Infografik

Affenversuche: Bahnt sich eine Schlappe für das Gesundheitsressort an?

Makaken in ihrem Gehege am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen.

Affenversuche an Uni Bremen laufen vorerst weiter

Bild: Universität Bremen

Das Gesundheitsressort möchte Affenversuche an der Uni Bremen nicht mehr genehmigen – wird es aber müssen. Das zumindest sagen Wissenschaftler. Sie stützen sich aufs Gesetz.

Die Tierversuche des Hirnforschers Andreas Kreiter von der Uni Bremen erregen die Gemüter in Bremen seit 1997. Sind die Experimente, für die Affen fixiert und am Kopf operiert werden, wirklich unverzichtbar? Ja, sagen die Einen: Es geht um Grundlagenforschung zum Verständnis des Gehirns. Nein, sagt nicht zuletzt Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). Ihrem Ressort sind Kreiters Tierversuche schon lange ein Dorn im Auge. Es hat den Antrag des Forschers auf eine Fortsetzung der Primatenversuche abgelehnt.

Dennoch darf Kreiter zunächst weitermachen – zumindest so lange, bis das Verwaltungsgericht über einen Eilantrag entschieden hat, in dem sich die Uni Bremen gegen das Versuchsverbot wehrt. Wann das Verwaltungsgericht über den Eilantrag entscheiden wird, steht nach Angaben der Gerichtssprecherin noch nicht fest. Auch ist nicht gesagt, dass das Gericht noch im laufenden Jahr einen Beschluss verkünden wird.

Anteil der Tiergruppen an Tierversuchen in Deutschland

Welchen Anteil haben die verschiednen Tiergruppen an den Versuchen 75% Mäuse 7,7% Ratten 10,3% Fische 2,5% Kaninchen 1,4% V ögel 1,9% ande r e 0,9% Nutztie r e 0,08% Primaten 0,11% Hunde Quelle: ww w .tie r v ersuche- v erstehen.de

Davon unberührt spricht laut der Initiative "Tierversuche verstehen" viel dafür, dass Kreiter seine Versuche mit Makaken an der Uni Bremen langfristig wird fortsetzen dürfen. Die von einer Reihe großer Forschungseinrichtungen und dem Wissenschaftsrat getragene Initiative sieht in der Ablehnung der Experimente durch das Gesundheitsressort eine juristisch fragwürdige Entscheidung, die vor allem politischer Natur sei.

Mehr noch: Es handelt sich bei Bernhards Vorstoß der Initiative zufolge um einen Vorgang, der nur in Bremen oder in einem anderen Stadtstaat vorstellbar sei. Nur hier könne die Politik derartig unmittelbar in behördliche Entscheidungsprozesse eingreifen. In großen Flächenländern seien die Genehmigungsbehörden unabhängiger. Die Initiative glaubt, dass das Bremer Gesundheitsressort, wie schon vor zwei Jahren, eine Schlappe vor Gericht erleiden wird.

Auch damals hatte das Ressort Kreiter zunächst die Genehmigung seiner Affenversuche untersagt und musste sich in der Folge vor Gericht geschlagen geben. Dass es dieses Mal ähnlich laufen wird – dafür sprechen laut "Tierversuche verstehen" insbesondere diese beiden Gründe:

1 Tierschutzgesetz sichert Grundlagenforschung ab

Neurowissenschaftler Andreas Kreiter im Studio von buten un binnen.
Betreibt Grundlagenforschung: der Neurowissenschaftler Andreas Kreiter von der Uni Bremen, hier bei einem Besuch im buten-un-binnen-Studio in 2021. Bild: Radio Bremen

Das Gesundheitsressort hat Kreiters Antrag auf Fortsetzung der Makaken-Versuche unter anderem abgelehnt, weil "die klinische Verwendbarkeit des angestrebten Erkenntnisgewinns ungewiss" sei. Diese Begründung hält der Neurobiologe Roman Stilling von der Initiative "Tierversuche verstehen" für kaum haltbar: "Hier wird Grundlagenforschung mit der Forderung nach klinischer Anwendung verbunden. Das ist ein absolutes Novum." 

Grundlagenforschung, wie jene Kreiters zur Funktionsweise des Gehirns, diene dem Gewinn elementarer Erkenntnisse, wie man sie benötigt, bevor man überhaupt über klinische Anwendungsgebiete nachdenken könne, argumentiert Stilling. Nicht umsonst genieße Grundlagenforschung vor dem Gesetz einen besonders starken Schutz. Tatsächlich heißt es auch in Paragraph 7a des Tierschutzgesetzes, dass Grundlagenforschung Tierversuche rechtfertige, wenn es dazu keine Alternative gebe.

Bei der Forschung des Bremer Neurowissenschaftlers geht es Stilling zufolge etwa um die Frage, wie aus Sinnesreizen das wird, was wir als Empfindungen bezeichnen. Um hierüber Erkenntnisse zu gewinnen, seien Tierversuche unverzichtbar, so Stilling. Auch ließen sich die Makaken für dieses Forschungsziel nicht durch andere Tiere wie Ratten oder Mäuse ersetzen: "Es geht um höhere kognitive Fähigkeiten, die untersucht werden müssen. Dazu muss man sich Primaten anschauen", sagt Stilling.

Wofür Versuchstiere in Deutschland eingesetzt werden

Wofür und wie häufig werden Versuchstiere eingesetzt? 1% Erhaltung der A r t und Umweltschutz T r anslationale und angewandte F orschung 11% Qualitätskont r olle, T o xikologie und ande r e Unbedenklich k eitsprüfungen 13% Tie r e, die für wissenschaftliche Z wec k e ge t ötet wu r den ( k ein Tie r v ersuch) 26% A us-, F o r t- und W eiterbildung 2% Erhaltungszucht v on genetisch v e r ände r ten, belasteten Tierkolonien 6% Grundlagenforschung 41% Quelle: ww w .tie r v ersuche- v erstehen.de

2 Mittleres oder schweres Leid für die Affen?

Das Gesundheitsressort begründet seine Ablehnung der Makaken-Versuche Kreiters auch mit dem Argument, dass den Affen hierbei "schwere Leiden" zugefügt würden. Dazu muss man wissen: Bei dieser Einstufung handelt es sich um eine juristische Einordnung. Das Tierschutzrecht unterscheidet zwischen drei Leidens-Kategorien für Tiere, mit denen zu wissenschaftlichen Zwecken Versuche gemacht werden: zwischen geringem, mittlerem und schwerem Leid. Diese Kategorien spielen für die Genehmigung beziehungsweise für die Ablehnung von Tierversuchen eine wichtige Rolle. 

Das Gesundheitsressort erklärt seine Einstufung der Versuche in die höchste Leidenskategorie damit, dass zu den Versuchen "neben dem regelmäßigen Wasserentzug und der Fixierung im sogenannten Primatenstuhl auch umfangreiche Kopfoperationen" gehören. Auch beruft sich das Ressort auf zwei Gutachten, die es zur Belastung der Tiere in Auftrag gegeben habe. Öffentlich seien diese Gutachten aber nicht, so eine Sprecherin des Ressorts gegenüber buten un binnen.

Dabei interessiert sich nicht zuletzt auch die Initiative "Tierversuche verstehen" für den Inhalt der Gutachten. Umso mehr, als dass die Versuche Kreiters bislang stets in die mittlere Leidens-Kategorie eingeordnet worden sind. Genau dort sieht Stilling die Makaken-Experimente Kreiters auch weiterhin.

So stuft das Tierschutzgesetz Tierversuche ein

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Stilling stützt sich dabei auf die maßgebliche europäische Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere. Dort stehen auf den letzten Seiten des Anhangs ein paar Beispiele zum Verständnis der Kategorien. Schweres Leid entsteht den Versuchstieren danach beispielsweise durch experimentelle Organtransplantationen, bei denen zu erwarten ist, "dass die Abstoßung voraussichtlich zu schweren Ängsten oder Beeinträchtigung des Allgemeinzustands der Tiere führt". Ebenfalls schweres Leid wird den Tieren danach durch Tests zugefügt, bei denen sie so stark vergiftet oder bestrahlt werden, dass sie aller Voraussicht nach daran sterben werden.

Als "mittel" gelten der EU dagegen etwa Tierversuche, bei denen den Tieren über einen längeren Zeitraum Stress zugefügt wird. Oder "die mit postoperativen Schmerzen, Leiden oder Beeinträchtigung des Allgemeinzustands einhergehen", wie es in der Richtlinie heißt. "Das trifft meines Erachtens nach einhelliger Einschätzung internationaler Experten eher auf die Bremer Versuche mit Affen zu", sagt Stilling dazu.

Kreiter und Gesundheitsressort schweigen

Andreas Kreiter von der Uni Bremen möchte sich derzeit nicht gegenüber buten un binnen zu dem laufenden Verfahren um seine Versuche mit Makaken an der Uni Bremen äußern. Auch das Gesundheitsressort will das Verfahren derzeit nicht weiter kommentieren.

Schluss mit Affenversuchen an der Bremer Uni? Behörde erteilt Absage

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 30. November 2023, 16.45 Uhr