Bremer "Gesindel": Wie ein Politikerbesuch für Ausschreitungen sorgte

Als Franz-Josef Strauß als Kanzlerkandidat der CDU/CSU um Stimmen kämpft, trifft er bundesweit auf massiven Gegenprotest. So auch heute vor 40 Jahren in Bremen.

Bild: Radio Bremen

Die Band in der Stadthalle gibt alles: Unermüdlich spielen die Musiker alte Swingklassiker, aber auch Gassenhauer wie "Hoch auf dem gelben Wagen" oder "Horch, was kommt von draußen rein." Leider kommt und kommt der Ehrengast nicht "von draußen rein", jedenfalls nicht pünktlich. Mit zweieinhalbstündiger Verspätung zieht Franz-Josef Strauß dann endlich mit Marschmusik und seinem Gefolge ein. Der bayerische Ministerpräsident ist Spitzenkandidat der Unionsparteien und will Bundeskanzler werden.

Mit hochrotem Gesicht steigt er auf das Podium. Rund um die Halle und in der Stadt wird gegen ihn demonstriert, zum Teil gewaltsam und das ärgert ihn richtig. In seiner Rede holt der CSU-Politiker erst einmal zu einem Rundumschlag aus.

Wer Pflastersteine und Molotowcocktails für besser Argumente hält, den kann ich nicht anders bezeichnen als Volksfrontgesindel.

Der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß hält eine Rede als Ehrengast beim Bremer Eiswettfest 1988
Franz-Josef Strauß, CDU/CSU-Kanzlerkandidat 1980

Es ist absehbar gewesen, dass es zu Ausschreitungen kommt: Bereits am Nachmittag ziehen erste Sicherheitskräfte eine Bannmeile rund um die Stadthalle, um den Marktplatz und die Obernstraße. Mit Mannschaftswagen, Wasserwerfern, berittenen Polizisten. Trotz eines Demonstrationsverbots rechnet man mit Protesten gegen den Besuch von Strauß.

Polizisten mit Hunden schirmen Demonstranten vor der Bremer Stadthalle ab
Vor der Bremer Stadthalle setzt die Polizei gegen die Demonstranten Polizeihunde ein. Es flogen Eier und auch Pflastersteine. Bild: dpa | Schilling

Knapp 2.500 Demonstranten mit Anti-Strauß-Plakaten liefern sich zum Teil schwere Auseinandersetzungen mit der Polizei, Tränengas wird eingesetzt, Wasserwerfer ebenfalls. Als die Wasserwerfer auf den Marktplatz fahren, fühlen sich viele Passanten "wie in einem Polizeistaat". Immer wieder schallen Durchsagen aus den Megafonen: "Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Der Platz auf dem Markt wird geräumt. Entfernen Sie sich über die Wandstraße in Richtung Weser."

Stacheldraht begrenzt die Zufahrten zur Stadthalle, während Franz-Josef Strauß drinnen gegen die Bremer SPD austeilt: "Die ehrwürdige alte Hansestadt hat es nicht verdient, dass ihr guter Name wegen der zunehmenden Verkommenheit der SPD in Misskredit gerät." Von den CDU-Anhänger bekommt er dafür lautstarken Applaus.

Währenddessen wird draußen das gesamte Bahnhofsviertel abgesperrt. Womit einige Anwohner absolut einverstanden sind, immerhin herrsche "freie Meinungsäußerung, auch wenn es nur die CDU ist", so eine Bremerin, die das Demonstrationsverbot für gerechtfertigt hält.

So sehr hat der Wahlkampfauftritt von Franz-Josef Strauß am 24. September 1980 die Menschen polarisiert. Es war bis dato eine der schwersten Ausschreitungen und das größte Polizeiaufgebot in Bremen seit Kriegsende.

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Autorin

  • Anja Kwijas
    Anja Kwijas

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Die Chronik, 24. September 2020, 7:40 Uhr