Fragen & Antworten

Warum ein Bündnis eine Bremer Flüchtlingsunterkunft schließen will

Mehrere Menschen stehen mit Schildern bei einer Demonstration vor einer Halle.
Bild: Radio Bremen | Carolin Henkenberens

Mit Sprechchören haben diese Woche rund 100 Menschen in Bremen gegen die Zustände in einer Flüchtlingsunterkunft protestiert. Sie fordern die Schließung der Halle. Was steckt hinter der Kritik?

Um welche Unterkunft geht es?

Es geht um eine Turnhalle in der Nähe des Bremer Flughafens, die früher von der Lufthansa genutzt wurde. Dort bringt die Bremer Sozialbehörde seit Anfang dieses Jahres unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter, die dort übergangsweise bis zu ihrer Umverteilung auf andere Bundesländer leben. Für bis zu 40 Menschen ist laut Sozialressort Platz.

Was sind die Vorwürfe?

Das Bündnis "Shut Down Turnhalle" hält die Unterbringung von minderjährigen Geflüchteten in einer Turnhalle für nicht kind- und jugendgerecht. Die Schutzsuchenden fänden keinen Rückzugsraum in der Halle. Auch gebe es Schimmel im Bad. Eine Sprecherin von "Shut Down Turnhalle" nennt die Unterkunft "rassistisch", weil andere junge Menschen nicht so untergebracht würden.

Wir kritisieren, dass die Unterbringung gegen das Jugendschutzgesetz verstößt – dass es minderjährige alleine geflüchtete Menschen sind, die traumatische Erlebnisse hinter sich haben und nicht fachmännisch untergebracht werden.

Janice Oikhala vom Bündnis "Shut down Turnhalle"

Das Bündnis, zu dem auch der Bremer Flüchtlingsrat gehört, ist grundsätzlich gegen Sammelunterkünfte. Diese seien eine Form migrationspolitischer Abschreckung, sagt Gundula Oerter vom Flüchtlingsrat.

Wie sieht es in der Turnhalle aus?

Bei einem Rundgang ohne Kamera oder Mikrofon konnte sich Radio Bremen einen Eindruck verschaffen. Aufgrund der Minderjährigkeit der Betroffenen war besondere Sensibilität gefragt, Interviews waren nicht möglich.

In der Halle stehen helle Leichtbauwände, die im Messebau üblich sind. Sie teilen die Sporthalle in Kabinen. In jeder Kabine stehen zwei Doppelstockbetten und Metallspinde. Viel Platz ist in einer solchen Kabine, in der bis zu vier Menschen schlafen, in der Tat nicht. Decken nach oben gibt es nicht.

Die Johanniter als Betreiber der Unterkunft haben in der Mitte der Halle Sofas und Pflanzen aufgestellt, den Boden mit grauem Teppichboden ausgelegt, eine Playstation bereitgestellt. Sie scheinen das Beste aus der Situation zu machen. Aber: Es ist und bleibt eine Turnhalle, ein Provisorium in der Not.

Wie lange leben die Jugendlichen in der Turnhalle?

Laut Sozialressort bleiben sie in der Regel zwei bis drei Wochen, dann werden sie umverteilt. Manche müssen aber auch sehr viel länger in der Unterkunft bleiben. Dem Ressort zufolge "mehrere Wochen", eine Mitarbeiterin der Johanniter spricht von Monaten. Der Grund: Wenn das Jugendamt das Alter der Menschen anzweifelt, fertigen Rechtsmediziner aus Münster ein Gutachten an – und das dauert oft.

Wir haben keinerlei Hinweise auf hygienische Mängel oder sonstige Probleme in der Turnhalle. Ich selbst war erst vor kurzer Zeit vor Ort und habe gesehen, dass die jungen Menschen dort gut versorgt werden. Ich weise die Vorwürfe (…) deutlich zurück.

Sozialsenatorin Claudia Schilling (SPD) in einer Stellungnahme

Wie reagieren die Behörden und der Betreiber auf die Kritik?

Sozialressort und Johanniter bezeichnen die Vorwürfe als "haltlos". Eine Begehung mit dem Gesundheitsamt habe keine hygienischen Mängel ergeben. Auf der Gemeinschaftsfläche würde Deutschunterricht angeboten, es würden Ausflüge etwa zum Freimarkt unternommen. Dennoch prüft das Ressort nach eigenen Angaben Alternativen zur Turnhalle.

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Autorin

  • Carolin Henkenberens
    Carolin Henkenberens Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Next, Next am Morgen, 27. Oktober 2023, 9:20 Uhr