Interview
Wie richten Sie die Grünen wieder auf, Frau Tell?
Franziska Tell ist die neue Landesvorstandssprecherin der Bremer Grünen. Im Interview mit Felix Krömer erzählt sie, wie die Partei wieder erfolgreich werden soll.
Für Franziska Tell neigt sich ein turbulentes Jahr dem Ende entgegen. Die 28-Jährige steckt in den Endzügen ihrer Promotion in der Mikropaläontologie (was das ist, erklärt sie ab Minute 36:24) und hat in der Politik rasant Karriere gemacht. Bei der Wahl im Mai zog sie in die Bremische Bürgerschaft ein, ehe sie Anfang Oktober zur neuen Landesvorstandssprecherin der Grünen gewählt wurde. Gemeinsam mit Marek Helsner will sie die Partei wieder auf Vordermann bringen. Wie das gelingen soll und was in der Vergangenheit schief lief, bespricht sie im Interview mit Felix Krömer.
1 Warum gab es bei der Bürgerschaftswahl einen derartigen Dämpfer für die Grünen?
Nur 11,9 Prozent der Stimmen erhielten die Bremer Grünen bei der Bürgerschaftswahl am 14. Mai. Für die Partei war es ein enttäuschendes Ergebnis, das sich allerdings abgezeichnet hatte. Schließlich standen die Grünen seinerzeit nicht nur aufgrund der Bundespolitik, sondern auch aufgrund ihrer Landespolitik in der Kritik.
Was hat der Partei also mehr geschadet? Das Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck oder die Verkehrsversuche der seinerzeitigen Mobilitätssenatorin Maike Schaefer, für die auch intern der Rückhalt arg bröckelte? "Es ist komplex, es ist nicht so so einfach", sagt Tell. Letztlich kamen ihrer Auffassung nach verschiedene Punkte zusammen, die dann zum schwachen Resultat geführt hätten.
Welche Verantwortung sie bei Spitzenkandidatin Schaefer sieht und wie sie nun, rund ein halbes Jahr nach der Wahl, die Stimmung bei den Bremer Grünen wahrnimmt, erzählt Tell ab Minute 7:26.
2 Wie werden die Grünen das Image der "Verbotspartei“ los?
Nicht nur in Bremen lief es für die Grünen in diesem Jahr nicht wie erhofft. In Hessen hat die CDU vor zwei Wochen die Entscheidung getroffen, nach zehn Jahren die Koalition mit der Partei zu beenden und stattdessen fortan gemeinsame Sache mit der SPD zu machen. Bei der Landtagswahl in Bayern kämpfte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zudem mit allen Bandagen gegen die Grünen und warf diesen "Umerziehungsideen, mit vielen Verboten“ vor.
Das Image der "Verbotspartei“ verfolgt die Partei nicht erst, seitdem diese im Bundestagswahlkampf 2013 den "Veggieday“ forderte. "Ich sehe gar nicht soviel, was wir in der Partei tatsächlich verbieten wollen“, berichtet Tell. Dies wird den Grünen ihrer Auffassung nach meist eher in den Mund gelegt. "Vor kurzem habe ich in einem Interview gesagt, dass ich selber nur Fahrrad fahre“, erläutert sie. "Daraus wird öffentlich gemacht: 'Ich möchte Autos verbieten.‘ Das habe ich aber nie gesagt.“
Wie Tell das Image der Grünen wieder aufpolieren will und über welche Wege die Partei wieder besser mit den Bürgern ins Gespräch kommen möchte, wird ab Minute 13:48 besprochen.
3 Steht der Bremer Klimafonds vor dem Aus?
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt die Ampel-Regierung in Berlin aktuell vor massive Herausforderungen. Der Nachtragshaushalt 2021 wurde in Karlsruhe in der vergangenen Woche für verfassungswidrig und nichtig erklärt.
Nun fehlen der Koalition 60 Milliarden Euro, die für den Klima- und Transformationsfonds vorgesehen waren. "Das ist auf jeden Fall eine Entscheidung, die uns hart trifft", räumt Tell ein. Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) kündigte daher am Donnerstag an, dass die Schuldenbremse aufgrund einer "außergewöhnlichen Notlage" ausgesetzt werden soll.
Gelingt dies letztlich nicht, dürfte dies auch Auswirkungen auf Bremen besitzen. Beispielsweise soll das hiesige Stahlwerk mit Mitteln aus dem Fonds bei der Umrüstung auf Wasserstoff unterstützt werden. Dies könnte nun in Gefahr geraten. Kippen könnte ebenfalls der rund drei Milliarden Euro schwere Bremer Klimafonds, gegen den die CDU klagt.
"Die Sorge gibt es natürlich", sagt Tell. Deshalb müssten nun Alternativen für den Fall erarbeitet werden, dass die CDU mit ihrer Klage Erfolg hat. "Die Investitionen, gerade im Bereich Klimaschutz, sind dringend notwendig", bekräftigt die Landesvorstandssprecherin der Grünen. Was derzeit im von ihrer Partei geleiteten Finanzressort passiert, welches Potenzial sie für Einsparungen sieht und über welche Steuererhöhungen sie gerne einmal sprechen möchte, beschreibt Tell ab Minute 21:12.
4 Wie ist es als junge Abgeordnete in der Bremischen Bürgerschaft?
Mit erst 28 Jahren ist Tell in diesem Jahr in die Bremische Bürgerschaft eingezogen. Damit gehört die Doktorandin zu den jüngsten Abgeordneten im Parlament. "Ich bin nicht die junge Rebellin, sondern in meiner Art, im Parlament aufzutreten, eher der sachliche Typ", stellt Tell klar. In ihrer Fraktion ist sie die Sprecherin für Bildungspolitik, Wissenschaft, Kinderpolitik, Datenschutz, Digitales und Medienpolitik. Der Ton in der Bürgerschaft ist dabei manchmal ganz schön rau.
Auf welche Art und Weise sie in ihren Fachgebieten die Prioritäten setzt, wie der Umgang mit arrivierten Abgeordneten in der Bürgerschaft bisher läuft und wie die Doppelrolle als Mitglied der Bürgerschaft und Landesvorstandssprecherin miteinander vereinbar ist, verrät Tell ab Minute 37:58.
5 Wie steht Tell zu Greta Thunberg und der "Letzten Generation"?
Greta Thunberg ist das Gesicht der "Fridays-for-Future"-Bewegung, durch ihre pro-palästinensischen Bekundungen zuletzt aber in Ungnade gefallen. Als "absolut unanständig" bezeichnete bereits Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen, Thunbergs Aussagen. Auch Tell geht hier auf Distanz zu Thunberg und erklärt, dass sie auf deren Äußerungen "eindeutig kritisch" blickt.
In Bremen stand die "Fridays-for-Future"-Bewegung ebenfalls unter dem Verdacht, Antisemitismus zu verbreiten. Im Sommer löste sie sich auf, ehe sich wenig später eine neue Gruppe bildete. "Ich hoffe, dass es möglich ist, dort einen neuen Drive reinzubringen", sagt Tell. "Denn ich glaube, das hat einen massiven Unterschied gemacht und in der öffentlichen Debatte ganz viel bewegt."
Für enorm viel Verdruss in großen Teilen der Bevölkerung sorgt derweil die "Letzte Generation" mit ihren Protest-Aktionen. "Ich glaube, das Ansinnen dahinter kann ich total nachvollziehen", erklärt Tell. Die Maßnahmen der "Letzten Generation" hält sie aber nicht für richtig. Wie die Bremer Grünen zudem auf die Hamas blicken und wie die Partei die Ergebnisse des Migrationsgipfels beurteilt, ist Thema ab Minute 47:45
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. November 2023, 19:30 Uhr