Hooligans und rechte Codes: Hat Atlas Delmenhorst ein "Nazi-Problem"?

Fanszene: Hat Atlas Delmenhorst ein "Nazi-Problem"?

Bild: Imago | Stefan Großmann

Seit dem Pokalspiel gegen St. Pauli hält sich der Vorwurf, einige Atlas-Fans hätten Nähe zur rechten Szene. Eine besondere Rolle spielt dabei vor allem der Fanclub "Block H".

Beim SV Atlas Delmenhorst ist was los: 450 Zuschauer sind an diesem Sonntag in das alte Stadion Düsternort gekommen – viele mit blau-gelben Fahnen und in blau-gelben Trikots. In der Oberliga Niedersachsen ist der VfL Oldenburg zum Nachbarschaftsduell zu Gast. Abseits des großen Bundesliga-Geschäfts finden Fans des Amateur-Fußballs bei Bier und Bratwurst eine Heimat.

Die Begeisterung um Atlas hält schon seit Jahren an in Delmenhorst, doch etwas ist neu an diesem Sonntag. Erstmals verliest der Stadionsprecher am Spieltag öffentlich das Leitbild. "Der SV Atlas steht für Fairness, Toleranz und gegenseitigen Respekt", heißt es da. Und: "Der SV Atlas ist bunt – und für jeden offen."

FC St. Pauli-Fans erheben Rechtsextremismus-Vorwürfe

Auf einem Banner der St. Pauli-Fans steht: "Euer einziger
Dieses Banner zeigten Fans des FC St. Pauli beim Spiel gegen Atlas Delmenhorst. Darauf ist zu lesen: "Euer einziger 'Kult' sind eure Nazis — Atlas abschaffen!" Bild: Imago

Zuletzt gab es immer wieder Misstöne aus Delmenhorst. "Neonazis sorgen bei Atlas Delmenhorst für Aufsehen", schrieb etwa die "Nordwest-Zeitung". "Ist der SV Atlas bunt oder braun?", fragte der "Delme-Report".

Der Auslöser für diese Schlagzeilen war das Spiel gegen den FC St. Pauli vor zwei Monaten in der 1. Runde des DFB-Pokals. Die Fans des linken Kiezklubs hatten eine Botschaft mitgebracht. "Euer einziger 'Kult' sind eure Nazis", hieß es auf einem Transparent. Und: "Atlas abschaffen!" Der Vorwurf: Ein Teil der Atlas-Fans habe eine große Nähe zur rechten Szene.

Vorwürfe betreffen den Fanclub "Block H"

"Atlas Delmenhorst hat definitiv ein Nazi-Problem oder ein Problem mit der extremen Rechten", sagt auch André Aden von der mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Bremen. Er beobachtet die Szene seit mehreren Jahren. "Wir können eine gezielte Bewegung feststellen, dass extrem rechte Hooligans und Personen, die wir aus der Neonazi-Szene kennen, bei Atlas Delmenhorst in die Fanszene gehen."

Dabei geht es vor allem um einen Fanclub: den "Block H". 50 bis 70 Personen werden dieser Gruppe zugerechnet. Im Stadion präsentieren sie sich als schwarz gekleideter Block, im Netz als unpolitische Gruppierung, dem Alkohol und Geschmacklosigkeiten gegenüber offen, aber alles in allem harmlos: "Bei uns steht der Fußball, die Leidenschaft und das Miteinander im Vordergrund", heißt es auf der Facebook-Seite der Gruppe.

Wir fahren zum Fußball, um dort eine Gemeinschaft zu haben, um Bier zu trinken und zu pöbeln! Eben richtige Fußballasis!

Fanclub "Block H" auf seiner Facebook-Seite

Worauf weist der Buchstabe "H" im Namen hin?

Auch André Aden sagt, dass nicht alle dieser Fans aus der extrem rechten Szene kommen. "Das sind nicht alles Neonazis, auf gar keinen Fall", so Aden. "Aber wir finden dort Personen, die vorher bei extremen Rechten aktiv waren." Auch der Name deute darauf hin, dass hier bewusst mit rechten Codes gespielt werde. Der Buchstabe H wird in der rechten Szene oft als Chiffre für Hitler eingesetzt, die Buchstaben B und H als Abkürzung für die verbotene Neonazi-Organisation "Blood and Honour".

Vertreter des "Block H" weisen das zurück. Man habe sich nach dem Tribünenabschnitt benannt, in dem die Fans stehen, sagte ein Vertreter 2021 im "Weser-Kurier". Auch buten un binnen hat den "Block H" unter anderem nach seiner Nähe zur rechten Szene und der Herkunft des Namens gefragt. Die Anfrage blieb unbeantwortet.

Auch zu Fotos, die während des Pokalspiels gegen St. Pauli entstanden sind, äußert sich der "Block H" uns gegenüber nicht. Ein Foto zeigt einen Fan, der ein Tattoo mit der Lebensrune trägt. Das Symbol war im Nationalsozialismus Zeichen des Vereins Lebensborn, einem Verein zur "Zucht der arischen Elite".

Ein weiteres Foto von diesem Spiel zeigt Hannes Ostendorf auf der Tribüne in Delmenhorst. Ostendorf ist seit vielen Jahren eine feste Größe der rechten Szene in Bremen und darüber hinaus. Er ist Leadsänger der im Bremer Verfassungsschutzbericht erwähnten Band "Kategorie C". Sie gilt seit vielen Jahren "als Bindeglied zwischen der Hooligan- und der rechtsextremistischen Szene".

Fußball als Einfallstor für Ideologien?

Thorge Koehler sitzt in Anzug an einem Tisch und spricht in einen butenunbinnen-Mikrofon
Verfassungsschützer Thorge Koehler sieht gerade den Fußball als Einfallstor für die Verbreitung von Ideologien. Bild: dpa | Sina Schuldt

Sowohl die Musik als auch der Fußball seien Bereiche, in die diese sogenannte "Mischszene" bewusst vorstoße, um junge Menschen für sich zu gewinnen, sagt Thorge Koehler, Leiter des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz: In der Musik oder beim Fußball stehe Politik vermeintlich nicht im Vordergrund, so Koehler. "Und das führt eben dazu, dass auch Leute mit den jeweiligen Gruppierungen in Kontakt kommen, die das bei einer offensichtlichen ideologischen Ausrichtung vielleicht nicht unbedingt getan hätten."

Dass es in der Vergangenheit Überschneidungen zwischen der Hooligan-Szene und dem "Block H" gegeben hat, darauf deutet auch ein Youtube-Video hin, das augenscheinlich von Mitgliedern des "Block H" erstellt wurde. Es zeigt Anhänger des Fanclubs bei Auswärtsfahrten und bei Feiern, am Ende steht ein Gruß: "Farge und der SVA – vereint auf der Tribüne".

Es liegt nahe, dass damit die "Farge Ultras" gemeint sind, eine ehemalige Hooligan-Gruppierung, die der Verfassungsschutz der rechtsextremistisch beeinflussten Szene zurechnet. Auch auf unsere Anfrage dazu reagiert der "Block H" nicht.

Verein kündigt Gespräch mit "Bündnis gegen Rechts" an

In den wenigen veröffentlichten Interviews sagt der "Block H" gerne von sich, man sei "unpolitisch" – aus Sicht der Verfassungsschützer eine problematische Haltung. Denn so schaffe man einen Freiraum für extremistische Gruppen. "Es geht den entsprechenden Gruppierungen gerade darum, in diese Räume vorzudringen und diese Räume zu nutzen", sagt Verfassungsschützer Koehler.

Dass es beim SV Atlas ein Problem mit der rechten Szene gibt, das ist nach langem Zögern nun auch beim Verein angekommen. Öffentlich will sich aus der Vereinsführung niemand äußern, sondern verweist auf eine Pressemitteilung. Darin heißt es, man sei derzeit in Gesprächen mit dem "breiten Bündnis gegen Rechts" in Delmenhorst, wolle künftig mit einem Extremismusexperten zusammenarbeiten. Außerdem habe der Verein Hausverbote gegen einige, aus Datenschutzgründen nicht näher benannte Personen ausgesprochen.

Das Leitbild des Vereins soll nun bei jedem Spiel laut verlesen werden. "Der SV Atlas ist bunt", so das Versprechen. Jetzt muss der Verein es nur noch schaffen, dass das auch überall auf den Tribünen so gesehen wird.

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Autor

  • Steffen Hudemann
    Steffen Hudemann Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 24. Oktober 2023, 19:30 Uhr