Wie eine AWI-Forscherin Flusspegel vorhersagt und wozu das gut ist

Umgekippte Fahrwassertonne mit Entenfamilie bei Niedrigwasser im Rhein.
Bild: dpa | Rupert Oberhäuser

Mit Computer und viel Erfahrung sagt eine AWI-Klimatologin aus Bremerhaven Flusspegel vorher. Warum KI kein Bauchgefühl ersetzt und ihre Prognosen wichtig für die Zukunft sind.

Wäre es nicht praktisch, in die Zukunft gucken zu können? Das klappt bisher nicht wirklich. Aber die Forschung arbeitet daran – einer Wissenschaftlerin am Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) gelingt das schon ganz gut, jedenfalls, wenn es um die Pegelstände von Flüssen geht. Wie sie der Sache auf den Grund geht, was genau sie vorhersagen kann und wozu das gut ist.

Eine Frau sitzt im Büro am Computer und blickt in die Kamera.
Monica Ionita arbeitet in Bremerhavener mit Technik und 30 Jahren Erfahrung. Bild: Radio Bremen | Catharina Spethmann

Wenn am Rhein die Pegelstände sinken und für die Schiffe das Wasser unter dem Kiel knapp wird, weiß Monica Ionita vom AWI das schon bis zu drei Monate im Voraus. "Einige meiner Kollegen nennen mich Nostradamus", sagt sie. Mit Hellseherei oder schwarzer Magie hat der Job der Klimatologin aber nichts zu tun, nur mit harten wissenschaftlichen Fakten. Auf ihrem Schreibtisch steht deswegen auch keine Glaskugel, sondern zwei Bildschirme.

Dürresommer sind für Forscherin keine Überraschung

Am Computer erstellt Ionita Modelle, die zeigen, an welcher Stelle im Fluss wann wieviel Wasser fließt. Dafür füttert sie sie mit Daten zu Pegelständen in der Vergangenheit, zu Niederschlagsmengen, Bodenfeuchte und Temperaturen. So entstehe eine Art Gedächtnis, erklärt sie. "Wir suchen nach Analogien, nach ähnlichen Situationen in der Vergangenheit – je weiter wir da zurückgucken können, desto besser."

Aus diesen Analogien kann man dann ablesen, wie sich eine Situation voraussichtlich entwickeln wird. Dürresommer wie 2018 oder niedrige Wasserstände sind für die Modelle daher keine Überraschung – und Niederschläge wie die der vergangenen Wochen auch nicht.

Es gab früher auch schon nasse Sommer, und die hatten ihre Ursache in speziellen Wetterregimes. Solche Wetterregime gab es dieses Jahr auch. Die Information war also da, es kam nicht aus dem Nichts.

Eine Frau blickt vor grauem Hintergrund in die Kamera.
Monica Ionita, AWI-Wissenschaftlerin

Wichtig für Schifffahrt, Wasserversorger und Kraftwerke

Ionita nutzt für ihre Modelle lange Datenreihen, die bis zu 150 Jahre zurückreichen: Aufzeichnungen aus wissenschaftlichen Instituten, von Wetterdiensten und Raumfahrtbehörden. Die Informationen, die die Modelle auf dieser Grundlage auswerfen, sind nicht nur für Reedereien wichtig, die die Flüsse als Wasserstraßen nutzen und auf Mindest-Pegelstände angewiesen sind – sondern zum Beispiel auch für Wasserversorger und Kraftwerksbetreiber, die Kühlwasser aus Flüssen entnehmen.

Für ihre Prognosen verlässt sich Ionita nicht nur auf die Berechnungen, sondern auch auf ihr "good feeling", Bauchgefühl, sagt sie. Auch Künstliche Intelligenz könne das nicht ersetzen. Man gucke sich die Daten an, müsse aber auch seine Erfahrung einfließen lassen.

Der menschliche Faktor ist für mich unverzichtbar. Als ich als Meteorologin anfing, haben wir Prognosen mit Wetterkarten getroffen, wir hatten keine Modelle. Das sind für mich immer noch die besten Prognosen, auf Grundlage von 30 Jahren Erfahrung, mit dem exakten Wissen, wie sich eine spezielle Wetterlage entwickelt.

Eine Frau blickt vor grauem Hintergrund in die Kamera.
Monica Ionita, AWI-Wissenschaftlerin

Forschung soll Trinkwasser sichern

Sie wisse, wie "ihre" Flüsse ticken, sagt Ionita. Ihre Informationen stellt sie auch der Hamburger Hafenbehörde zur Verfügung, die damit rechtzeitig über niedrige Wasser stände und drohende Verschlickung informiert ist. Ihr Berechnungsmodell soll auch helfen, die Trinkwasserversorgung der Zukunft zu sichern.

Der tatsächliche Verbrauch einer Region wird den verfügbaren Vorräten gegenübergestellt – wichtig mit Blick auf die Veränderungen, die der Klimawandel bringen dürfte. Der wird auch die Arbeit von Ionita verändern. Welchen Wert haben Erfahrungswerte noch, wenn alles anders wird?

Wirklich gute Prognosen dürften schwieriger werden, weil das System chaotischer wird. Da ist mehr Energie drin, man weiß nicht, wie das System reagieren wird. Ich glaube nicht, dass Prognosen unmöglich werden, aber vor uns liegen härtere Zeiten.

Eine Frau blickt vor grauem Hintergrund in die Kamera.
Monica Ionita, AWI-Wissenschaftlerin

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Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Catharina Spethmann
    Catharina Spethmann

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 11. August 2023, 11:40 Uhr