Architekten kritisieren langes Warten auf Baugenehmigungen in Bremen

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Bremen braucht mehr Wohnungen. Das Bauressort brauche aber zu lange für die Baugenehmigungen, sagen Architekten. Die Behörde sieht das Problem bei den Antragsstellern.

Bremen braucht mehr Wohnraum. "Ein ausreichendes Wohnangebot ist das Ziel für die – aktuell oder künftig – hier lebende Bevölkerung", schreibt das Bauressort auf seiner Website. Doch Architektinnen und Architekten aus Bremen und dem Umland sehen dieses Ziel gefährdet. Der Grund ist ihrer Ansicht nach die schlechte Kooperation des Bauressorts – und das lange Warten auf Baugenehmigungen.

Einer der Kritiker ist der Architekt Norbert Behrens. "Das Hauptproblem in Bremen und in vielen anderen Städten ist, dass sich die Verwaltung vom tatsächlichen Geschehen am Bau komplett entfernt hat", sagt der Inhaber und Geschäftsführer der Planungsgemeinschaft Nord (PGN) mit Sitz in Rotenburg-Wümme.

Streit um Neubau auf Grundstück in Schwachhausen

Als Beispiel nennt er ein Grundstück in Schwachhausen an der Bismarckstraße, auf dem ein Aleco-Biomarkt steht, der mittlerweile geschlossen ist. Im August 2019 hatte Behrens einen ersten Entwurf bei der Stadt eingereicht. Geplant waren ein Abriss des Bio-Supermarkts sowie ein Neubau mit Wohnungen in den oberen Etagen.

Da es für das Grundstück keinen Bebauungsplan gibt und es sich um einen städtebaulich wichtigen Ort handle, habe sich das Gestaltungsgremium des Bauressorts eingeschaltet, erklärt Behrens. Das Gestaltungsgremium soll kurz gesagt die Baukultur und das Stadtbild wahren, es setzt sich unter anderem aus der Senatsbaudirektorin Iris Reuther, Vertretern von Behörden und auswärtigen Architekten zusammen.

Grundsätzlich finde Behrens es in Ordnung, dass das Gestaltungsgremium sich bei städtebaulich wichtigen Punkten einschaltet. Mit dem Wie habe er jedoch ein Problem: Bis zum 27. Januar 2020 habe es gedauert, bis er einen Termin bei dem Gremium bekam – knapp ein halbes Jahr später, nachdem er seinen Entwurf eingereicht hatte.

Bei der Gestaltung des Neubaus gingen die Vorstellungen des Gremiums und des Architekten auseinander, sagt Behrens. Die PGN wollte ein modernes Gebäude mit Flachdach an die Stelle setzen, dem Gestaltungsgremium war wichtig, dass der Neubau sich an die historische Fassade der umliegenden Häuser angleicht. Auch dafür hat Behrens grundsätzlich Verständnis, architektonische Argumente gebe es für beide Ansätze.

Was Behrens vor allem stört: Nachdem die PGN mehrfach den Entwurf an die Vorstellungen des Gestaltungremiums angepasst hatte, durfte er Mitte Dezember 2021 einen Bauantrag einreichen. Eine Genehmigung hat Behrens bis heute nicht, drei Jahre nachdem er den Entwurf eingereicht hatte. Die Kosten für das Projekt wurden laut Behrens am Anfang auf 6,3 Millionen Euro geschätzt – mittlerweile sind es 10 Millionen Euro, was auch mit dem langen Antragsverfahren zusammenhänge. Am Ende könnte der Bauherr das Projekt kippen, sagt Behrens – neue Wohnungen wird es an dieser Stelle dann nicht geben.

Viele Architekten wollen Kritik nicht öffentlich äußern

Der Fall an der Bismarckstraße sei nur ein Beispiel, sagt Behrens. Nachdem er öffentlich seine Kritik geäußert hatte, habe er viel Zuspruch von anderen Architekten bekommen, sagt er. Doch sich selbst öffentlich äußern wollte sich kaum einer – offenbar fürchten viele Architekten, vor der Baubehörde im schlechten Licht zu stehen.

Peter Sakuth gehört nicht dazu. Der ehemalige Innensenator (1988 bis 1991) ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der freien und privaten Wohnungsunternehmen (Arge), einem Zusammenschluss von zwölf Wohnungsunternehmen im Land Bremen. Schon im Jahr 2014 hat er im "Weser Kurier" kritisiert, dass das Bauressort "personell dramatisch unterbesetzt" und "einzelne Referate handlungsunfähig" seien.

Die Kritik Sakuths hat sich bis zum heutigen Tag kaum geändert. Er erklärt: "Über einen Bauantrag muss die Behörde innerhalb der Frist von drei Monaten entscheiden. Wenn etwas fehlt oder fehlerhaft ist, muss der Antrag überarbeitet werden – und die Frist beginnt von vorn." Sakuth zufolge würden Unterlagen oft erst kurz vor Fristablauf gesichtet. Es dürfe nicht sein, dass Bauanträge erstmals an Tag 85 angefasst werden und die Frist dann wieder von vorn beginnt, weil nur Kleinigkeiten fehlen.

Diese Kritik hatte Sakuth schon an die ehemaligen Bausenatoren Joachim Lohse und Reinhard Loske (beide Grüne) gerichtet, die Vorgänger von Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne). Er wünscht sich zum Beispiel, dass das Ressort bei gewöhnlichen Bauanträgen, wie etwa für Reihenhäuser, als Service eine zeitnahe Eingangskontrolle durchführt. Versprochen worden sei dies schon häufiger, passiert sei jedoch nichts. Dass die Regierung so ihr selbst gesetztes Wohnungsbauziel erreicht, bezweifelt er.

Auch das Bauressort leidet unter Fachkräftemangel

Zum Fall an der Bismarckstraße kann sich das Bauressort wegen noch ungeklärter Verfahren derzeit nicht äußern. Beim Thema Bearbeitungszeit von Baugenehmigungen teilt eine Sprecherin mit, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bauordnung die Antragsverfahren zügig abschließen möchten. Vielmehr seien die Verzögerungen auch für das Bauressort eine Belastung. Grund dafür seien Anträge, die unvollständig abgegeben würden. Architektenkammer und Bauressort böten seit Jahren Fortbildungen an. Dabei wird Architekten die formalen Anforderungen erläutert, damit das Antragsverfahren reibungslos funktioniert.

Zum Vorwurf der falschen Prioritätensetzung sagt das Bauressort, dass das Ressort in den vergangenen Jahren Erfolge aufweisen kann. So seien viele Bebauungspläne erarbeitet worden, die von der Bürgerschaft beschlossen wurden. Zudem würden auch viele Bauanträge zügig bearbeitet, was in der Öffentlichkeit jedoch weniger stark wahrgenommen werde.

Insgesamt seien die Anforderungen an Bauanträge jedoch gestiegen. Die Planung für viele Grundstücke sei in Bremen nicht einfach, weil Bremen schon dicht bebaut ist. Zudem müssten viele Interessen berücksichtigt werden, etwa der Naturschutz oder der Denkmalschutz.

Aber gibt es zu wenig Personal im Bauressort? Der Fachkräftemangel betreffe auch die Bauordnung, teilt eine Sprecherin dazu mit – das betreffe nicht nur Bremen. Die Digitalisierung könnte hierbei Abhilfe verschaffen: Die Stadt Bremen arbeitet seit Herbst 2021 am Projekt "Digitalisierung Baugenehmigungsverfahren". Im Januar 2023 sollen erste Verfahren digital beantragt werden können. Dadurch sollen Antragsteller etwa den Stand der Bearbeitung schneller in Erfahrung bringen und Unterlagen einfacher ergänzen können. Zudem soll das Antragsportal zumindest teilweise die formelle Vollständigkeit der Antragsunterlagen prüfen können.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. Dezember 2022, 19:30 Uhr