Corona-Rückblick: Was Bremer Politiker heute anders machen würden

Eine Passantin hält eine FFP-2 Maske in der Hand. Die bisherigen Corona-Regeln im Land Bremen werden bis zum 2. April gelten.
Ab dem 2. Februar gibt es keine Maskenpflicht mehr im Fern- und Nahverkehr. Auch die Schutzvorschriften am Arbeitsplatz fallen weg. (Symbolbild) Bild: dpa | Sina Schuldt

Die letzten allgemeinen Corona-Einschränkungen sind am Donnerstag weggefallen. Wie blicken Bremer Politiker und Experten auf fast drei Jahre Pandemie zurück?

Die Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr ist gefallen – und mit ihr die letzte Bastion der Anti-Corona-Maßnahmen. Zwar gilt in Kliniken und Pflegeheimen noch die Testpflicht, FFP2-Masken gehören beim Arztbesuch weiterhin zum Alltag, doch an öffentlichen Orten entfallen sämtliche Corona-Einschränkungen.

Nach fast drei Jahren kehrt die Normalität wieder ein, auf den Straßen, in den Zügen, am Arbeitsplatz. Welche Spuren haben drei Jahre im Ausnahmezustand hinterlassen? Was hätte besser laufen sollen? buten un binnen hat Bremer Politiker und Politikerinnen gefragt.

Bremer Bürgermeister: Hätten Bremer Sonderweg stärker verteidigen sollen

Bremens Bürgermeister, Andreas Bovenschulte (SPD), lenkt den Fokus auf die Kinder und Jugendlichen, die wichtige Jahre ihrer Leben in der Pandemie verbracht haben.

Wir haben uns in Bremen so gut es ging gegen voreilige Schul- und Kitaschließungen gewehrt, weil die Kinder ohnehin schon die Leidtragenden der Pandemie waren. Im Nachhinein aber glaube ich: Wir hätten uns vielleicht noch hartnäckiger gegen die Vorgaben des Bundes wehren und den Bremer Sonderweg noch entschlossener beschreiten müssen.

Bürgermeister Andreas Bovenschulte lächelt in die Kamera.
Andreas Bovenschulte, Bremer Bürgermeister
Bürgermeister Andreas Bovenschulte spricht auf einer Pressekonferenz, links neben eine Gebärdendolmetscherin.
Immer wieder gab es in der Pandemie Pressekonferenzen des Bremer Senats und Bürgermeisters zum Thema Corona-Verordnungen. Bild: Radio Bremen

Schul- und Kitaschließungen sind auf Bundesebene kontrovers diskutiert worden. Bremen hielt an der Entscheidung fest, sie so lange wie möglich offen zu halten, was zu hitzigen Debatten führte. Vor zwei Jahren appellierte Ex-Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) an Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken, obwohl der Bund beschlossen hatte, den Präsenzunterricht herunterzufahren. Dafür erntete sie teils starke Kritik. Inzwischen hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jedoch die langen Schulschließungen in der Coronazeit als Fehler bezeichnet.

Positiv war laut Bovenschulte das Ergebnis der Impfkampagne: Sie habe gezeigt, dass man viel erreichen könne, wenn alle "zusammenhalten und ein gemeinsames Ziel verfolgen". Bremen hatte zeitweise die höchste Impfquote unter den Bundesländern, was dem Stadtstaat den Titel "Impfmeister" einbrachte. Für den Bürgermeister hat die Pandemie zudem die besondere Stellung der Wissenschaft hervorgehoben.

Ohne Wissenschaft ist kein Staat zu machen! Was ich damit meine: In der Pandemie hat sich gezeigt, dass ideologisch geprägte Debatten an ihre Grenzen stoßen.

Bürgermeister Andreas Bovenschulte lächelt in die Kamera.
Andreas Bovenschulte, Bremer Bürgermeister

Virologe: Pandemie hat Schwachstellen in unserer gesellschaftlichen Struktur gezeigt

Für den Bremer Virologen Andreas Dotzauer, der sich mehrfach während der Coronakrise in den Medien geäußert hat, könnte die Pandemie auf wissenschaftlicher Ebene als eine Art "natürlicher Megastudie" dienen, bei der Informationen über das neue Virus gesammelt werden.

Einige Erkenntnisse sind auch über Corona hinaus von großem Nutzen, da sie sich auf andere Viren und die von ihnen verursachten Krankheiten übertragen lassen.

Virologe Andreas Dotzauer steht auf einem Flur.
Andreas Dotzauer, Virologe

Einerseits sei jetzt klar, dass sich Pandemieverläufe nicht komplett vorhersehen lassen, andererseits habe sich das bereits vorhandene Wissen über Viren als nützlich erwiesen, um zumindest kurzfristige Einschätzungen abzugeben.

Laut Dotzauer haben diese Jahre ebenfalls ein Licht auf Schwachstellen in unserer "gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Struktur" geworfen und die Zerbrechlichkeit unseres Alltags aufgezeigt.

Die Pandemie hat uns vor Augen geführt, dass unsere Lebensgewohnheiten sehr plötzlich durch bestimmte äußere Ereignisse beeinflusst werden können.

Virologe Andreas Dotzauer steht auf einem Flur.
Andreas Dotzauer, Virologe

Arbeitssenatorin: Manchmal war die Kommunikation nicht optimal

Auch laut Arbeits- und Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) hat die Pandemie gezeigt, dass "wir in vielerlei Hinsicht als Gesellschaft nicht robust genug aufgestellt sind". Dies betreffe mehrere Bereiche: etwa Produktions- und Lieferketten sowie die Personalaufstellung in den Kliniken.

Die Globalisierung hat uns eine Abhängigkeit in den Lieferketten gebracht, die uns schwer getroffen hat. Von der Produktion medizinischer Produkte bis zu fehlenden Halbleitern: Es ist in vieler Hinsicht falsch, auf billige Produktionskosten in anderen Regionen zu setzen.

Die Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt zu Gast im Studio von buten un binnen.
Kristina Vogt, Bremer Arbeits- und Wirtschaftssenatorin

Während der Pandemie hätte die Kommunikation manchmal besser laufen können, die Schnelligkeit bei den Entscheidungen hat auch eine Rolle gespielt, so die Senatorin. "Die Programme, um die Betriebe durch die Krise zu bringen, mussten sehr schnell und manchmal mit etwas heißer Nadel gestrickt werden. Da passieren Fehler, das ist menschlich." Insgesamt falle ihr Urteil jedoch positiv aus.

Schwierig war für mich die erste Lockdown-Entscheidung: Betriebe und Arbeitnehmer waren extrem verunsichert und es gab keine belastbare Datengrundlage, auf der man hätte entscheiden können, der öffentliche Druck war sehr groß.

Die Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt zu Gast im Studio von buten un binnen.
Kristina Vogt, Bremer Arbeits- und Wirtschaftssenatorin

Gesundheitssenatorin: Unser Gesundheitssystem muss anders aufgestellt sein

Das Gesundheitsressort hat während der Pandemie ebenfalls kontroverse Entscheidungen treffen müssen. Man habe jedoch in Bremen die Beschlüsse über Corona-Einschränkungen jeweils gut abgewogen, erklärt Senatorin Claudia Bernhard (Linke).

Im Nachhinein Entscheidungen zu kritisieren ist immer einfach. Wenn wir uns aber zurückversetzen in den Februar, März, April 2020, vielleicht noch die Bilder aus Bergamo im Kopf haben, können wir die Angemessenheit der damaligen Entscheidungen wieder nachvollziehen.

Die Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard zu Gast im Studio von buten un binnen.
Claudia Bernhard, Bremer Gesundheitssenatorin

Gleichzeitig habe die Pandemie vor Augen geführt, dass die Gesundheitsversorgung auf solche Ausnahmesituationen nicht ausgelegt sei. "Eine Lehre aus der Pandemie ist also ganz klar, dass unser Gesundheitssystem anders aufgestellt sein muss." Etwa bei der Vorhaltung von Krankenhausbetten und der Präventionsarbeit. Daran arbeite man gerade auf Bundes- und lokaler Ebene.

Die Arbeit der Gesundheitsfachkräfte in den Quartieren zeigt dabei, in welche Richtung es gehen muss. Wir brauchen mehr Beratungs- und Präventionsangebote direkt in den Quartieren und Stadtteilen. Gesundheitsfachkräfte sind ein erster Schritt, Gesundheitszentren ein zweiter, der folgt.

Die Bremer Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard zu Gast im Studio von buten un binnen.
Claudia Bernhard, Gesundheitssenatorin

Bildungssenatorin: Kinderinteressen müssen in den Mittelpunkt rücken

Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD), die seit anderthalb Jahren im Amt ist, findet ähnlich wie Bürgermeister Bovenschulte, Bremen hätte bei Schulschließungen konsequenter bei seiner Linie bleiben sollen.

Ich habe das staatlich verordneten Stubenarrest genannt und bin dafür stark kritisiert worden. Im Nachhinein betrachtet ist es ein Unding, dass bei Mercedes ungebrochen weiter produziert wurde, dass die Tchibo-Hochregallager weiter gefüllt worden sind, aber Schulen und Kitas dicht gemacht werden sollten.

Bildungssenotorin Sascha Karolin Aulepp in einer Pressekonferenz.
Sascha Karolin Aulepp, Bildungssenatorin

Als eine "echte Herausforderung" bezeichnet sie die Pandemie und fügt hinzu: "Wir müssen uns zukünftig so aufstellen, dass wir Kinderinteressen in den Mittelpunkt rücken".

Kinder brauchen eine Lobby!

Bildungssenotorin Sascha Karolin Aulepp in einer Pressekonferenz.
Sascha Karolin Aulepp, Bildungssenatorin

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Bild: Imago | Wolfgang Maria Weber

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Autorin

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. Februar 2023, 19:30 Uhr