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Millionenschaden in Bremer Sozialzentrum nur die Spitze des Eisbergs?
Im Amt für Soziale Dienste sind seit Jahren Akten nicht vorschriftsmäßig geprüft und Gelder korrekt eingefordert und ausgezahlt worden. Das geht aus mehreren Berichten hervor.
Als im Frühjahr 2023 bekannt wurde, dass sich in leerstehenden Büros im Sozialzentrum 5 in der Vahr Aktenberge türmen, vermutete man einen Einzelfall. Jetzt zeigt sich jedoch: In den letzten Jahren hat der Bremer Rechnungshof immer wieder Mängel im Amt für Soziale Dienste festgestellt.
Bereits im Jahr 2020 wurde dem Amt attestiert, dass Fälle nicht korrekt bearbeitet worden seien. Immer wieder komme es zu Bearbeitungsrückständen und durch mangelndes Controlling habe weder das Sozialressort noch das Amt für Soziale Dienste einen Überblick über Zahl und Höhe offener Forderungen.
Finanzieller Schaden in Millionenhöhe
Auch in früheren Berichten des Rechnungshofes, die buten un binnen vorliegen, finden sich ähnliche Vorwürfe. 2012 und 2013 kritisierten die Kontrolleure, dass "erhebliche Mängel im Abrechnungs- und Zahlungsverkehr" im Amt für Soziale Dienste zu "unrechtmäßigen Ausgaben" geführt haben. Nach Schätzungen von Sozialressort und Amt für Soziale Dienste aus dem Jahr 2013 beläuft sich der finanzielle Schaden für die Stadt Bremen auf 2,6 Millionen Euro pro Jahr.
Damals räumte laut Rechnungshofbericht die Sozialbehörde die Mängel im Wesentlichen ein und sagte Maßnahmen zu, um sie abzustellen. Doch auch eine Nachschau im Jahr 2016 ergab: Der Rechnungshof muss "erneut Mängel feststellen, die er bereits bei den vorangegangenen Prüfungen aufgezeigt hatte".
Darüber hinaus zeigt ein Innenrevisionsbericht aus dem Jahr 2021, der buten un binnen vorliegt, dass im Amt für Soziale Dienste Akten nicht wie vorgeschrieben durch Vorgesetzte geprüft worden sind. Eigentlich müssten laut Verwaltungsvorschrift alle Neufälle, alle beendeten Fälle sowie zehn Prozent der laufenden Fälle von Vorgesetzten geprüft werden. Diese Prüfung hat aber laut des Berichts in mehreren Sozialzentren in den Jahren 2018 und 2019 gar nicht stattgefunden. Auch damals hatte das Amt für Soziale Dienste zugesagt, Maßnahmen einzuleiten, um die Situation zu verbessern.
Kritik der Opposition: Nur Spitze des Eisbergs
Ole Humpich, sozialpolitischer Sprecher der Bremer FDP-Fraktion vermutet nun, dass der Aktenfund im Sozialzentrum 5 nur die Spitze des Eisbergs ist. Aus seiner Sicht muss im gesamten Amt für Soziale Dienste umfangreich und gründlich aufgeklärt werden. Seine Fraktion fordert deshalb die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Dafür müsste ein Viertel aller Abgeordneten in der Bremischen Bürgerschaft zustimmen, das wären 22 Stimmen. Unterstützung erhält die FDP dabei von Sandra Ahrens von der CDU: "Für einen Untersuchungsausschuss würde sprechen, dass man unabhängig das Ganze aufarbeiten kann."
Es kann nicht sein, dass wir auf Pump Geld suchen müssen für die Stahlwerke, dass wir im Moment flächendeckend in Bremen die Freizis in den Angeboten massiv einschränken und gleichzeitig hier Millionen liegen lassen.
Sandra Ahrens, familienpolitsche Sprecherin der CDU-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft
Die Einschätzung, dass auch in anderen Abteilungen des Amtes für Soziale Dienste ähnliche Zustände herrschen, teilt der Bremer Senat nicht. Er teilte diese Woche auf eine Anfrage der CDU mit, dass im März 2023 eine Abfrage bei allen Sozialzentrums- und Fachdienstleitungen gestartet wurde. Das Ergebnis: "Rückstände bei der Postbearbeitung traten auf, waren aber in Art und Umfang bekannt und so strukturiert, dass eine adäquate Bearbeitung gewährleistet ist." Seither ist keine erneute Abfrage erfolgt. Eine komplette Überprüfung des gesamten Aktenbestandes sei nicht leistbar.
Bremer Sozialbehörde weist die Vorwürfe zurück
Auch die Bremer Sozialbehörde weist die Vorwürfe zurück, nach denen es deutlich mehr Fälle von nicht bearbeiteten Akten im Amt für Soziale Dienste geben soll. Ein Sprecher sagte zu buten un binnen, dass es einen solchen Fall wie den Fund zwischenzeitlich verschwundener Akten im Sozialzentrum 5 vor einem Jahr nicht noch einmal gebe.
Im Sozialzentrum 5 hätten "besondere Umstände" dazu geführt, dass der finanzielle Schaden in Höhe von rund zwei Millionen Euro entstanden ist, so ein Sprecher der Sozialbehörde. Die anderen Abteilungen im Amt für Soziale Dienste hätten andere Prüfsysteme, die solche Probleme verhinderten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 9. Februar 2024, 14 Uhr