"Eine Klasse für sich": Schauspieler Bruno Ganz wäre jetzt 80 geworden

Er schwebte als Engel über Berlin, kellnerte in "Brot und Tulpen" oder brüllte als Hitler herum. Doch begonnen hat er seine kometenhafte Karriere in Bremen.

Schauspieler Bruno Ganz im Jahre 2017 (Archivbild)
Bild: dpa | Ekaterina Chesnokova/Sputnik

Bruno Ganz ist aus zahllosen Theater-, Film- und Fernsehauftritten bekannt. Unvergessen zum Beispiel sein sensibles Spiel in "Brot und Tulpen", "Der Himmel über Berlin" oder in "Der Untergang", wo er sich der monströsen Rolle des Adolf Hitler stellte. Bruno Ganz war es gewohnt, als "der Leise", "der Introvertierte", "der Grübler" und "der Melancholiker" beschrieben zu werden. Die zarten Seelen, die undurchdringlichen Charaktere oder die Engel im Film "Der Himmel über Berlin" waren aber nun mal seine Paraderollen.

Berufswunsch steht früh fest

Geboren wurde Bruno Ganz am 22. März 1941 in Zürich-Seebach. Schon als Schüler auf einem Züricher Gymnasium steht sein Berufswunsch fest: Schauspieler. Für seinen Vater – einen einfachen Schweizer Fabrikarbeiter – war das eine absurde Vorstellung. Deshalb sollte Bruno zunächst einen Beruf lernen. Von Mutter Anna, die aus Venetien kam, hätte er sein Talent, erzählte Ganz. Damals spielte er schon in einem Züricher Laientheater, schmiss die Schule ein Jahr vor dem Abitur und nahm Schauspielunterricht. 1962 ging er ans Junge Theater Göttingen. Aber ihn lockte die Arbeit mit Regisseur Peter Zadek.

Seine Karriere beginnt am Bremer Theater

Zwei Jahre später bewirbt Bruno Ganz sich in Bremen und bekommt eine Einladung zum Vorsprechen. Aber Zadek ist unsicher, ob er den 23-Jährigen wirklich nehmen sollte. Er schickt ihn also weiter zum Intendanten Kurt Hübner. Weil der gerade mit Grippe zu Hause liegt, deklamiert Bruno Ganz den "Prinz von Homburg" in Hübners Krankenlager. Mit Erfolg.

Der Hübner hat mich engagiert mit einem Zusatz, dass ich auch als Regieassistent tätig werden müsste, falls er sich getäuscht hat.

Bruno Ganz

Hatte er aber nicht: Ein knappes halbes Jahr später spielt er schon den Hamlet. Das war enorm. Bis 1969 bleibt Bruno Ganz am Bremer Theater und prägt hier den berühmten "Bremer Stil" entscheidend mit. Respektlose, provozierende Inszenierungen von Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder oder Peter Stein erschüttern das biedere Publikum. Legendär: Zadeks Inszenierung von Schillers "Die Räuber" 1966 als Comicstrip. Bruno Ganz spielt den Franz Moor.

Bescheidene Zeiten in Bremen

Der junge Schauspieler Ganz wohnt bescheiden in einem möblierten Zimmerchen in der Fitgerstraße in Bremen-Schwachhausen. Für 220 Mark Monatsgage ist keine größere Behausung drin. Später dachte Ganz liebevoll an die Anfangsjahre und an Kurt Hübner zurück. "Was mich persönlich betrifft, habe ich ihm viel zu verdanken, weil er mich engagiert hat, weil ich durch dieses Haus hier in einem Berufstheater dabei war, einen gewaltigen Aufbruch zu wagen, und an zentraler Stelle durfte ich an dieser Sache mitmachen. Für einen Schauspieler in dem Alter kann es nichts Besseres geben." Die fünf Jahre in Bremen prägten ihn. Es ist die Zeit um 1968, die Zeit der Rebellion.

Aufstieg und Einstieg in Filmgeschäft

Filmszene: Bruno Ganz sitzt auf der Schulter einer übergroßen Engels-Statue
Bruno Ganz als Engel im Film "Der Himmel über Berlin", 1987. Bild: dpa Picture Alliance | Everett Collection

Von Bremen aus stürmt Bruno Ganz die großen Bühnen in Berlin, München, Salzburg, Hamburg. Sein Aufstieg ist unaufhaltsam. Mitte der 1970er Jahre entdeckt ihn die Filmbranche. Damals – so sah er es rückblickend – hatte er einfach Glück, dass er gleich auf Regisseure wie Wim Wenders, Volker Schlöndorff und Werner Herzog traf. "Und ich habe es so intensiv betreiben können, dass ich dann zwei, drei Jahre lang auf keine Bühne mehr gehen musste."

Bruno Ganz ist eine Klasse für sich, ein Grenzgänger, einer, der nicht leicht zugänglich ist. Rollen von Menschen, die in sich gekehrt wirken, sind ihm auf den Leib geschnitten. Aus dieser scheinbaren Abwesenheit heraus kreiert er seine Präsenz auf der Bühne und vor der Kamera. Ganz ist unermüdlich. Film auf Film entsteht. 1999 erhält er den ersten Bremer Filmpreis. Sechs Jahre später sorgt er nochmal für Aufsehen mit seiner Rolle als Adolf Hitler im Film "Der Untergang" von Bernd Eichinger.

2010 hat der lebenshungrige Genussmensch Ganz seine überstandenen Alkoholprobleme öffentlich gemacht. Zuletzt spielte der Schweizer 2015 den Alm-Öhi in der Neuverfilmung des Kinderbuch-Klassikers "Heidi". 2019 starb der Melancholiker und stille Grübler mit dem Hang zum ganz Anderssein an einer Krebserkrankung im Alter von 77 Jahren.


Rückblick auf ein Interview von1989:

Stadtschnack mit Bruno Ganz über seine Zeit in Bremen

Bild: Radio Bremen

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Die Chronik, 22. März 2021, 6:40 Uhr

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