So können Bremer beim Spiel "Findorff" den Stadtteil neu entdecken

Bremens berühmter Spieleerfinder hat sich im neuesten Werk mit seiner Heimatstadt beschäftigt. Ein Gespräch über Findorffs Geschichte, die Farbe Grün – und Fasanenfurze.

In dieser Woche findet die größte Brettspielmesse der Welt in Essen statt. Mittendrin der Bremer Spieleerfinder Friedemann Friese. Das Besondere: Friese bringt mit dem Titel "Findorff " erstmals ein Spiel auf den Markt, das sich intensiv mit der Geschichte seiner Heimatstadt Bremen auseinandersetzt. Das Spiel zeichnet die Industrialisierung Bremens, den Torfabbau, den Bau von Eisenbahnstrecken und die Entstehung vieler bekannter Orte und Gebäude des Stadtteils Findorff nach.

Herr Friese, alle Ihre Spiele fangen ja mit dem Buchstaben F an. Wenn Bremens Stadtteil Findorff anders hieße, wäre Ihr neuestes Spiel dann nie entstanden?

Wahrscheinlich wäre das Spiel schon entstanden, aber eben woanders. Dass es jetzt Findorff heißt, liegt auch daran, dass mir mal jemand aus Flachs gesagt hat, Findorff würde sich doch gut zu dem Thema eignen – das hat drei F und so. Und dann passte das plötzlich.

Der Bremer Spieleautor Friedemann Friese.
Der Bremer Spieleautor Friedemann Friese hat insgesamt mehr als eine Million Spiele verkauft. Im Herbst erscheint von ihm für Vielspieler "Findorff", für Famiien "Fasanerie". Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Welche Titel hatten Sie denn vorher erwogen – Farge, Fähr, Fesenfeld?

Ich war eigentlich erstmal in der Bremer Innenstadt gelandet, also rund um die Stadtwaage. Aber das wäre dann so ein klassisches Mittelalterthema geworden, mit Bäckern und Töpfern. Das wollte ich nicht. Zwischenzeitlich habe ich überlegt, es ins Faulenquartier auszulagern. Das hat dann aber auch nicht funktioniert. Und dann kam eben Findorff. Das wiederum hat mir auch sehr geholfen, das Thema zu entwickeln – Torf und Kohle als Rohstoffe, der Bau von Bahnhöfen und Schienen, die Fabriken und Eisenbahnerwohnungen, die im 19. Jahrhundert und bis ins 20. Jahrhundert in diesem Stadtteil entstanden sind.

Wie adäquat wird denn die Geschichte im Spiel abgebildet?

Die Spieler entwickeln den Stadtteil Findorff in den Jahren von 1803 bis 1916. Dabei müssen sie insgesamt 25 historische Bauwerke wie Bahnhöfe errichten, aber auch die damals gebauten Schulen, die Stuhlrohrfabrik, deren Gebäude noch heute an der Admiralstraße existiert, oder den Schlachthof. Die Gebäude bringen konkrete Vorteile im Spiel und am Ende Siegpunkte.

Sind Sie bei Ihren Recherchen auch auf überraschende Aspekte gestoßen?

Ja, die Mißler-Hallen zum Beispiel, die damals als Zwischenunterkunft für Auswanderer in die Neue Welt errichtet worden waren. Sie wurden später, also 1933, kurzzeitig von den Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager umfunktioniert. Neu war mir auch, dass hinter dem Platz, wo heute der Elefant an der Bürgerweide steht, mal ein Friedhof war.

Wie ist so ein historischer Ort, also zum Beispiel der Friedhof, ins Spiel eingebunden?

Naja, um zu bauen, brauchen die Spieler Arbeiter. Und die haben eine gewisse Lebensspanne. Da stirbt jede Runde einer. Und wer den Friedhof gebaut hat, der sagt dann: "Hallo, ich hätte hier gerne noch Sterbegeld!".

Die Alte Stuhlrohrfabrik und der Bremer Schlachthof kommen in Friedemann Frieses neuem Spiel "Findorff" vor.
Die Alte Stuhlrohrfabrik und der Bremer Schlachthof kommen in Friedemann Frieses neuem Spiel "Findorff" vor. Bild: Radio Bremen | Kristian Klooß

Mit Bremen sind Sie seit mehr als drei Jahrzehnten verbunden. 1989 haben Sie hier ein Mathestudium begonnen. Doch statt fertig zu studieren, haben Sie kurz darauf einen Spieleverlag gegründet. Wie kam es dazu?

Ich war 1991 das erste Mal auf der Brettspielmesse in Essen. Das hat mich damals so begeistert, zu sehen, dass da Leute mit Tapeziertisch standen und irgendwelche Spiele verkauften. Da habe ich mir gesagt, wenn die das können, dann kriege ich das auch hin. Ich hatte schon früher in der Schulzeit angefangen, mir Varianten und Alternativen für "Risiko" oder "Monopoly" zu überlegen. Außerdem fehlte das Geld, so viele Spiele haben zu können wie ich gerne wollte. So erfand ich halt selber was. Darunter viele Minispiele, die ich dann auch Leuten zum Geburtstag geschenkt habe. Teilweise hätte ich die heute gerne wieder, weil ich echt nicht mehr weiß, wie die gingen. Und ob das gute Spiele waren, weiß ich allerdings auch nicht.

Und wie kam es zur Verlagsgründung?

Ich hatte einen Kumpel, der gut zeichnen konnte. Auf Grundlage seiner Vorlagen ist später das Spiel "Fische, Fluppen, Frikadellen" entstanden. Das erste Spiel, das wir veröffentlicht haben, war dann "Wucherer". Das haben wir zuerst 700 Mal verkauft, dann in der zweiten Auflage nochmal 1.000 Mal, dann in der dritten Auflage nochmal 1.000 Mal. Und so ging das los. Wobei ich parallel noch gejobbt habe.

Mit 27 hat mich der Bund dann noch auf den letzten Drücker erwischt und mir mitgeteilt: Sie haben doch gar keinen Dienst fürs Vaterland gemacht. Jetzt müssen Sie mal ran. Dann habe ich Zivildienst gemacht – danach das Studium endgültig abgebrochen und vor allem als Programmierer im Multimedia-Bereich gejobbt und als DJ im Bremer Lagerhaus aufgelegt. Dann ist die Dotcom-Blase geplatzt und ich habe als Spieleerklärer in der "Spielerei" im Viertel angefangen.

Hat der Dotcom-Crash also die Weichen für Ihre Spieleerfinder-Karriere gestellt?

Sagen wir mal so. Wenn mich einer der Auftraggeber unserer Multimedia-Agentur nach Hamburg abgeworben hätte, wäre es vielleicht anders gelaufen.

In dieser Zeit entstanden auch Spiele wie "Finstere Flure", bei dem eine Familie aus einem düsteren Kerker entkommen muss, und "Funkenschlag", bei dem die Spieler die Bundesrepublik mit einem Energienetz und Kraftwerken überziehen müssen.

Ja. "Finstere Flure" haben wir inzwischen mehr als 60.000 Mal verkauft. "Funkenschlag" konnte ich auch dank der finanziellen Hilfe der Spielerei und eines Marburger Spieleladens neu auflegen. Außerdem habe ich damals in Rio Grande, die damals unter anderem schon die US-Rechte am Spiel "Carcassone" hatten, einen englischsprachigen starken Partner für das Spiel gefunden. Inzwischen hat sich "Funkenschlag" so um die 350.000 Mal verkauft. Und da sind die Erweiterungen noch nicht eingerechnet.

Spielemesse in Essen
Auf der viertägigen Spielemesse in Essen schauen einmal im Jahr im Herbst rund 200.000 Brettspielbegeisterte nach den neuesten Trends. Auch Friedemann Friese hat dort einen Stand. Bild: dpa | Roland Weihrauch

Erweiterungen gibt es mittlerweile von Nordamerika über Russland bis China. Gibt es auch eine für die Ukraine?

Dass dort Europas größtes Atomkraftwerk steht, war mir vor dem russischen Einmarsch auch nicht klar. Diese Erweiterung ist aber eher Zukunftsmusik. Es ist ja auch politisch gerade schwierig. Bei meiner China-Erweiterung gab es zum Beispiel einen Shitstorm, weil ich China und Taiwan getrennt und noch eine Linie zwischen beide Länder gezogen habe. Die Linie blieb natürlich. Aber auch bei anderen Erweiterungen kommt sowas vor. Bei der Osteuropa-Erweiterung mit Österreich, der Tschechei, der Slowakei und Polen haben wir den Spielplan um 15 Grad nach links gedreht, damit er auf ein Quadrat passt, und das mit einer Windrose am Spielfeldrand verdeutlicht. Der polnische Partner sagte mir dann, dass er das nicht so gerne hätte, weil das den Nationalisten in Polen nicht passen könnte. Da habe ich nur gegrinst und gesagt, jetzt erst recht.

Wie viele Spiele haben Sie eigentlich schon erfunden?

Das ist schwierig zu sagen. Pro Jahr versuche ich inzwischen, zwei Spiele zu veröffentlichen. Dann wären wir also bei rund 60, inklusive Erweiterungen sind wir bei mehr als 100.

Und wie viele Prototypen, also unfertige Spiele, liegen noch in Ihren Büroschubladen?

Wahrscheinlich habe ich derzeit so 20 Spiele rumliegen, die einer näheren Betrachtung würdig wären. Grundsätzlich würde ich sagen, aus fünf Ideen wird ein Prototyp und von fünf Prototypen wir einer als Spiel veröffentlicht.

Neben "Findorff", das ja eher für Vielspieler gedacht ist, veröffentlichen Sie in diesem Herbst noch ein zweites Spiel, das eher für Familien und Gelegenheitsspieler geeignet ist. Haben Sie sich in diesem Zusammenhang mal gefragt, wie eigentlich ein Fasanenfurz riecht?

Erst einmal klingt es schön, weil zwei F drin vorkommen. Zweitens musste ich für mein Spiel "Fasanerie" auch eine Möglichkeit finden, Minuspunkte zu verteilen. Und da lag das mit dem Fasanenfurz sozusagen in der Luft. Und drittens glaube ich, dass der schon ganz schön übel riechen kann.

Letzte Frage: Sie haben grüne Haare, tragen immer grüne Klamotten, jedes Ihrer Spiele hat eine grüne Box. Warum grün?

Das hat sich so entwickelt. In Spielerkreisen war es schon früher so, dass jeder mit seiner Lieblingsfarbe spielen wollte – ich also mit grün. Das war schon sehr umkämpft. Es gab sogar die Zeiten, wo die Leute Beutelchen mithatten, wo dann Würfel, Scheiben und Spielsteine in ihrer Farbe drin waren, falls ihre Farbe im Spiel nicht enthalten war.

Irgendwann kam dann die Haarfarbe dazu. Das war so 1989. Ich habe zwischendurch auch mal pink ausprobiert, was aber gar nicht passte. Blau ist immer so schnell wieder rausgewaschen. Und rot wie Pumuckl wollte ich auch nicht. Grün funktioniert einfach am besten. Ausgerechnet in Bremen ist es natürlich stark mit anderen Dingen assoziiert. Das ist aber okay. Es ist ja nicht so, dass wir nicht nebeneinander existieren könnten.

Vergessene Bremer: Ludwig Franzius und Jürgen Christian Findorff

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 6. Oktober 2022, 8:10 Uhr