Wie eine Bremerin als Mann verkleidet gegen Napoleon in den Krieg zog

Ein in schwarz und weiß gemaltes Bild von Anna Lühring
Bild: Staatsarchiv Bremen

Sie gilt als hanseatische Jeanne D'Arc: die Bremerin Anna Lühring. 1814 kämpft sie als Mann verkleidet im Krieg gegen Napoleon und wird bremische Kriegsheldin.

Es ist die Nacht des 13. Februars 1814, die kleine Weser ist zugefroren. Im Schutz der Dunkelheit schleicht eine Gestalt über das Eis und verlässt die Stadt Bremen. Es handelt sich um Anna Lühring, die 17-jährige Tochter eines Bremer Zimmermann. In den Kleidern ihres Bruders macht sie sich als Mann verkleidet auf den Weg nach Münster, um sich dort dem Lützower Freikorps im Kampf gegen Napoleon anzuschließen.

Zu diesem Zeitpunkt steht Bremen knapp acht Jahre unter französischer Besatzung, das passt der Bevölkerung gar nicht. Als der preußische König Friedrich Wilhelm II. im März 1813 Frankreich den Krieg erklärt, greifen auch die Bremer zu den Waffen.

Entschlossen und unerschrocken: Anna Lühring kämpft

Frauen sollen in dieser Zeit eigentlich nicht an die Front, sondern Spenden sammeln. "Anna Lühring gehörte zu den relativ zahlreichen Frauen, die sich während der Befreiungskriege 1813 bis 1815 den Freischärlern anschlossen. In allen Ländern, die von napoleonischen Truppen erobert worden sind, gab es eigentlich solche Frauen", erklärt die Bremer Historikerin Romina Schmitter.

In diesen Ausnahmezeiten konnte man eigentlich jeden gebrauchen.

Eine Frau sitzt neben einem Bücherregal auf einem Sessel
Historikerin Romina Schmitter

Die Soldaten im Lützower Freikorps merken nicht, dass Eduard Kruse eigentlich eine Frau namens Anna ist. Sie gilt als unerschrocken und entschlossen, kämpft in kleineren Gefechten an der Seite von Männern bis zum Sieg über die Truppen Napoleons. Als Anna Lühring mit dem Lützower Freikorps in Richtung Paris marschiert kommt es zur Katastrophe: Ein Brief von Annas Vater erreicht den Hauptmann ihrer Truppe. Er suche seine Tochter, vermutet, dass sie sich als Eduard dem Freikorps angeschlossen habe. Anna Lühring ist aufgeflogen. Sie wird zum Hauptmann zitiert, bittet ihn darum, bei der Truppe bleiben zu dürfen und sie nicht zu verraten.

EIne alte schwarz-weiß Fotographie von Anna Lühring
Bild: Staatsarchiv Bremen

Der Hauptmann stimmt zu, fordert sie sogar auf zu bleiben, weil sie sich militärisch so bewährt habe, erklärt die Historikerin Schmitter. "Ganz Europa war von Napoleon besetzt und da gab es so eine Bewegung von nationaler Begeisterung. Vor diesem Hintergrund hat man auch verkraftet, dass da einige Frauen sich den Truppen angeschlossen haben. In diesen Ausnahmezeiten konnte man eigentlichen jeden gebrauchen", so Schmitter.

Das Bremer Heldenmädchen in Berlin

Nach dem Sieg über Napoleon zieht Anna Lühring gemeinsam mit den Soldaten unter Jubel in Berlin ein, wird am Hof des preußischen Königs empfangen und mit einer Kriegsmedaille ausgezeichnet. Als Bremer Heldenmädchen wird sie bei ihrer Ankunft in Berlin gefeiert. Doch trotz ihres militärischen Erfolges und ihrer Bekanntheit will ihr Vater sie nicht bei sich aufnehmen, erst 1815 kehrt sie nach Bremen zurück.

Doch ihr Ruhm hält nicht lange an: Sie lebt zurückgezogen in ihrem Elternhaus. Geld, das ihr vom Senat versprochen wurde, kommt über Jahre nicht bei ihr an. Ab 1860 erhält sie dann eine jährliche Rente. Dennoch stirbt Anna Lühring 1866 verarmt in Hamburg. Als hanseatische Jeanne D’Arc zieht sie in die Bremer Geschichte ein, die sich den Respekt der Soldaten und der Bremerinnen und Bremer erkämpft hat.

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Autorinnen

  • Lisa-Maria Röhling
    Lisa-Maria Röhling
  • Tinia Würfel
    Tinia Würfel

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Oktober 2022, 19:30 Uhr