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Mehr als nur eine Münze: Einblicke in das Leben eines Obdachlosen

Hab und Gut eines Obdachlosen in einer Nische in einer Einkaufsstraße.
Nachkauf: 20. Dezember 2023

Welche Reaktionen ein Obdachloser in Bremen erfährt

Bild: Imago | Sven Simon

Tim ist 37 Jahre alt und obdachlos, er lebt seit 15 Jahren auf der Straße. Das Betteln ist Tims Hauptbeschäftigung. Dass Passanten kritisiert werden, wenn sie ihm Geld spenden, bekommt er mit.

Bei den Suppenengeln holt sich Tim Essen, den Rest seines Lebens finanziert es sich durch betteln. Tim kommt nur ab und zu mit Passantinnen und Passanten ins Gespräch. Oft wird er gefragt, wozu er das Geld braucht und dabei ist ihm Ehrlichkeit wichtig.

Diese zahlt sich häufig aber nicht aus, da Leute kein Geld für Alkohol oder Drogen geben wollen. Axel Brase-Wentzell von der Wohnungslosenhilfe kennt solche Probleme und klärt uns auf.

Warum werden Spender und Spenderinnen für die Hilfe verurteilt?

Es sei leicht über Menschen zu urteilen, die sich am Rande der Gesellschaft aufhalten, erklärt Axel Brase-Wentzell von der Wohnungslosenhilfe Bremen. Gruppen würden dabei gegeneinander ausgespielt werden. "Das ist in den letzten Jahren vehement schlimmer geworden." Das zeichne sich in Spendesituationen ab. Er kenne die Situation, dass sich Menschen, die spenden vorm Partner oder der Partnerin rechtfertigen müssen oder Blicke erhalten von Passanten, die in der Situation vorbeilaufen.

Wie geht man als Spender damit um, dass man nicht weiß wofür obdachlose Menschen das gespendete Geld ausgegeben?

Nicht immer zahlt sich die Ehrlichkeit aus. Wenn Tim gefragt wird, wofür er das Geld braucht, ist er ehrlich. Er kaufe sich davon auch Alkohol. Wenn er das zugibt, wird ihm nichts gegeben. "Es geht dann um die Frage: Kann ich aushalten, dass der Mensch sich das davon kauft, was er sich kaufen möchte. Da reden wir von Alkohol, von Drogen – von den Dingen für die vielleicht nicht gespendet werden wollte," so Brase-Wentzell.

Was kann gegen das Spenden sprechen ?

Auf Bremens Straßen sind sich die Menschen zum Thema "Geld spenden" uneinig. Wer spendet hat erst einmal das Gefühl, etwas Gutes getan und bedürftigen Menschen geholfen zu haben, erklärt Axel Brase-Wentzell. Spenderinnen und Spender erwarten dann aber auch oft ein "Mitspracherecht", wofür die Spende genutzt wird. Sie möchten eine
Einverständnis der bedürftigen Person, dass nur die Dinge gekauft werden, die eine Spenderin oder ein Spender will, wie beispielsweise Nahrungsmittel und warme Kleidung.

Es sei eine emotionale Entscheidung, erklärt ein Passant, in bestimmten Situationen kann man durchaus etwas spenden. Ob man Betteln als Hauptbeschäftigung unterstützen sollte? Diese Frage stellt sich ein weiterer Passant. Schließlich sagt dieser, es gäbe viele Hilfen von Sozialeinrichtungen, die in Anspruch genommen werden können.

Welcher Umgang ist der "Wünschenswerte"?

Axel Brase-Wentzell betont, dass jedes Wahrnehmen von Not positiv ist, weil wir somit den Menschen sehen. Die Art des Umgangs hängt von persönlichen Gefühlen und Möglichkeiten ab. Man kann die Person ansprechen und fragen, was sie benötigt oder einfach Geld geben. Auch der Ruf eines Rettungswagens oder der Polizei kann eine Aufmerksamkeit sein, die gespendet wird und vor dem Erfrieren retten kann. Aber auch für alle, die nicht direkt jemandem Obdachlosen etwas geben möchten, haben die Option durch Institutionen zu unterstützen. Denn auch hier gilt: Jeder Euro zählt, um Not zu lindern und in dieser kalten Jahreszeit, Erfrierungstote zu verhindern.

Warum kann das Spenden wichtig sein?

Spenden ist essentiell, da es darum geht, die Not bei anderen Personen zu sehen und darauf mit einer Handlung zu reagieren, so Axel Brase-Wentzell. Er hebt hervor, dass eine Spende häufig wirklich helfe, sei es beim Kauf von Nahrungsmitteln, Kleidung oder Prepaid-Karten. Aber auch Institutionen und Vereine sind auf Spenden angewiesen, um ihre Unterstützungsangebote aufrechterhalten zu können.

"Der Kontakt zu den bedürftigen Menschen ist notwendig, um immer wieder den Versuch zu unternehmen, Menschen in das bestehende Hilfesystem und auch an das Gesundheitssystem heranzuführen", sagt Barse-Wentzell. Jemand, der wegschaut, werde die Not nicht lindern, sondern verstärken.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 12.Januar 2024, 16:35 Uhr