Wie diese Grasbergerin die Angriffe in Israel erlebt hat

Eine Frau lächelt in die Kamera.

Diese Grasbergerin erlebte den Angriff der Hamas auf Israel

Bild: Radio Bremen | Lieselotte Scheewe

Vor zwei Monaten begannen die Angriffe der Hamas auf Israel. Meike Kwapisz lebt seit 20 Jahren dort – nördlich von Tel Aviv. Sie erzählt, wie sie die Angriffe erlebt hat.

Dass sie heute in ihrem Elternhaus in Grasberg sitzt, hat Meike Kwapisz noch vor ein paar Monaten nicht gedacht. Die 49-Jährige hat ihre graublonden Haare locker hochgebunden und rückt ihre Brille zurecht, bevor sie erzählt.

Sie erinnert sich noch genau an den Moment, als sie von den Angriffen der Hamas auf Israel erfuhr: "Es war 6:30 Uhr, ich saß sofort senkrecht im Bett, beziehungsweise war schon in den Zimmern von meinen Kindern. Ich erinnere mich noch ganz, ganz stark an den Alarm – es ist so ein durchdringendes schreckliches Geräusch."

Alle wussten eigentlich, da ist etwas Großes passiert, was viel Größeres als normalerweise, viel größer und bedrohlicher.

Meike Kwapisz

Dann sitzt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Söhnen, 11 und 13 Jahre alt, an einer Stelle in ihrem Haus, an der sie sich einigermaßen geschützt fühlen. Wenn Alarm ertönt, gehen sie unter einen festen Deckenbalken, weil ihr Haus keinen Schutzraum hat. Sicher fühlen sie sich dort aber nicht.

Sie schauen sofort im Internet, was los ist. Bis sie die ersten Informationen bekommen, dauert es ein paar Stunden. "Und dann war totales Chaos. Also bei uns zum Glück nur im Kopf. Wir sind im Norden. Da war außer dem Alarm nichts weiter. Aber alle wussten, da ist etwas Großes passiert", erzählt sie.

Dass es Angriffe gibt und der Alarm ertönt, hat sie in den 20 Jahren im Land schon einige Male erlebt. In diesen ersten Stunden des 7. Oktobers wurde aber immer deutlicher, "dass es was viel Größeres als normalerweise ist – viel größer und bedrohlicher."

Tagelang in Schockstarre

Sie ist dann tagelang in Schockstarre, wie verwachsen mit dem Handy, geht Blutspenden, um irgendwie zu helfen. "Es war ja klar, dass unheimlich viele Leute starben. Die brauchten Blutreserven und das klappte dann in unserem Krankenhaus nicht, wo ich mir dachte, das kann doch nicht wahr sein", erzählt sie.

Sie bekommt mit, dass an verschieden Stellen Dinge nicht funktionierten: "Die Regierung war nirgendwo. Die Leute, die evakuiert werden mussten, aus diesen Ortschaften, die wurden nicht evakuiert. Also viele, viele Sachen sind einfach so umgefallen."

Einziger Ausweg: Die Rückkehr nach Deutschland

Innerhalb von zwei Tagen entscheidet Meike Kwapisz, mit ihren zwei Kindern das Land zu verlassen: Ihr Leben dort, ihr Haus, ihre Arbeit als Physiotherapeutin, die Familie ihres Mannes. Kein einfacher Schritt, aber in diesem Moment scheint er ihr der einzig richtige. "Wir dachten, wenn das jetzt vom Norden auch weiter losgeht, mit der Hisbollah, wenn da richtig krasse Angriffe kommen würden. Wir wussten ja gar nicht, was jetzt passiert. Nur, dass es wirklich echt schlimm wird", erzählt sie. Die Sorgen werden immer größer.

Ja, ich hatte richtig Angst. Aber es gab ja auch keine Flüge, es gab gar nichts.

Meike Kwapisz

Um Hilfe zu bekommen, wendet sich Meike Kwapisz an die Deutsche Botschaft, ans Auswärtige Amt: "Dafür stehe ich ja auch schon seit 20 Jahren auf so einer ELEFAND-Liste, eine Krisenliste, und bekam aber keine Rückmeldung. Und dann habe ich mit denen gesprochen, gibt es Flüge, können sie mir irgendwie eine Hilfeleistung geben? Und das konnten sie aber nicht."

Freunde aus Deutschland helfen ihr, über ein Tschechisches Reisebüro, Flüge zu bekommen. Am späten Mittwochabend kann sie einen Flug für den nächsten Morgen buchen. Innerhalb von ein paar Stunden packt sie die Sachen. 

Und dann sind wir raus und mein Sohn hat dann echt zu mir gesagt: Mama, ich bin so froh, dass ich jetzt keinen Alarm mehr hören muss. Und dann war für mich klar – das war der richtige Weg.

Meike Kwapisz

Seit ein paar Wochen gehen ihre Kinder in Grasberg zur Schule. Freunde und Familie helfen ihr, hier weiter anzukommen. Meike Kwapisz ist bewusst, was für ein Glück sie hat, ihre Familie hier in Deutschland zu haben: "Wenn ich überlege, ich hätte das alles nicht, so wie viele Flüchtlinge oder die ganzen Palästinenser, die überhaupt nicht raus können."

Ein neuer Alltag in Grasberg

Ihr Mann ist mittlerweile nachgekommen und besuchsweise hier. Die Schule hat sich schnell gemeldet und ihre Kinder gut aufgenommen. Bei den Anträgen und Behördengängen fühlt Meike Kwapisz sich von der Gemeinde willkommen und unterstützt.

Und sie schätzt sehr, dass sie diesen Rückhalt hat. Erstmal will sie in Deutschland bleiben und in Grasberg leben – zumindest, bis der Krieg in Israel zu Ende ist. "Ich möchte nicht auch noch weiter irgendwie großartige Ängste haben, mit irgendwelchen Demos, dass noch irgendwas passiert mit meinem Mann oder mit meinen Kindern. Deshalb ist es vielleicht auch gut erstmal in einer ländlichen Gegend. Erstmal hier anzukommen, zu Hause", sagt sie.

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Autorin

  • Lieselotte Scheewe
    Lieselotte Scheewe Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 7. Dezember 2023, 8:40 Uhr