Politologe Klee rechnet mit Rot-Grün in Niedersachsen – und in Bremen

Der Politikwissenschaftler Andreas Klee im Interview bei buten un binnen.
Glaubt, dass es sowohl in Niedersachsen als auch in Bremen auf rot-grüne Bündnisse hinausläuft. Bild: Radio Bremen

Kommt es kommenden Mai in Bremen wie jetzt gerade in Niedersachsen? Der Bremer Politikwissenschaftler Andreas Klee sieht zumindest Parallelen – und wagt einen Ausblick.

Nur noch sieben Monate: Dann sind nach den Niedersachsen die Bremerinnen und Bremer aufgerufen, ihr Parlament neu zu wählen. Fragt sich: Welche Schlüsse lassen sich aus den Ergebnissen der Niedersachsen-Wahl für Bremen ziehen? Der Politikwissenschaftler Andreas Klee von der Uni Bremen sieht eine ähnliche Grundkonstellation vor der Bremischen Bürgerschaftswahl im kommenden Mai wie bei der gerade abgeschlossenen Niedersachsen-Wahl. Ein ähnlicher Ausgang sei gut möglich:

1 Rot-Grün in Bremen wie in Niedersachsen?

In Niedersachsen läuft es nach aktuellem Stand auf ein rot-grünes Bündnis hinaus, also auf eine Koalition von SPD und Grünen. Die Spitzen beider Parteien haben sich bereits deutlich dafür ausgesprochen. Die Mehrheit eines solchen Bündnissen wäre zudem komfortabel.

Dass es auch in Bremen zu einem rot-grünen Bündnis kommen wird, hält Andreas Klee "für eine wahrscheinliche Lösung". Er könne sich gut vorstellen, dass die Grünen in Bremen ähnlich abschneiden werden wie bei der vorigen Bürgerschaftswahl (17,4 Prozent der Stimmen, Anmerkung der Redaktion), vielleicht sogar ein bisschen stärker. Dass SPD und Grüne dann noch die Linke bräuchten, um das bestehende Dreierbündnis fortzusetzen, glaubt Klee nicht, zumal er davon ausgeht, dass auch die SPD gegenüber 2019 (24,9 Prozent der Stimmen) in Bremen deutlich zulegen wird.

2 Amtsinhaber-Bonus?

In Niedersachsen hat der SPD nach Einschätzung vieler Beobachter der "Amtsinhaberbonus" des Ministerpräsidenten Stephan Weil dabei geholfen, die Wahl zu gewinnen. Das Wort "Amtsinhaberbonus" beschreibt das immer wieder zu beobachtende Phänomen, dass viele Menschen in Krisenzeiten gern ihrer etablierten Führung vertrauen, statt diese austauschen zu wollen. Der Bremer Politikwissenschaftler Andreas Klee glaubt, dass es in Bremen ähnlich laufen wird – zugunsten Andreas Bovenschultes und seiner SPD. "Andreas Bovenschulte schafft es ganz gut, die Herzen der Bremer zu gewinnen. Er geht mit ähnlichen Voraussetzungen ins Rennen wie Herr Weil in Niedersachsen", stellt Klee fest.

Wie Bernd Althusmann in Niedersachsen, so sei Frank Imhoff in Bremen als Spitzenkandidat der CDU der klare Underdog. Zumal Imhoff für ein "Weiter so" in der CDU stehe, nicht aber für etwas Neues wie etwa vor vier Jahren der damalige CDU-Spitenkandidat Carsten Meyer-Heder. Klee glaubt daher nicht, dass es der CDU erneut glücken wird, stärkste Kraft in Bremen zu werden. Der Politikwissenschaftler rechnet statt dessen mit einem Wahlsieg Bovenschultes und der SPD – "wahrscheinlich mit einem deutlichen Vorsprung vor der CDU".

3 Schwere Zeiten für kleine Parteien?

In Niedersachsen sei es während des gesamten Wahlkampfes vor allem um zwei Fragen gegangen, sagt Andreas Klee: SPD oder CDU? Und: Rot-grünes Bündnis oder weiter große Koalition? Ein anderes Bündnis sei gar nicht denkbar gewesen. Darunter hätten die kleinen Parteien stark gelitten. Auch deshalb hätten sich wohl einige Wählerinnen und Wähler gesagt, dass die Stimme für Die Linke oder für die FDP eine "verschenkte" Stimme wäre – und lieber eine Partei mit Chancen auf eine Regierungsbeteiligung gewählt. "Das wird wahrscheinlich in Bremen auch so laufen", vermutet Klee. Auch im Land Bremen gebe es vor allem einen Kampf zwischen CDU und SPD sowie daneben eine starke grüne Stammwählerschaft. "Da wird die FDP und da werden die AfD und die Linken vermutlich unter die Räder kommen", so Klee.

Wobei der Politikwissenschaftler nicht glaubt, dass Die Linke in Bremen derartig schlecht abschneiden wird wie in Niedersachsen, wo sie deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert ist: "Wir haben eine ganz andere Tradition in unserer Wählerschaft. Danach werden linke Parteien viel eher favorisiert als in Niedersachsen, zumindest in der Stadt Bremen", so Klee.

Auch die FDP ist in Niedersachsen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und wird nicht im neuen Landtag vertreten sein. Klee ist überzeugt davon, dass Niedersachsens Liberale bei der Wahl stark unter dem Eindruck gelitten hat, den die Bundes-FDP bislang hinterlasse. "Selbst viele Wählerinnen und Wähler der FDP haben derzeit nicht das Gefühl, dass die FDP gute Ideen hat, wie man mit der Situation umgehen könne", sagt der Wissenschaftler und verweist dabei beispielhaft auf die Energiekrise. Klee glaubt, dass es auch bei der Bremischen Bürgerschaftswahl schwer werden könnte für die FDP. Zur Orientierung: 2019 erhielten die Liberalen in Bremen 5,9 Prozent der Stimmen.

4 Gewinnen auch in Bremen Rechtspopulisten dazu?

Die AfD habe ihren Erfolg in Niedersachsen (10,9 Prozent der Stimmen) vor allem Protest-Wählern zu verdanken, sagt Andreas Klee.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie empört viele Menschen eine Partei wählen, die offensichtlich überhaupt gar keine Idee hat, wie Krisen oder Herausforderungen zu bewältigen sind.

Politikwissenschaftler Andreas Klee

Dass die AfD aber auch bei der Bremischen Bürgerschaftswahl vergleichbar hohe Stimmanteile gewinnen kann wie in Niedersachsen, glaubt der Politikwissenschaftler nicht. Zwar dürften wegen ihrer Stimmanteile in Bremerhaven auch künftig immer wieder rechte Parteien in der Bremischen Bürgerschaft vertreten sein. Zweistellige Stimmanteile für die AfD im gesamten Bundesland Bremen aber hält Klee für nahezu undenkbar: "Dafür ist die linke Tradition in der Bremer Stadtgesellschaft zu stark verwurzelt", glaubt der Politologe.

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Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. Oktober, 19.30 Uhr