So meistern 2 alleinerziehende Frauen ihren Alltag

Die Kinder alleine großziehen und dazu noch arbeiten: Das erfordert viel Kraft und kann Existenzängste auslösen. Zwei Frauen aus Bremen und Delmenhorst erzählen.

Ihre Situation in vier Worten: "Es ist alles scheiße", sagt Tina. Tina ist 31 Jahre alt und wir haben ihren Namen für diesen Artikel geändert. Sie ist seit August alleinerziehend, hat einen zweijährigen Sohn und lebt in Delmenhorst.

"Meinen Arbeitsplatz im Einzelhandel habe ich leider verloren aufgrund der Betreuungszeiten der Kita. Die stimmten nicht überein mit den Arbeitszeiten. Ich konnte nicht mehr samstags arbeiten und auch nicht um sieben Uhr anfangen." Nun beginnt sie eine Umschulung und wird Kauffrau im Gesundheitswesen. Derzeit bekommt sie Unterstützung vom Job-Center, habe rund 250 Euro im Monat für sich und ihren Sohn zur Verfügung.

Ich frage mich wirklich, gerade in der heutigen Zeit, wo alles teurer wird, wie soll ich das von 250 Euro im Monat bewerkstelligen? Das geht mir die ganze Zeit durch den Kopf. Meist kann ich vor zwei Uhr nachts nicht einschlafen, weil es mich auffrisst.

Tina, alleinerziehende Mutter

Zum Vater ihres Sohnes hat sie zwar ein gutes Verhältnis, er zahlt Unterhalt und gibt auch mal was dazu, aber das Kind ist komplett bei ihr. Jeden Tag, rund um die Uhr. "Aus gewissen Gründen darf ich ihm das Kind nicht alleine überlassen, das ist so vorgegeben vom Jugendamt", sagt sie.

Urlaubstage reichen kaum für Kita-Schließzeiten

Das heißt für sie: Nie Zeit nur für sich. Kein Wochenende, an dem der Sohn beim Vater ist, keine Sommerferien, wo sich die Eltern aufteilen, um die Schließzeiten der Kita abzudecken. "Ich weiß gar nicht, wie ich das mit meinen Urlaubstagen im Jahr immer hinbekommen soll", sagt Tina.

Zeit für sich hat Tina nur abends, wenn der Kleine im Bett ist. "Aber dann muss ich Essen kochen für den nächsten Tag, putzen und lernen."

Es bleibt alles auf der Strecke. Mit Freunden kann ich mich ja treffen, aber es ist kein entspanntes Kaffeetrinken. Ich muss immer das Kind dabei und im Blick haben. Selbst meine Frisörin kommt zu mir nach Hause, weil ich keine Zeit habe, allein zu ihr zu gehen.

Tina, alleinerziehende Mutter

Einmal die Woche kommt ihre Mutter und hilft ihr. Dann versucht Tina Termine wie Arztbesuche zu organisieren. Ansonsten sind ihre Tage durchgetaktet. Sechs Uhr aufstehen, Kind fertig machen und zur Kita bringen, selbst zur Umschulung fahren. Danach hat sie dann nur 15 Minuten, um ihren Sohn wieder abzuholen. Deswegen braucht sie auch ein Auto, mit dem Rad würde sie es nicht schaffen. Noch ein Kostenpunkt.

Aus dem Haus des Vaters ist sie ausgezogen, lebt nun in einer Wohnung und musste Schulden machen für die Erstausstattung. "Aber wann kann ich die zurück zahlen?", fragt sie sich.

Ich liebe mein Kind über alles, aber so habe ich mir mein Leben wirklich nicht vorgestellt.

Tina, alleinerziehende Mutter

Nancy Osei Mensah findet ihr Leben mit drei kleinen Kindern – fünf, vier und zwei Jahre alt – auch anstrengend. Die Ghanaerin ist aber vor allem stolz, dass sie es geschafft hat trotz allem schnell Deutsch zu lernen und nun auch einen festen Job zu haben.

Ende 2016 ist die heute 32-Jährige aus Ghana nach Bremen gekommen. Sie hat eine gute Ausbildung, einen Bachelor aus Ghana im Büro-Management, in der Tasche – aber in Ghana keine Arbeit gefunden. In Bremen will Nancy Osei Mensah vor allem schnell Deutsch lernen und das zieht sie durch.

Sprache als Schlüssel in die Arbeitswelt

Eine junge Frau steht vor einem Eingang einer Kirche
Nancy Osei Mensah ist zielstrebig und ehrgeizig. Ihre drei kleinen Kinder hindern sie nicht, zu arbeiten. Bild: Nancy Osei Mensah

Obwohl sie 2017 das erste Mal schwanger wird. Nur ein Jahr später folgt der Tochter ihr erster Sohn, der heute vier Jahre alt ist. Später noch das dritte Kind. "Ich wollte immer drei Kinder haben", erzählt sie und lacht dabei. Mit dem Vater habe sie aber nie zusammen gewohnt.

Sie absolviert mehrere Deutschkurse, besucht Sprachcafés und hat Tandempartner. Zeitweise hat sie jeden Tag Termine zum Deutsch lernen, die Kinder sind dabei oder in der Kita. "Die Sprache ist einfach der Schlüssel", sagt sie. Deswegen hält sie durch, auch wenn sie erschöpft ist.

Ich schreibe jeden Abend eine To-Do-Liste und wenn ich etwas an einem Tag nicht schaffe, kommt es auf die Liste für den nächsten Tag.

Nancy Osei Mensah

Die junge Frau hat ihr Leben durchgeplant. Jeden Morgen steht sie um fünf Uhr auf, bereitet das Frühstück vor, macht die Kinder fertig. Sind die Kleinen in der Kita, geht sie zur Arbeit.

Seit Kurzem hat sie eine feste Anstellung im Mütterzentrum in Osterholz-Tenever im pädagogischen Bereich. 30 Stunden in der Woche arbeitet sie, die Nachmittage gehören den Kindern. Der Abend ist für sie. Dann kümmert sie sich um die Organisation des nächsten Tages, lernt, macht den Haushalt. "Deswegen gehen meine Kinder früh ins Bett. Um 19 Uhr habe ich Feierabend", sagt sie.

Zur Not springen Freunde ein

Nur wichtige Termine wahrnehmen, das sei oft schwierig, weil sie die Kinder immer dabei haben muss, wenn der Termin ungünstig liegt. Nancy Osei Mensah hat keine Familie in Bremen, die ihr die Kinder mal abnehmen. Wenn die Not ganz groß ist, springe mal eine Freundin ein.

Die schwierigsten Momente sind die, wenn man sehr sehr müde ist und sich dann die Kinder streiten. Dann ist man nur kaputt.

Nancy Osei Mensah

Dass sie alleinerziehend ist, findet sie dennoch nicht dramatisch. Was sie stört, sind eher die Blicke von anderen Leute, zum Beispiel, wenn sie mit den Kids mit Bus und Bahn unterwegs ist. "Ich glaube, viele Menschen denken, wir sind nur hier, um Kinder zu haben und wollen nicht arbeiten. Aber das stimmt nicht", sagte sie.

Das Ziel: Kinder und Job unter einen Hut bringen

Nancy Osei Mensah weiß, was sie will. Ihre Kinder und einen guten Job unter einen Hut bringen. Dass sie es schon bis hierhin geschafft hat, war ein hartes Stück Arbeit. "Du musst immer Gas geben", sagt sie. "Keine Pause machen. Es gab Tage, da war ich so müde und ich bin dann trotzdem zum Sprachkurs gegangen."

Auf ihrem Weg haben ihr verschiedene Institutionen in Bremen geholfen. Als Neuankömmling zuerst die Innere Mission, später bekam sie Hilfe in den Häusern der Familie und zuletzt von VIA – einem Projekt, dass Alleinerziehenden hilft, in Arbeit zu kommen.

Die zielstrebige Frau hat nie daran gezweifelt, dass sie es schaffen will in einem neuen Land Kinder und Beruf zu vereinbaren. Irgendwann möchte sie noch ein Masterstudium machen.

Wie eine Bremerin versucht, mit 2 Kindern durch die Krise zu kommen

Bild: Radio Bremen

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Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 28. September 2022, 8:20 Uhr