Wenig weibliche Acts auf Festivals: So schlägt sich die Breminale

Breminale 2021
Weibliche Acts sind auf vielen Festivals noch in der Minderheit. Auf der Breminale findet man aber einige. Bild: Radio Bremen | Josephine Gotzes

Auf vielen Festivals sind weibliche Acts in der Minderheit. Oft gilt noch: "Wo viel Geld ist, sind Männer in der Mehrheit." Braucht es eine Frauenquote?

Musik schallt von den Bühnen über die Wiese und gut gelaunte Menschen tummeln sich mit gekühlten Getränken am Wasser. Die ausgelassene Stimmung der Breminale lässt Bremerinnen und Bremer über den Osterdeich schlendern. Manche treiben von Bühne zu Bühne, andere sind das Programm genau durchgegangen. Wobei eine Frage für viele wahrscheinlich zunächst gar keine große Rolle spielte: Wie sieht es auf der Breminale mit der Geschlechter-Diversität aus?

Vielleicht ist es auf den ersten Blick gar nicht so auffällig, aber bei den wenigsten Festivals in Deutschland sind Frauen gleichermaßen auf der Bühne vertreten wie Männer. Wenn man sich die blanken Zahlen anschaut, wird schnell klar: Ein Männeranteil von 80 bis 90 Prozent ist die Norm.

Gerade das Festival Rock am Ring machte zuletzt wieder Schlagzeilen damit, dass der Frauenanteil bei den gebuchten Künstlern verschwindend gering sei. Das heißt: Das Lineup wurde zu nicht mal fünf Prozent mit Musikerinnen besetzt. Eine Benachteiligung von weiblichen Acts auf Festivals ist keineswegs nur bei Rockmusik zu sehen. Dass bei den Bayreuther-Festspielen 2021 zum ersten Mal eine Frau am Dirigentenpult für eine Oper stand, führte zu massenhaft Schlagzeilen in den Medien.

Eine immer stärker wahrnehmbare Gegenbewegung bildet sich

Bremens Frauenbeauftragte Bettina Wilhelm sieht dieses Problem auch in der Wirtschaft begründet:

Im Grundsatz gilt für das Musikgeschäft wie für andere Wirtschaftsbereiche auch, dass Frauen in Top-Positionen – übersetzt: als Top-Acts auf großen Bühnen – in der Minderheit sind. Oder anders: Dort, wo viel Geld verdient wird, sind Männer in der Mehrheit.

Bettina Wilhelm, Bremer Landesbeauftragte für Frauen

Doch die Stimmen nach Veränderung werden lauter. So sei laut Wilhelm zuletzt durch die Komikerin Carolin Kebekus und ihr DCKS-Festival ausschließlich mit Frauenbands eine deutliche Gegenbewegung wahrnehmbar. "Früher galt die Unterscheidung von Bands und Frauenbands: Erstere von Männern mit Musik für Menschen, Letztere von Frauen für Frauen. Das ist vorbei. Musikerinnen werden inzwischen gehört, wenn sie gleiche Teilhabe fordern, aber erlangt haben sie sie noch nicht", so Wilhelm.

Auf der Breminale ein fast ausgeglichenes Verhältnis

Bei der Breminale würde nach Aussagen des künstlerischen Leiters Jonte von Döllen sehr genau darauf geachtet werden, dass das Verhältnis von weiblichen und männlichen Acts mindestens ausgeglichen sei. "Tendenziell schauen wir beim Booking zuerst auf die Frauen. Das passiert seit einigen Jahren automatisch."

Auch die Führungspositionen seien nach Aussage des Leiters in großen Teilen weiblich besetzt. Bei einem ersten Blick auf die Acts kommt nach buten-un-binnen-Berechnungen eine Quote von circa 45 Prozent weiblicher Künstlerinnen zustande – die ist allerdings noch mit Vorsicht zu genießen, da nicht bei allen Künstlern das Geschlecht direkt ersichtlich ist.

In Zukunft werden die Acts noch mal ausgewertet und die Quote genau berechnet, so Jonte von Döllen, der nun auch die tatsächliche Zahl ermitteln will. Fest steht aber, dass das Programm der Breminale deutlich weiblicher besetzt ist als beispielsweise das Hurricane Festival in Scheeßel, das nach Auszählungen etwa 25 Prozent weibliche Acts auf der Bühne hatte.

Initiative Keychange will Musikindustrie umstrukturieren

Die Bewegung Keychange, ein globales Netzwerk, das an der Gleichstellung der Geschlechter in der Musikindustrie arbeitet, fordert derweil Festivals dazu auf, sich auf eine Frauenquote von 50:50 zu verpflichten. Gezählt werden dann alle Auftritte, bei der mindestens eine identifizierte Frau, ein Transgender oder eine nicht-binäre Person dabei ist. 25 Festivals in Deutschland haben sich bereits der Bewegung angeschlossen.

Darunter beispielsweise das Reeperbahnfestival in Hamburg, das nun nach Aussagen von Lea Karworth, die das Projekt Keychange dort betreut, bereits im vergangenen Jahr Ausgeglichenheit erreicht hat. Auch andere Festivals aus dem Norden haben sich zur gleichberechtigten Verteilung freiwillig verpflichtet: zum Beispiel das Appletree Garden in Diepholz oder das Lunatic Festival in Lüneburg.

Auch wenn die Zeit der Corona-Pandemie durch fehlende Präsenzveranstaltungen die Initiative herausgefordert habe, sei das Programm dennoch nicht unterbrochen worden: "Wir verzeichnen exponentielles Interesse an Keychange. Das merken wir sowohl an den Bewerberzahlen für das Keychange Talentförderungsprogramm als auch an den steigenden Zahlen der Musikorganisationen, die die Absichtserklärung Keychange Pledge unterzeichnet haben", erklärt Lea Karworth.

Was sagt die Politik zu einer verbindlichen Frauenquote?

Für die Bremer Frauenbeauftragte Bettina Wilhelm ist das allerdings auch besonders relevant, gerade weil die Breminale von der Stadt mitfinanziert wird: "Wenn öffentliches Geld bei einem Festival im Spiel ist, müssen die Geldgebenden darauf achten und ihre Unterstützung davon abhängig machen, dass auch in dieser Kunstform das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichberechtigung beachtet wird und alle Geschlechter auf der Bühne vertreten sind."

Es gehe um die Partizipation, also Teilhabe an der Kunst und dem Verdienst daran, die garantiert werden müssen. Ob diese durch eine verbindliche Quote garantiert wird, sei abhängig davon, ob die Selbstverpflichtungen der Festivalbetreiber ausreichen. Ansonsten müsste es auch in der Musikindustrie als Wirtschaftsbetrieb Vorgaben – also Quoten – geben.

Auch vonseiten des Kultursenats gibt es dazu eine klare Haltung:

Dass man eine Frauenquote auf Festivals wie der Breminale für sinnvoll erachten muss, darüber besteht Konsens, sofern diese erforderlich ist.

Werner Wick, Sprecher Kulturressort

Dass auf ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter auf Festivals geachtet werden muss, darüber sind sich Senat, Gleichstellungsbeauftragte und Festivalleitung also einig.

Welche Veränderungen die Musikindustrie nun in den nächsten Jahren tatsächlich noch durchmachen wird und inwieweit eine Umstrukturierung hier zum Erfolg führt, wird sich zeigen.

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Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Juli 2022, 19:30 Uhr