Fragen & Antworten

Wie das Land Bremen klimafreundlich für mehr Wohnungen sorgen könnte

"Hohe Kosten, hohe Auflagen": So geht es der Bremer Baubranche

Bild: dpa | Sven Simon

Wegen der hohen Kosten kommt Deutschland beim Wohnungsneubau kaum voran. Akteure des klimagerechten Bauens erklären, wie man mit wenig Geld viel Wohnraum gewinnen könnte.

Der Wohnungsbau steckt in einer tiefen Krise. Erstmals seit der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 rechnet der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie damit, dass der Baubranche im laufenden Jahr Stellen verloren gehen werden – und zwar bundesweit rund 10.000. Auch im Land Bremen ist der Wohnungsbau in den letzten beiden Jahren eingebrochen, bestätigen unter anderem die Architektenkammer und die Handwerkskammer.

Bauunternehmen machen insbesondere die gestiegenen Baukosten sowie die hohen Kreditzinsen für die Krise verantwortlich. Sie klagen aber auch über hohe energetische Anforderungen an Neubauten und fordern, dass die Politik von ihren Standards abrückt, um das Bauen billiger zu machen und so der Bauindustrie zu helfen.

Ganz anders sehen das Akteure des Bauwende-Bündnisses, die sich mit klimaschützendem Bauen befassen. Sie machen sich für alternative Bauformen und eine Transformation des Bausektors stark. Wie das aussehen kann – darüber hat buten un binnen mit Jacob Gruender gesprochen, dem Geschäftsführer des Norddeutschen Zentrums für Nachhaltiges Bauen (NZNB) in Verden sowie mit Michael Burchert, dem Vorsitzenden des Vereins Bauwende, der im NZNB zuhause ist. Zudem haben wir Sebastian Lederer von den Architects for Future Deutschland, die in Bremen sitzen, nach möglichen Lösungen gefragt.

Porträt von Michael Burchert
Michael Burchert ist der Vorstandsvorsitzende des Bauwende e.V. Der Verein möchte das Bauen im Einklang mit Natur und Umwelt vorantreiben. Bild: privat

Wäre es angesichts der hohen Baukosten sinnvoll, Abstriche bei den ökologischen und energetischen Standards für Neubauten zu machen?

Auf keinen Fall, sagen Gruender, Burchert und Lederer übereinstimmend. Sie betonen, dass ökologisches, klimaneutrales Bauen an sich nicht teuer sein müsse. Auch gingen die hohen Baukosten, über die die Baubranche derzeit klagt, gar nicht vorrangig auf gestiegene Materialkosten zurück, sondern vor allem auf den Anstieg der Bodenpreise. So sagt Lederer: "In den fünfziger Jahren hat der Bodenpreis üblicher Weise etwa 20 Prozent der Baukosten ausgemacht. Heute sind es fast 80 Prozent."

Gruender, Burchert und Lederer sind sich einig darin, dass man den hohen Bodenpreisen als Treiber der Gesamtkosten im Wohnungsbau politisch entgegen wirken müsste. "Der Boden ist ein endliches Gut", sagt Burchert dazu. Entsprechend sei absehbar, dass die Bodenpreise noch weiter steigen werden, wenn die Politik nicht gegensteuert.

Wie könnte die Politik verhindern, dass die Bodenpreise weiter steigen und mit ihnen die gesamten Baukosten?

Die Politik könnte beispielsweise dafür sorgen, dass die Städte und Gemeinden öffentliche Gebäude in Erbpacht vergeben statt sie zu verkaufen, sagt Lederer. Auf diese Weise ließe sich verhindern, dass der Boden zum Spekulationsobjekt wird und die Baukosten in der Folge immer weiter steigen.

Unter Erbpacht versteht man das Nutzungsrecht eines Grundstücks über einen festgeschriebenen Zeitraum, oft über mehr als 50 Jahre. Dafür fällt monatlich oder auch jährlich eine Pachtgebühr an, vergleichbar mit einer Miete. Auch, wer auf Erbpachtland baut, kauft das Grundstück nicht, sondern pachtet es für eine vertraglich vereinbarte Zeit.

Porträt von Jacob Gruender vor einer Steinmauer.
Leitet die Geschäfte des Norddeutschen Zentrums für Nachhaltiges Bauen (NZNB) in Verden: Jacob Gruender. Bild: privat

Wie könnten Bremen und andere Städte dem Mangel an Sozialwohnungen in der Krise des Wohnungsbaus begegnen?

Lederer hält hierzu die so genannte "Wohngemeinnützigkeit" für einen guten Ansatz. Im Kern geht es dabei darum, ein Gesetz aufzulegen, dass den Wegfall der Sozialpreisbindung von Wohnungen verhindert.

Derzeit entfällt die Sozialpreisbindung, je nach örtlicher Regelung, üblicher Weise nach zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren. Danach können die Eigentümer die betreffenden Wohnungen zu marktüblichen Preisen vermieten. "Das hat zur Folge, dass man derzeit Sozialwohnungen ständig neu bauen muss", so Lederer. Zeitweise fielen mehr Sozialwohnungen weg, als neu gebaut werden könnten. Auch deshalb herrsche Mangel in diesem Segment.

Hinzu komme, dass Sozialwohnungen klassischer Weise dort neu gebaut würden, wo es Platz gebe: in Randgebieten. Daher entstünden günstige Wohnungen tendenziell immer weiter außerhalb der Stadtmitte. Lederer spricht von einer Klassengesellschaft, die auf diese Weise entsteht: "Auch gesellschaftlich gesehen ist unser derzeitiges System der Sozialpreisbindung im sozialen Wohnungsbau problematisch."

Welche Rolle könnten Bestandswohnungen in der Wohnungsbaupolitik der Zukunft spielen?

Sie könnten eine zentrale Rolle in der künftigen Wohnungsbaupolitik spielen. So könnte man Bestandsobjekte in die Wohngemeinnützigkeit aufnehmen, sagt Lederer: "So könnte man den sozialen Wohnungsbau im Inneren der Städte vorantreiben statt immer nur am Stadtrand." Zugleich ließe sich auf diese Weise eine bessere soziale Durchmischung der Städte gewährleisten, als man sie derzeit in der Regel antreffe.

Das Potential hierzu sei riesig, sagt Michael Burchert. Allein durch die Aufstockung von Wohnhäusern und durch das Umnutzen von Bürogebäuden ließen sich bundesweit etwa 2,5 Millionen Wohnungen zusätzlich schaffen. Jacob Gruender verweist in diesem Zusammenhang auf die Supermärkte: "Warum haben wir in Deutschland so viele Discounter, die nicht verpflichtet sind, Wohnraum zu schaffen?" Auf vielen Dächern dieser Märkte ließen sich problemlos Wohnungen errichten, für die man andernorts wertvolle Flächen neu versiegeln müsste.

Porträt von Sebastian Lederer
Sebastian Lederer von den Architects for Future macht sich für die Umnutzung von Bestandsimmobilien in der Stadtentwicklung stark. Bild: Sophie Tichonenko

Weshalb werden derzeit noch relativ wenig Bestands-Immobilien aufgestockt und umgenutzt?

Ein großes Problem stellen aus Sicht Lederers, Burcherts und Gruenders die Landesbauordnungen dar. "Der Fokus liegt auf dem Neubau", erklärt Lederer. Doch damit würden die Landesbauordnungen dem Bestand nicht gerecht.

Beispielhaft fügt er hinzu: "Wenn ich auf ein viertes Stockwerk ein fünftes draufsetzen möchte, dann muss ich das komplette Treppenhaus neu machen oder umbauen." Das hänge etwa mit den heutigen Brandschutz-Vorschriften zusammen. Das Problem dabei: "Es ist in vielen Fällen gar nicht möglich." In anderen wären die entsprechenden Umbauarbeiten so teuer, dass sie sich für die Hauseigentümer nicht lohnten.

Lederer schlägt daher vor: "Man muss die Landesbauordnungen zu Umbauordnungen umbauen." Auf diese Weise könnte man eine geeignete gesetzliche Grundlage schaffen, um das Umbauen im Bestand wesentlich zu erleichtern. "Damit ließe sich auch relativ schnell guter und günstiger Wohnraum schaffen", sagt der Architekt mit Verweis auf den bundesweiten Wohnungsmangel.

Der neue Wohnkomplex "Dat nee Huus" auf dem Ellener Hof.
Das Bremer Quartier Ellener Hof (hier ein Archivbild) gilt als mustergültiges Beispiel für klimagerechtes Bauen. Hier wurden natürliche Baustoffe verwendet und der Bestand genutzt. Bild: Radio Bremen | Pascal Faltermann

Wie werden die Häuser der Zukunft in Bremen, Bremerhaven und in anderen Städten aussehen?

Geht es nach Burchert, Gruender und Lederer, so wird es sich bei den Häusern der Zukunft nur in Ausnahmefällen um Neubauten auf der grünen Wiese handeln. Doch hierzu bedürfe es einer echten politischen Kehrtwende, sagt Burchert. Denn derzeit gebe es in Deutschland etwa 20 Millionen Gebäude, von denen rund 13 Millionen Einfamilienhäuser seien. "Jetzt muss man die Priorität auf den sozialen Wohnungsbau im Bestand legen, auf die Nachverdichtung und auf die energetische Sanierung", sagt Burchert.

Die entsprechend umgebauten Bestandswohnungen müssten nach Auffassung Burcherts und Gruenders zudem so zugeschnitten und aufgeteilt werden, dass der Einzelne im Durchschnitt weniger Raum für sich allein in Anspruch nimmt als heute. Derzeit liege der Durchschnitt in Deutschland bei knapp 50 Quadratmetern Wohnraum pro Person.

"Das ist nicht nachhaltig", sagt Burchert dazu. Perspektivisch müsse es gelingen, diesen Schnitt auf etwa 35 Quadratmeter Wohnraum pro Person zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, gelte es, wieder verstärkt gemeinschaftliche Wohnformen zu fördern, am besten mit mehreren Generationen unter einem Dach.

Bremer Immobilienunternehmer antwortet: Was hilft der Neubau-Branche?

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. Februar 2024, 19.30 Uhr