seniorenheim in sich zusammen. Unter Trümmern, Schutt und Scherben beginnt die ruhelose Suche nach Überlebenden.

Was an diesem Montagmittag des 20. November 2000 noch keiner wissen kann: Nach der Gasexplosion im Keller eines Seniorenwohnheims der Heilsarmee wird die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk (THW) zwölf Tote aus den Trümmern geborgen und durch ihren beherzten Einsatz auch viele Menschenleben retten. Wir erinnern uns an dieses Ereignis.

"Explosion! Lage noch unklar."

Als die Einsatzkräfte in die Bremer Neustadt gerufen werden, heißt es nur: "Explosion! Lage noch unklar." Vor Ort dann im Geschwornenweg zeigt sich ein dramatisches Bild.

In den angrenzenden Straßenzügen sind nahezu alle Fenster aus ihren Rahmen geflogen, Türen beschädigt, Autos zertrümmert. Es sieht hier aus wie nach einem Bombeneinschlag.

Karl-Heinz Knorr, Feuerwehrsprecher

Ein Altersheim der Heilsarmee ist explodiert. Warum, das ist zunächst unklar. Trümmer versperren den Weg, riesige Löcher klaffen im Mauerwerk, Kabel hängen heraus. Nur die Hälfte des Gebäudes steht noch – mehr schlecht als recht.

Wie durch ein Wunder sind einige Bewohner nur leicht verletzt und können aus dem Chaos gerettet werden. Ein älterer Mann kann es kaum fassen: "Fenster raus, Türen raus, Mauern alle kaputt. Alle umgekippt. Hab' Glück gehabt. Die haben raufgerufen, man solle sich still hinsetzen, nicht so viel bewegen, falls noch was einfällt und so weiter."

Auf’m Sofa hab ich noch gesessen – zwischen Glas und Scherben.

Bewohner des Altenheims nach der Rettung
Feuerwehrmann mit Hund auf dem Arm, 2000 (Archivbild)
Etwa 40 Stunden hat der Hund neben seinem toten Frauchen ausgeharrt, bis er geborgen werden konnte. Bild: dpa | Ingo Wagner

Über 90 Einsatzkräfte arbeiten sich weiter vor. Den Schutt räumen sie teils mit den Händen weg. Jede Minute zählt. Immer mehr Leichen werden geborgen. Feuerwehrsprecher Knorr teilt mit, dass eine weitere Person – eine Frau – tot gefunden wurde. Sie ist die achte Tote, die die Helfer aus den Trümmern geborgen haben.

Einige verschüttete Heimbewohner konnten sich bei der Explosion in einen Hohlraum retten. Bis zu ihrer Bergung halten sie mit einen Handy telefonisch Kontakt zu den Rettern. Sogar einen Hund befreien die Einsatzkräfte lebend aus dem Schutt.

Feuerwehr und THW riskieren tagelang bei dem Einsatz selbst ihr Leben: Zwischendurch herrscht sogar Einsturzgefahr. Auch direkte Nachbarn sind betroffen und müssen aus ihren Wohnungen raus. Die Mutter einer Anwohnerin sorgt sich um ihre Tochter, die noch nicht weiß, ob sie hier jemals wieder einziehen kann. Jetzt muss sie sich erstmal eine neue Bleibe suchen.

Bilanz der Tragödie

Feuerwehrmänner vor dem zerstörten Wohnhaus durch eine Gasexplosion im Bremer Stadtteil Neustadt, 2000 (Archivbild)
In dem viergeschossigen Haus wohnten 31 vorwiegend ältere Personen. Es gehörte der Heilsarmee, die an derselben Stelle wieder gebaut hat. Bild: dpa | Ingo Wagner

Tage später bestätigt die Bremer Kriminalpolizei, was viele vermutet hatten: Ein Bagger hatte bei Bauarbeiten vor dem Altenheim eine Gasleitung angehoben, verdreht und aus der Verankerung gerissen. Gas strömte so ungehindert in den Keller des Altersheims. Nur ein kleiner Funke reichte zur Explosion. Möglicherweise hat der Hausmeister im Keller einen Lichtschalter betätigt, heißt es. Auch er starb bei dem Unglück. Insgesamt riss die Explosion zwölf Menschen in den Tot. Und die ganze Stadt trauert um sie. Im November vor 20 Jahren.

Autor

  • Mischa Wahed
    Mischa Wahed

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 20. November 2020, 9:12 Uhr

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