Kommentar

Freimarkttag ohne Männer: Idee mit viel Symbolkraft und wenig Zukunft

Mehrere Lebkuchenherzen beim Ischa Freimarkt in Bremen.
Bild: Radio Bremen

Die Jusos schlagen vor, männerfreie Tage auf Bremer Volksfesten einzuführen. Ein gut gesetztes Thema, das einen langlebigeren Vorstoß verdient hätte, findet unser Autor.

Ende Oktober des vergangenen Jahres veröffentlichte die Bremer Polizei eine Pressemitteilung mit einem Rückblick auf den zurückliegenden Freimarkt. Darin war aufgeführt, wie viele Anzeigen zu unterschiedlichen Straftatbeständen bei der Polizei im Zusammenhang mit dem Freimarkt eingegangen sind. Aufgeführt war auch, wie oft die Kriminalpolizei nun wegen sexueller Belästigung ermittelt. Die Zahl war niedrig, angesichts von rund 1,5 Millionen Besuchern vielleicht überraschend niedrig: Die Polizei ermittelte gerade einmal in vier Fällen.

Jeder Fall ist ein Fall zu viel

In Anbetracht solcher Relationen mag der Vorschlag der Jusos, einen männerfreien Tag auf Volksfesten wie dem Freimarkt oder der Osterwiese einzuführen, übertrieben daherkommen – zumal die Bremer Volksfeste für Frauen nicht gefährlicher sind als andere Volksfeste. Doch man sollte sich, gerade als Mann, nicht blenden lassen: Denn solche Zahlen laden geradezu herrlich dazu ein, das Problem der sexuellen Belästigung zu relativieren und herunterzuspielen. Dabei sind schon vier Fälle vier Fälle zu viel. Und außerdem ist die Zahl der tatsächlichen Fälle von sexueller Belästigung weitaus größer als die der angezeigten Fälle.

Denn sexuelle Belästigungen – das sind zum Beispiel auch ein Hinterherpfeifen, ein anzüglicher Spruch und natürlich auch die scheinbar versehentliche Berührung im Gedränge. Kaum mal wird so etwas erfasst oder gar zur Anzeige gebracht – aber immer führt es dazu, dass Frauen sich mindestens unwohl fühlen. Das bestätigt auch das Awareness-Team, das auf dem Freimarkt 2022 erstmals eingesetzt wurde.

Schausteller würden beim männerfreien Tag nicht mitmachen

Gerade weil das Thema zu selten sichtbar und greifbar ist, ist es gut, dass die Jusos die Frage, wie man Frauen auf Volksfesten schützt, in die politische Diskussion einbringen. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn sie einen Vorschlag mit besseren Zukunftsaussichten vorgelegt hätten: Denn Bremens Schaustellerverband hat bereits signalisiert, dass er einen männerfreien Tag nicht für den richtigen Weg hält und deswegen dabei nicht mitmachen würde. Somit ist der Vorschlag begraben, bevor er überhaupt politisch an Fahrt aufnehmen könnte.

Als Beobachter fragt man sich deshalb: Warum haben die Jusos nicht vorher die Position der Schausteller abgeklopft? Vielleicht wären beide ja sogar auf einen Nenner gekommen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Zelt nur für Frauen, um so einen Schutzraum zu bieten? Gerade in Wahlkampf-Zeiten – in denen provokante Vorschläge aus Parteien besonders auf ihre Ernsthaftigkeit abgeklopft werden – hätten die Jusos sich und diesem wichtigen Thema einen Gefallen damit getan, einen Vorschlag mit realistischen Chancen auf eine Umsetzung einzubringen.

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