Übergewichtige Kinder: 4 Eltern-Tipps für einen gesünderen Alltag
Immer mehr Bremer Kinder bringen zur Einschulung viel Gewicht auf die Waage. Ein Ernährungsberater und Psychologe aus Bremen geben Eltern Tipps, wie sie ihrem Kind helfen können.
Im Land Bremen waren zum Beginn des Schuljahres 2018/2019 etwa 14 Prozent der Grundschulkinder übergewichtig. Der Anteil übergewichtiger und adipöser Kinder in den Schuleingangsuntersuchungen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, zeigt der Landesgesundheitsbericht 2024. Kinder würden ihr Übergewicht häufig ins Jugend- und später ins Erwachsenenalter mitnehmen.
Übergewicht bringt große Gesundheitsrisiken mit sich und kann langfristig psychische und soziale Probleme verursachen. Es zu verlieren ist oft schwierig. Ein Ernährungsberater und ein Psychologe arbeiten in Bremen-Gröpelingen in einem Programm mit übergewichtigen Kindern zusammen. Sie geben Tipps, wie Eltern neue Essgewohnheiten und Verhaltensweisen in der Familie etablieren und ihr Kind mit Übergewicht unterstützen können.
1 Gesundes Verhalten vorleben
Eltern haben eine Vorbildfunktion für ihre Kinder. "Wenn Eltern nicht gesund essen und nicht gesund leben, speichert sich das bei den Kindern ein", sagt der Ernährungs- und Diätberater Christian Bönisch, der im Programm "Starke Kinder" eingebunden ist. "Deshalb muss man es den Kindern selbst vorleben." Es könne helfen, sich zum Beispiel bei der Krankenkasse zu informieren, was es für Angebote und Hilfestellungen gibt, um etwas zu ändern. Man müsse den Schritt wagen und sich trauen, so Bönisch.
Generell sei gesunde Ernährung wichtig. Bönisch empfiehlt: "Weg von verarbeiteten Lebensmitteln, hin zu natürlichen Lebensmitteln. Nicht immer nur was bestellen oder Tüte auf, sondern auch öfter selbst kochen. Und dabei auf mehr Gemüse und weniger Fleisch achten." Das koste natürlich alles Zeit. Man müsse es aber trotzdem umsetzen. Freie Tage oder Feiertage könnten sich anbieten.
Hilfreich sei es auch, die Kinder mit in die Küche zu holen und ihnen zuzutrauen, selbst zu kochen. Wer die Möglichkeit habe, könne auch im Garten oder auf dem Balkon Gemüse anpflanzen und selbst ernten. Das bringe den Bezug zum Essen nahe.
Die Kinder lieben es, hier im Projekt zusammen zu kochen. Und ich stelle auch fest, dass viele Kinder erst beim Kochen so richtig merken, was wonach schmeckt.
Christian Bönisch, Diätassistent und Ernährungsberater beim Diako Krankenhaus
2 Essgewohnheiten in der Familie ändern
"Alleine essen ist immer doof, also gerne zusammen essen", rät Christian Bönisch. "Das Radio kann dabei anbleiben, ich empfehle aber immer, den Fernseher auszumachen und Handys wegzulegen. Lieber ein bisschen dabei quatschen. Das hilft." Wichtig sei auch, Routinen zu finden. Dabei könne es helfen, spielerische Anreize zu schaffen. "Man kann etwa die Challenge machen, zwei Liter Wasser am Tag zu trinken. Oder vielleicht jeden Mittwoch ein bisschen naschen erlauben, den Donnerstag und Freitag dann aber ein bisschen mehr Bewegung einbauen."
Naschen und Ausnahmen gehörten auch dazu – aber in Maßen. "Man kann das Naschen nicht verbieten. Ich empfehle, dass man kontrolliert nascht. Oder eher eine Scheibe Brot mit ein bisschen Nutella oder Honig drauf zu naschen, anstatt das Snickers oder Twix. Weintrauben können Süßigkeiten wie Bonbons ersetzen", sagt der Experte. Solche Gewohnheiten müssten dauerhaft im Alltag gelebt werden.
3 Dem Kind Selbstvertrauen geben
Für Eltern sei es auch wichtig, dem Kind Dinge zuzutrauen, damit es Selbstvertrauen entwickelt, sagt Christian Bönisch. Es könne auch helfen, von dem Wunsch abzurücken, dass das Kind auf einmal total schlank wird. Vielmehr solle es darum gehen, dass das Kind sich wohlfühle und selbstbewusster werde. Für den Bremer Psychologen Jan Jansen ist Selbstvertrauen ebenfalls zentral.
Häufig wird gedacht, es geht bei Adipositas nur um Ernährung und Bewegung. Dabei ist zum Beispiel auch Stress durch Diskriminierung ein großes Thema.
Jan Jansen, Bremer Psychologe mit Schwerpunkt auf systemischer Beratung
Scham und auch eine falsche Körperwahrnehmung könnten weitere Ursachen sein. Deshalb gehe es darum, den Kindern Selbstvertrauen beizubringen. "Dass sie verstehen: Ich bin okay, so wie ich bin. Dass sie lernen, mit Scham umzugehen und, dass es okay ist, anders zu sein." Dafür müssten die Eltern eine Sensibilität entwickeln. Die Unterstützung der Familie sei essenziell, so Jansen.
4 Den ersten Schritt gehen
"Es gibt nicht die eine, universelle Idee, um den ersten Schritt für eine Veränderung zu gehen", sagt Jan Jansen. Helfen könne es, sich die Auswirkungen von Übergewicht vor Augen zu führen. "Es geht am Ende um die Gesundheit, also etwas sehr Langfristiges." Auf schnelle Erfolge zu hoffen, mache wenig Sinn, denn Adipositas sei eine komplexe Thematik und "nicht mal eben" mit einer Diät gelöst. Oft sei es auch hilfreich, sich mit Gruppen auszutauschen, die die gleiche Problematik haben. "Dass man merkt, man ist nicht allein betroffen. Das gibt schon mal Entlastung."
Christian Bönisch sagt: "Taten sind wichtiger, als nur drüber zu reden und zu sagen: Du musst abnehmen. Wir wissen alle, wie schwer abnehmen ist." Deswegen müsse man handeln und Dinge ändern. Da sei Essen ein wichtiger Start und auch eine große Motivation. "Wenn man dann noch Bewegung im Alltag einbaut, zum Beispiel Fahrradfahren oder Treppe steigen, dann ist dem schon viel geholfen", so Bönisch.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 14. November 2024, 15:38 Uhr