Utopisch oder unumgänglich? 4-Tage-Woche spaltet Bremer Unternehmer

Wie sehen die Arbeitszeitmodelle der Zukunft aus?

Bild: dpa | Zoonar/DesignIt

Nur vier Tage Arbeit pro Woche — das tut der Firma gut, finden zwei Bremer Unternehmer. Andere sehen darin eine Gefahr für den Wohlstand. Wie gut ist die Vier-Tage-Woche wirklich?

Nur die besten Erfahrungen habe er bislang mit der Vier-Tage-Woche gesammelt, sagt Detlef Gehlhaar, Inhaber des Friseursalons "Headhunter" im Bremer Steintor-Viertel. Vor knapp zwei Jahren hat der Friseur dort die Vier-Tage-Woche eingeführt und gleichzeitig die Arbeitszeit seiner Beschäftigten bei vollem Lohnausgleich von 41 auf 36 Stunden reduziert. Seitdem habe er nicht etwa Umsätze verloren, sondern hinzugewonnen, stellt Gehlhaar fest.

Detlef Gehlhaar zeigt auf einen Aufkleber an einem Spiegel in seinem Friseursalon
Sieht in der Fünf-Tage-Woche ein Auslaufmodell: Friseur Detlef Gehlhaar. Bild: Radio Bremen | Maria Sandig

Doch nicht nur das: Seine Angestellten seien entspannter als zuvor und hätten obendrein immer wieder Lust, dem Kunden noch etwas mehr anzubieten, als sie unbedingt müssten, beispielsweise die eine oder andere Färbung, berichtet der Unternehmer. Auch er gönnt sich nun etwas mehr Freizeit: "Ich habe mir einen Hund angeschafft und habe auch Zeit für ihn", sagt Gehlhaar, dessen Salon inzwischen samstags, sonntags und montags geschlossen bleibt.

Auch für die Zukunft sieht Gehlhaar in der Vier-Tage-Woche das beste Arbeitszeitmodell, zumindest für seine Branche und auch für viele andere handwerkliche Berufe: "Ich bin mir sicher, dass noch viele Friseure und andere Handwerker nachziehen werden. Schon, um ihre Mitarbeiter zu halten oder zurück zu gewinnen", sagt er. Tatsächlich eröffneten bei ihm viele Bewerber das Vorstellungsgespräch mit Sätzen wie: "Ich will aber nur vier Tage arbeiten." Dem könne man sich als Unternehmer nicht verschließen.

Unverhofft mehr Freizeit: "Einfach schön"

Sylvia Heißenhuber hält einen Kaffeebecher hoch
Ist überzeugt von der Vier-Tage-Woche: Unternehmerin Sylvia Heißenhuber. Bild: Privat

Wie Friseur Detlef Gehlhaar hat auch Sylvia Heißenhuber, Inhaberin des Bremer "Siebdruck Centers" im August 2022 die Vier-Tage-Woche eingeführt. Und wie Gehlhaar ist auch sie dabei geblieben. "Wir haben keine Einbußen. Und meine Mitarbeiterinnen sind zufriedener und glücklicher als vorher", fasst Heißenhuber zusammen. Statt 38 Stunden pro Woche arbeiteten die meisten ihrer Mitarbeiterinnen heute 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich. Freitags habe das Siebdruck Center nun geschlossen – was mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringe, sagt sie.

"Es gibt auch Mitarbeiterinnen, die trotzdem am Freitag arbeiten wollen. Denn dann kann man besonders ruhig und konzentriert die Büroarbeit erledigen", nennt Heißenhuber beispielhaft einen überraschenden Vorteil der neuen Arbeitszeiten. Auch sie erledige inzwischen viele Sachen freitags, die sie früher an Sonnabenden habe bewerkstelligen müssen – mit dem Ergebnis, dass auch sie freie Zeit hinzu gewonnen habe. "Einfach schön", findet Heißenhuber.

Unternehmensverbände skeptisch

Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Bremen Cornelius Neumann Redlin im buten un binnen Studio.
Hält die Vier-Tage-Woche nur in Einzelfällen für sinnvoll: Cornelius Neumann-Redlin. Bild: Radio Bremen

Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Land Bremen, äußert sich dagegen skeptisch über die Vier-Tage-Woche. Der Arbeitgeber-Vertreter sagt: "Wenn wir alle weniger arbeiten, produzieren wir auch weniger Waren und Dienstleistungen. Daraus resultieren weniger Steuereinnahmen, und wir können weniger umverteilen."

Daher ist die Vier-Tage-Woche als Modell für die gesamte Gesellschaft seiner Meinung nach illusorisch. Mit ihr ließen sich weder unser Wohlstand noch der hoch entwickelte Sozialstaat halten. "Schon heute haben wir in Deutschland europaweit mit die kürzesten Arbeitszeiten, viele Feiertage und sehr lange Ferien", fügt Neumann-Redlin hinzu. Davon unberührt spreche nichts dagegen, wenn sich einzelne Firmen und ihre Beschäftigten dafür entscheiden, eine Vier-Tage-Woche einzuführen – ob mit oder ohne Lohnausgleich.

Große Studie zur 4-Tage-Woche läuft

Jan Bühren am Schreibtisch schaut in die Kamera und lacht
Sammelt Fakten zur Vier-Tage-Woche: Jan Bühren. Bild: Jan Bühren

Angesichts der kontroversen Diskussionen rund um die Vier-Tage-Woche sei es wichtig, Fakten zum Thema zu gewinnen, sagt Jan Bühren. Er ist Mitorganisator einer großen, seit Februar laufenden Pilotstudie der Intraprenör GmbH und der Uni Münster über die Vier-Tage Woche in Deutschland, an der sich bis Oktober knapp 50 Unternehmen aus verschiedenen Branchen beteiligen. Parallel dazu liefen und laufen ähnliche Studien in Großbritannien, Südafrika, Australien und Irland. Initiatorin all dieser Studien ist die Nichtregierungsorganisation (NGO) "4 Day Week Global".

Zwar läuft die Studie noch bis Oktober. Ein paar Eindrücke – auch aus den Parallelstudien in anderen Ländern wie Großbritannien – seien aber durchaus spruchreif, sagt Bühren. So kämen die meisten Betriebe gut mit der Vier-Tage-Woche zurecht. Viele Unternehmer berichteten Ähnliches wie der Bremer Friseur Detlef Gehlhaar: "Die Bewerberzahlen sind deutlich gestiegen, um bis zu 300 Prozent", so Bühren. Auch seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen, die sich an der Studie beteiligten, überwiegend hochzufrieden mit der neuen Situation.

"Leute sollen Zeit haben, um zu regenerieren"

Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang: An der Studie zur Vier-Tage-Woche nehmen nur solche Unternehmen teil, bei denen die Vier-Tage-Woche mit einer Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich einhergeht. "Die Versuche, 40 Stunden in vier Tagen unterzubringen, versuchen wir bei dem Experiment auszuklammern", so Bühren dazu. Dass die Beschäftigen durch kürzere Arbeitszeiten mehr Zeit zur Erholung gewännen, sei ein zentraler Aspekt für die Attraktivität der Vier-Tage-Woche: "Die Leute sollen Zeit haben, zu regenerieren."

Andere Aspekte aus Sicht der Beschäftigten seien ein Plus an Flexibilität sowie die Chance, sich stärker um die Familie kümmern zu können. Arbeitgeber wiederum würden für potentielle Beschäftigte attraktiver auf dem Arbeitsmarkt, wenn sie eine Vier-Tage-Woche anbieten könnten. Bühren betont allerdings auch, dass man die Ergebnisse der Studie zur Vier-Tage-Woche abwarten müsse, ehe sich mehr sagen lasse. Auch sei absehbar, dass es sich bei diesem Arbeitszeitmodell nicht für jedes Unternehmen gleichermaßen um das Mittel der Wahl handeln könne.

Viele Bremer wollen wegen der Work-Life-Balance weniger arbeiten

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 3. Mai 2024, 19:30 Uhr