Weniger Zucker: Bremerhavener Forscherinnen erfinden gesünderes Müsli

Zu viel Zucker ist schädlich und soll in Lebensmitteln reduziert werden. Einem Team der Hochschule Bremerhaven ist dabei ein Forschungserfolg geglückt. Ein Besuch in der Laborküche.

Zum Frühstück Müsli und Saft, mittags Salat mit ordentlich Dressing, abends Brot und ein Fruchtjoghurt: Die meisten verarbeiteten Lebensmittel enthalten mehr Zucker als gedacht, auch Bio-Produkte und vermeintlich gesunde Speisen. Weil zu viel Süßes übergewichtig und krankmacht, hat die Bundesregierung eine Zucker-Reduktionsstrategie gestartet. Beteiligt ist auch die Forschung, darunter die Hochschule Bremerhaven. Dort hat ein Team des Projekts "ReformBIO" ein zuckerreduziertes Knuspermüsli entwickelt.

Eine Frau im weißen Kittel steht an einer Waage.
Lebensmitteltechnologin Lisa Nitze bei der Zubereitung des zuckerreduzierten Knuspermüslis. Bild: Radio Bremen | Carolin Henkenberens

Lisa Nitze steht im weißen Kittel in einer Laborküche der Hochschule. Die sieht erstmal wie eine normale Großküche aus. Doch schon bei der ersten Aufgabe – dem Abwiegen der Zutaten – macht die Lebensmitteltechnologin deutlich: Hier ist allerhöchste Präzision gefragt.

Es geht darum, dass wir die Haferflocken genau einwiegen, damit unsere Nährwerte auch eingehalten werden. Die haben wir genau ausgerechnet, da wäre es schön, wenn es nachher auch stimmt.

Lisa Nitze, Lebensmitteltechnologin

Auf die präzise Rezeptur kommt's an

Eine Frau im weißen Kittel hält einen Löffel in der Hand.
Das Bremerhavener Müsli enthält 30 Prozent weniger Zucker als vergleichbare Produkte. Bild: Radio Bremen | Carolin Henkenberens

Genau 330,3 Gramm müssen es sein. Es kommt quasi auf jede einzelne Haferflocke an. Nitze hat zusammen mit Projektleiterin Kirsten Buchecker monatelang in der Laborküche getüftelt. Das Ziel: Rezepte für ein Knuspermüsli, das 30 Prozent weniger Zucker enthält als vergleichbare Produkte. Anspruchsvoll – denn weniger Zucker wirkt sich nicht nur auf den Geschmack aus, sondern auch auf die knusprige Konsistenz.

Man braucht eine bestimmte Zuckermenge und -art, um die Textur zu beeinflussen. Wenn man Knuspermüsli isst, möchte man ja nicht einzelne Haferflocken haben, sondern Klumpen – wir nennen das Clusterbildung.

Kirsten Buchecker, Projektleiterin

Eine weitere Schwierigkeit: Das Müsli sollte den Bio-Standard erfüllen. Das heißt, künstliche Aromen sind verboten. Und gerade mit Aromen würde fehlender Zucker oft überdeckt. Letztlich hat das Team mehr als 100 Rezepte erprobt, sagt Nitze.

Apfelsüße haben wir ausprobiert, Dattelsirup, auch einen Kokosblütensirup – all diese Zucker haben immer andere geschmacksgebende Stoffe. Zum Beispiel der Dattelsirup und die Apfelsüße bringen eine fruchtige Komponente ins Müsli.

Lisa Nitze, Lebensmitteltechnologin

Experiment geglückt

Am Ende waren die Experimente erfolgreich: Das Team fand eine Zutat, die den reduzierten Zuckergehalt chemisch perfekt ausgleicht. Die Forscherinnen stellten fest, dass sie mit einer Geheimzutat eine entsprechende Clusterung erzeugen können. "Wir konnten ein Müsli entwickeln, das genauso knusprig wie die zuckerhaltigen Sorten ist, aber 30 Prozent weniger Zucker enthält", so Buchecker. "Dadurch hat sich auch der Nutriscore von C auf A verbessert."

Eine Frau im weißen Kittel steht an einem Ofen.
Projektleiterin Kirsten Buchecker in der Laborküche. Bild: Radio Bremen | Carolin Henkenberens

Doch dazu muss das Rezept genau eingehalten werden. Mit einer Pipette tröpfelt Nitze ganz konzentriert Tropfen für Tropfen Wasser in die Schüssel. Neben der Geheimzutat kommen auch Dattelsirup und etwas Honig ins Müsli. Alles wird schließlich mit Öl vermischt und dann für 20 Minuten im Ofen gebacken.

Die Geheimzutat darf bisher nicht genannt werden, weil die Forschungsergebnisse noch nicht publiziert sind. Aufgrund des Bio-Müslis handelt es sich jedenfalls um keine künstliche Zutat. Man könne aber so viel sagen: Es sei nichts, was man nicht kenne, so Kerstin Buchecker.

Bundespolitik fördert Bremerhavener Forschungsprojekt

Das Bundeslandwirtschaftsministerium fördert die Forschung an der Hochschule Bremerhaven. Das Ministerium will, dass Hersteller bis 2025 Zucker reduzieren – 20 Prozent bei Müsli und 15 Prozent bei Joghurt oder Limo. Und zwar freiwillig. Buchecker geht das allerdings nicht weit genug.

Von der Politik würde ich mir wünschen, dass diese Reduktion verbindlich wird. Ansonsten haben wir immer voll süße neben weniger süßen Produkten stehen. Man muss sich tatsächlich dran gewöhnen. Das ist ein Prozess.

Kirsten Buchecker, Projektleiterin

Dann ist das zuckerreduzierte Knusper-Müsli mit Geheimzutat fertig – und kann beim Probieren geschmacklich mit herkömmlich zuckrigen Varianten problemlos mithalten. Die Zukunft des Knusper-Müslis, sie könnte also tatsächlich aus Bremerhaven kommen.

Autorinnen und Autoren

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 21. Juli 2022, 8:10 Uhr