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Ein Jahr Armbrust-Angriff: Sind Bremerhavens Schulen heute sicherer?

Personen in Uniform stehen vor einer abgesperrten Straße.
Einsatzkräfte stehen in der Nähe einer Schule. An einem Gymnasium in Bremerhaven ist am Donnerstag geschossen worden.
Bild: dpa | Sina Schuldt

Der Anschlag auf das Bremerhavener Lloyd-Gymnasium jährt sich erstmals. Ein Mann hatte dort mit einer Armbrust um sich geschossen. Bis heute wirkt das Attentat nach.

Am 19. Mai 2022 stürmte ein 21-Jähriger seine ehemalige Schule. Dabei verletzte er eine Schulsekretärin lebensgefährlich. Die juristische Aufarbeitung ist mittlerweile vorangeschritten, der Mann rechtskräftig zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Doch am Lloyd-Gymnasium und den Bremerhavener Schulen wirkt das Attentat noch nach.

Wie ist die Lage am Lloyd-Gymnasium ein Jahr nach dem Angriff?

Die Tat ist an der Schule auch am Jahrestag noch sehr greifbar. "Nach meinem Eindruck ist das Attentat nach wie vor präsent", sagt Bremerhavens Schuldezernent Michael Frost (parteilos). "Es war einfach zu groß als Ereignis, als dass man es schnell zu den Akten legen könnte."

Knapp 200 Schülerinnen und Schüler waren damals im Gebäude, als der Attentäter mit einer Armbrust um sich schoss. Stundenlang mussten sie sich in den Klassenzimmern verbarrikadieren. Die damals lebensbedrohlich verletzte Sekretärin kann immer noch nicht wieder arbeiten. "Sie ist weiterhin nicht vollständig genesen, aber Gott sei Dank auf dem Wege der Besserung", sagt Frost. Auch andere Schulbeschäftigte seien noch in psychologischer Betreuung.

Die Verarbeitung ist weiterhin nicht abgeschlossen. Insofern ist dieser besondere Jahrestag etwas, was eine große Rolle spielt – in der Schule, aber auch darüber hinaus. Das betrifft auch mich.

Michael Frost, Schuldezernent Bremerhaven

Gibt es noch Auswirkungen auf den Schulalltag?

Der Schulalltag laufe mittlerweile wieder völlig normal, sagt die Schulleiterin Claudia Lissé. Fast täglich gebe es allerdings noch Situationen, in denen die Bilder wieder hochkommen.

Wir haben einige Menschen an der Schule, die noch sehr, sehr kämpfen. Für mich persönlich kann ich sagen: Es gibt immer Momente, wo man plötzlich wieder daran erinnert wird, manchmal Geräusche, manchmal irgendein Bild, das man im Kopf hat.

Claudia Lissé, Schulleiterin Lloyd-Gymnasium

Auch Lautsprecherdurchsagen sind für viele noch schwierig, sagt die Schulleiterin. Da seien die Erinnerungen an den Tag direkt wieder da. Deshalb gibt es an der Schule beispielsweise auch keinen unangekündigten Probe-Feueralarm mehr.

Ein Mann mit Sakko und Brille blickt in die Kamera.
Michael Frost, Bremerhavens Schuldezernent Bild: Radio Bremen | Dirk Bliedtner

Gibt es inzwischen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen?

Ja, die gibt es. Allerdings dürfen nicht alle öffentlich genannt werden, vieles soll lieber geheim bleiben. Eine Maßnahme ist allerdings: Sekretariate sollen an allen Schulen in Bremerhaven doppelt besetzt sein und dafür auch zusätzliches Personal eingestellt werden. Hier wird im Notfall Alarm ausgelöst.

Es habe eine schnelle und umfassende Aufarbeitung zusammen mit Schulamt, Polizei, Feuerwehr und Seestadtimmobilien gegeben. Alle seien geschult und hätten Notfallteams. Alle hätten sich intensiv mit den Abläufen auseinandergesetzt und wüssten, was sie im Falle eines Falles tun müssen. Das beziehe sich nicht nur auf Amoklauf oder Attentat, sondern auf Schadensereignisse jeder Art, also alles, was da denkbar sei, so Schuldezernent Frost.

Wir haben versucht, alle Aspekte von Sicherheit zu diskutieren. Zu ermitteln, was erforderlich ist, damit Schule weiter ein offener, aber sicherer Ort ist. Diesen vermeintlichen Widerspruch galt es aufzulösen.

Michael Frost, Schuldezernent Bremerhaven

Beitragen soll dazu ein Stufenplan, der derzeit und in den kommenden Jahren an den Schulen abgearbeitet wird. "Die Maßnahmen, die beschlossen wurden, definieren einen Standard für die Stadt Bremerhaven", so Frost. Nun werde geprüft, was das für die einzelnen Schulen bedeutet, die technisch und personell sehr unterschiedlich ausgestattet seien. Die Aufarbeitung sei ein Prozess, der weiterhin nicht abgeschlossen sei.

Krömer-Talk: "Wie sicher sind Bremerhavens Schulen, Herr Frost?"

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Läuft, 16. Mai 2023, 8:10 Uhr