Interview

Bremer Meeresschützer: Darum kommt der "End of Fish Day" immer früher

Gefangene Makrelen liegen auf einem Tisch (Archivbild)
Bild: dpa | Pixsell/Ivo Cagalj

Deutsche leben beim Fisch weit über ihre Verhältnisse. Rein rechnerisch sind die Fischreserven in Deutschland bereits am heutigen 6. März aufgebraucht.

Ein Mann sitzt mit Kopfhörern an einem Laptop.
Kai Kaschinski ist Vorstand von "Fair Oceans" . Bild: Fair Oceans

Ab heute ist Deutschland statistisch betrachtet vollständig auf Importe angewiesen. Das hat der Bremer Verein "Fair Oceans" ermittelt. Mit dem "End of Fish Day" will die Organisation zusammen mit "Brot für die Welt" und "Slow Food Deutschland" seit 2019 für die Probleme der Ozeane, der Kleinfischerei und der Ernährungssicherheit sowie für die Verantwortung der Politik sensibilisieren.

Die Gruppen fordern die Bundesregierung auf, die gemeinsame Fischerei-Politik der EU so zu verschärfen, dass die Entwicklung gestoppt und umgekehrt wird. Die Überfischung hat demnach gravierende Folgen für die Ökosysteme der Meere. Kai Kaschinski ist Vorstand von "Fair Oceans" und erklärt die Hintergründe.

Wie lässt sich der Zeitpunkt dieses "End of Fish Day" einordnen?

Es heißt schlicht und ergreifend, dass alles, was wir ab heute an Fisch und Meeresfrüchten zu uns nehmen, aus dem Ausland importiert wird. Im letzten Jahr war es ungefähr zwei Wochen später. Und das ist auch die generelle Tendenz: Der Tag kommt immer früher als im Vorjahr.

Woran liegt das?

Das liegt daran, dass die Überfischung der Weltmeere sich leider bis heute ungebrochen fortsetzt. Mittlerweile sind über 35 Prozent der weltweiten Bestände überfischt. In der Nord- und Ostsee wird das sogar noch überschritten und im Mittelmeer sind es um die 80 Prozent.

Welche Rolle spielen dabei deutsche Fischkutter?

Global gesehen spielt Deutschland da keine große Rolle. Und es sind auch nicht die Kutterfischer, die zu der Überfischung in dem Maße beitragen. Es sind aber durchaus auch deutsche Trawler, die noch unterwegs sind. Das sind nicht mehr viele. Früher war in Bremerhaven die größte Fischereiflotte Europas ansässig. Aber es sind immer noch ein paar. Und auch noch ein paar große, die über eine holländische Firma betrieben werden, aber unter deutscher Flagge fahren. Die fangen in dem Vergleichsjahr im Südost-Pazifik genauso viel wie in der Ostsee.

Was für eine Konsequenz sollte aus dem immer früheren "End of Fish Day" folgen?

In Deutschland essen wir sowieso schon weniger als im Weltdurchschnitt. Wir sind nach diesem Ergebnis unter 13 Kilogramm pro Kopf, weltweit sind es über 20 Kilogramm pro Kopf. Allerdings ist das tatsächlich immer noch zu viel. Und wir sollten vor allen Dingen darauf schauen, dass wir regional nachhaltig fischen und auch regionalen Fisch verzehren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Aber im Endeffekt kommen wir nicht drumherum, wir müssen alle weniger Fisch essen.

Am Wochenende haben die Vereinten Nationen ein Abkommen zum Schutz der Hochsee beschlossen – ist das ein Erfolg oder noch zu wenig?

Das ist erstmal ein großer Erfolg. Gerade weil es möglich war, multilateral bei der UN mit allen an einem Tisch in der jetzigen Situation so vieler Krisen tatsächlich so einen Vertrag abschließen zu können. Allerdings war das nie ein wirklich rechtsfreier Raum, weil schon immer alle Nationen für die Schiffe unter ihrer Flagge verantwortlich waren.

Das Problem ist die Kontrolle und das wird es auch jetzt sein. Wenn die Staaten nach dem Vertragswerk und seiner Ratifizierung das Ganze nicht umsetzen und viel schärfer kontrollieren als bisher, wird weder die Fischerei noch die Emission der Schifffahrt dadurch abnehmen.

(Das Gespräch führten Britta Uphoff und Andreas Schnur, aufgezeichnet von Joschka Schmitt.)

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Bild: dpa | Florian Schuh

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Autorinnen und Autoren

  • Britta Uphoff
    Britta Uphoff
  • Andreas Schnur
    Andreas Schnur

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, der Morgen, 6. März 2023, 7:40 Uhr