Interview

Was kann Bremen von Hamburgs Bildungspolitik lernen, Herr Senator?

Bild: dpa | Marcus Brandt

Bremen schneidet beim IQB-Bildungsmonitor schlecht ab, Schüler in Hamburg werden dagegen immer besser. Hamburgs Schulsenator Ties Rabe meint: Alle müssen an einem Strang ziehen.

Bremer Viertklässler haben beim Lesen, Schreiben und Rechnen größere Probleme als Kinder in anderen Bundesländern. Das zeigt der IQB-Bildungsmonitor, der die Pisa-Studie abgelöst hat. Im Gegensatz zu Bremen schneidet Hamburg besser ab: Die Viertklässler der Hansestadt haben deutlich aufgeholt und liegen im Vergleich mittlerweile auf Platz sechs. Vor zehn Jahren lag Hamburg noch auf dem drittletzten Platz. Bildungssenator Ties Rabe (SPD) erklärt bei buten un binnen, wie es dazu kam.

Herr Rabe, wie haben Sie das geschafft?

Ich glaube, es braucht ein ganzes Maßnahmenbündel, bei dem alle mitmachen müssen: die Lehrerinnen und Lehrer, die Schulen, die Eltern, die Schülerinnen und Schüler, aber natürlich auch die Schulbehörde. Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass man genau hinguckt – um überhaupt zu wissen, welche Kinder besonderen Förderbedarf haben. Dafür machen wir häufig Lernstandsvergleiche. Der zweite Punkt ist, Fördermaßnahmen auch umzusetzen. Beispielsweise haben wir eine Vorschule eingerichtet. Wir haben Sprachförderung und kostenlose Nachhilfe an den Schulen. Der dritte Punkt ist, dass man den besonderen Bereichen – nämlich: Deutsch, Lesen, aber auch Mathematik – einen Platz gibt. Damit das nicht im Unterricht verloren geht, haben wir die Stundenzahl erhöht.

Ein Hamburger Erfolgsrezept ist ja offenbar die Pflicht zur Vorschule für Kinder mit Sprachdefiziten. Was ist an der Vorschule besser als an einem verpflichtenden Kita-Jahr, wie Bremen es vor hat?

Beides kann durchaus sehr erfolgreich sein. Der Ort ist gar nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass man genau schaut: Welche Kinder sind in der Sprachentwicklung noch nicht so weit, wie sie es müssten? Für diese Kinder braucht es dann verpflichtende und gezielte Fördermaßnahmen. Die können in der Kita genauso stattfinden wie in der Vorschule.

In Bremen gibt es die Situation, dass ungefähr 15 Prozent der Kinder vor der Einschulung von keinem Test erfasst wurden. In Hamburg werden die Sprachkenntnisse von Kindern offensichtlich lückenlos festgestellt. Wie schaffen Sie das?

Das ist nicht nur in meiner Amtszeit entstanden, sondern wurde schon vorher eingeleitet. Ich kriege bis heute noch empörte Briefe von Menschen, die nach Hamburg ziehen und sagen: „Mein Kind ist gerade mal vier Jahre alt geworden und soll jetzt schon für einen Sprachtest in die Schule. Was soll das denn?“ Aber insgesamt hat sich das bewährt. Wir können genau sagen, welche Kinder Rückenwind brauchen – und die bekommen dann auch diesen Rückenwind. Aber es braucht Zeit, bis das alle akzeptiert haben.

Den Rückenwind gibt es unter anderem durch die verpflichtende Vorschule. Die SPD ist traditionell kein Fan der Vorschule. Sie sind bei der SPD – wie schaffen Sie es, Ihr Personal von der Sinnhaftigkeit der Vorschule zu überzeugen?

Man braucht schon einen langen Atem. Das kann nicht ein Politiker in wenigen Jahren im Alleingang machen. Das braucht Zeit und viele Beteiligte. Aber man kann Menschen überzeugen und das haben wir in Hamburg gemacht. Etwa auch, indem wir zusammen mit Wissenschaftlern dargestellt haben, welche positiven Ergebnisse es gibt, wenn man an dieser oder jener Stelle etwas anders macht. Lehrer sind ja vernünftige, kluge Menschen. Deswegen war es auch möglich, alle mitzunehmen und zu überzeugen.

Bei Ihrem Erfolg als Schulsenator in Hamburg: Haben Sie einen Tipp für Ihre Bremer Kollegin Sascha Aulepp, wie Bremer Schülerinnen und Schüler den Bildungsrückstand aufholen können?

Ich bin mit Sascha Aulepp täglich im Gespräch, sie macht das wirklich prima. Man sollte nicht so tun, als ob das einer alles alleine schaffen könnte. Eine Senatorin spielt natürlich eine entscheidende Rolle. Aber auch die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern und Schüler müssen alle mitmachen. Schüler müssen besser lesen wollen. Dieser Wille zur Verbesserung ist nicht etwas, dass man einem einzelnen Politiker aufbürden kann – das muss von allen kommen.

Bildungsvergleich offenbart enorme Rückstände bei Bremer Schülern

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Oktober 2022, 19:30 Uhr