"Nichts dabei, um mich zu verteidigen": So arbeitet ein Wolfsberater

Ein Mann in Tarnkleidung arbeitet an einem Baum.
Bild: Radio Bremen | Dirk Bliedtner

Meldungen zu Wölfen häufen sich auch in der Region. Wolfsberater helfen dabei, die Situation im Blick zu behalten. Auf Spurensuche mit einem Fachmann im Landkreis Cuxhaven.

In Norddeutschland fühlt sich der Wolf offenbar sehr wohl: In Niedersachsen gibt es besonders viele Gebiete, in denen er nachgewiesen ist. Auch in anderen nördlichen Bundesländern leben immer mehr Wölfe. Erfasst werden ihre Wanderrouten durch sogenanntes Wolfsmonitoring, basierend auf Sichtungen und Bildnachweisen. Olaf Kuball ist ehrenamtlicher Wolfsberater. Bei Exkursionen stellt er Speicherkarten aus Wildkameras sicher.

Ein Mann in Tarnkleidung arbeitet an einem Baum.
Olaf Kuball in seinem Element. Bild: Radio Bremen | Dirk Bliedtner

Kuball pirscht in Tarnkleidung durchs Unterholz – auf dem Weg zu seinen Wildkameras taucht er immer tiefer in die Szenerie ein. Draußen im Moor geht es auf schmalen Pfaden durchs Dickicht. Im Sommer seien die Farnfelder über Kopf hoch wie ein Bambusdschungel. "Dabei habe ich auch schon Wölfe gesehen", sagt er. "Die sind rausgesprungen, standen auf der Wiese und dachten, wer bricht denn da durchs Unterholz." Angst hat er keine. Eine Waffe? Hat er nicht dabei – auch wenn er Jäger ist. Nun aber ist er in anderer Mission unterwegs.

Ich habe nichts dabei, um mich zu verteidigen. Ich habe schon öfter einen Wolf gesehen. Aber es ist unwahrscheinlich – das ist schon so ein Sechser im Lotto in Anführungsstrichen.

Olaf Kuball, Wolfsberater

Kameras liefern Fotos und Videos von Wölfen

Über kleine Bachläufe führt eine improvisierte Brücke. Dann eröffnet sich dem Wolfsberater die freie, weite Moorlandschaft. Hat was von Schweden, findet Kuball und genießt den Moment. Kurz darauf hat der pensionierte Polizeibeamte die erste Kamera am Stamm einer Birke erreicht.

Die Kamera macht erst fünf Bilder, danach eine Videosequenz. Das hat uns schon sehr oft weitergeholfen. Zum Beispiel hatte ich nur ein Tier auf den Fotos. In dem Video konnte man versetzt sehen, dass da noch ein zweiter war, und sagen: Ah, guck mal, da ist ein Paar.

Olaf Kuball, Wolfsberater

Den Job des ehrenamtlichen Wolfsberaters macht Kuball mit Leidenschaft. Er wertet Kameras aus, um die Bilder später der Jägerschaft und dem Land Niedersachsen zu übermitteln. Ziel ist, per Wolfsmonitoring Routen und Anzahl der Wölfe in der Region festzustellen. Welche Rückschlüsse aus dem Material gezogen werden, und was das für eine mögliche Jagd auf das geschützte Tier bedeuten könnte, liegt bei den zuständigen Behörden.

Wölfe nehmen gerne den einfachen Weg

Ein Wolf steht auf einem Weg im Garten.
Eine Wolfsichtung im Bremer Wohngebiet. Bild: Radio Bremen

Kuball ist schon mehr als zehn Jahre im Einsatz und weiß, wo die Tiere unterwegs sind. Dort hängt er die Kameras auf. "Ich richte mich danach, wo stark belaufene Wildwechsel sind. Stellen, die für den Wolf gut zu belaufen sind", erklärt der Jäger. Sollte er dort länger keine Ergebnisse mehr bekommen, wechselt er den Ort. Kuball weiß: Wölfe nehmen gerne den einfachen Weg.

Sie rennen nicht überall durch, wo Hindernisse sind. Auf Truppenübungsplätzen laufen sie auf Panzertrassen, um möglichst sparsam unterwegs zu sein. Ein Hund, der jederzeit Nahrung hat, macht das nicht. Der springt durch die Gegend und tobt, muss das nicht einteilen und läuft nicht Gefahr, irgendwann empty zu sein.

Olaf Kuball, Wolfsberater

Auch bei der Nahrungssuche schätzt der Wolf ein, wie aufwendig die Jagd für ihn ist. Wolfszäune können ihn deshalb zumindest etwas abhalten. Normalerweise kämen die Tiere immer wieder dorthin zurück, wo sie ihre Beute erlegt haben. Ein Grund, warum Kadaver nicht liegen gelassen werden. Wölfe würden sonst daraus lernen.

Ein Großtier kann da lange dran fressen. Ein bisschen bewundere ich seine Stärke. Wenn man sieht, wozu die in der Lage sind, dass die ein gerissenes Schaf durch einen Teich ziehen und auf der anderen Seite noch 500 Meter durch die Wiese. In diesem Wildtier ist enorme Kraft.

Olaf Kuball, Wolfsberater

Der Wolf – eine Gefahr für den Menschen?

Gerade vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Wolf für den Menschen gefährlich ist. Darauf hat Kuball eine einfache Antwort: "Nö, ist er nicht." Und das kann der Jäger begründen.

Es hat in Deutschland keinen Fall gegeben, wo ein Mensch von einem frei lebenden Wolf zu Schaden gekommen ist. Tollwut kann ein Grund sein, wo er sich abnormal verhält, aber die gilt in Deutschland als ausgestorben. Wenn man ihn nicht anfüttert, hat er auch keine Prägung zum Menschen. Das sollte man tunlichst unterlassen. So sehe ich keine Gefahr. Hat man einen Hund dabei, ist der Reiz für den Wolf manchmal höher. Dann geht es aber nicht an den Menschen.

Olaf Kuball, Wolfsberater

An einer weiteren Kamera, die Kuball checkt, finden sich Spuren. "Das ist eine, die sie mal zerbissen haben", berichtet der Wolfsberater. "Die hat überall Spuren, das Kabel haben sie lang gezogen und richtig damit gespielt."

Wolfsichtungen durch verändertes Freizeitverhalten?

Die Tiere, vor allem die ganz jungen Tiere, sind neugierig, betont er. Und wie erklärt sich Kuball den Fall in Elsfleth, bei dem ein Wolf kürzlich sogar ins Terrassenfenster geschaut hat oder in Wohngebieten in Bremen?

Der natürliche Lebensraum des Wolfs ist natürlich draußen in der freien Natur. Ich weiß nicht, wieso der da plötzlich in Wohngebieten auftaucht. Vielleicht, weil sie in Randgebieten gelegen haben. Mittlerweile ist der Freizeitdruck so hoch, dass man eigentlich überall Spaziergänger, Radfahrer, Mountainbiker, Reiter und sowas antrifft. Wenn ein Tier aufgeschreckt wird, entstehen dann diese Videos aus fahrenden Autos, wo Wölfe gehetzt über die Straße rennen.

Olaf Kuball, Wolfsberater

Der Wolfsberater wirft noch einen Blick auf den Inhalt einer Speicherkarte. Und gleich ein Treffer. Ihn interessiere sehr, wie der Wolf sich jetzt hier etabliert. "Das Monitoring muss gemacht werden, weil wir sonst keine belastbaren Daten haben", sagt Kuball. "Einer muss es ja machen. Noch habe ich Lust dazu. Also werde ich das noch ein bisschen weitermachen."

In Niedersachsen schätzt man den Wolfsbestand aktuell auf 51 Rudel, vier Paare und drei Einzeltiere. Private Wolfssichtung können unter www.wolfsmonitoring.com gemeldet werden. 

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Bild: Radio Bremen

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  • Dirk Bliedtner
    Dirk Bliedtner Autor

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 27. Mai 2024, 7:10 Uhr