4-Tage-Woche und voller Lohn? So klappt's in Bremer Unternehmen

Detlef Gehlhaar zeigt auf einen Aufkleber an einem Spiegel in seinem Friseursalon

4-Tage-Woche in Bremen: So hat sich unser Arbeitsalltag verändert

Bild: Radio Bremen | Maria Sandig

Work-Life-Balance ist das Stichwort unserer Zeit, dazu der Fachkräftemangel. Unternehmen müssen neue Wege gehen. Diese Bremer haben die Vier-Tage-Woche eingeführt.

Immer mehr Arbeitnehmende hinterfragen gängige Strukturen und haben bei der Jobwahl einen höheren Anspruch, wenn es um ihre persönliche Work-Life-Balance geht. Das – und der Fachkräftemangel, der Arbeitgeber in Zugzwang bringt, sorgt für Veränderungen in den Unternehmen. Einige setzen jetzt auf die Vier-Tage-Woche. Dazu gehört der Friseursalon "Headhunter" am Sielwall im Bremer Viertel. Früher war das ein "Cut & Go- Geschäft" ohne Terminvergaben und mit günstigen Preisen. Heute ist es ein Salon, bei dem eine Frisur Zeit und Geld braucht. "Ich liebe mein Handwerk und Qualität braucht Zeit, das habe ich irgendwann erkannt", sagt Geschäftsführer Detlef Gehlhaar.

Drei freie Tage pro Woche

Seit Februar 2022 steht neben dem Qualitätsanspruch ein weiterer Aspekt im Vordergrund: Work- Life-Balance. Denn die ist Detlef Gehlhaar besonders wichtig, seitdem er selbst einen Burnout und Depressionen hatte. "Es kam durch den dritten Corona-Lockdown. Ich stand vor der Entscheidung, den Laden zu schließen oder etwas zu ändern. Also habe ich mich dazu entschlossen, eine Vier-Tage-Woche einzuführen", sagt der Friseur.

Wichtig war dem gesamten Team, dass die neue Regelung ohne Gehaltskürzungen und Preiserhöhungen einhergeht. Aktuell sieht das Arbeitsmodell so aus: Montag, Samstag und Sonntag ist der Laden geschlossen – an den restlichen Tagen wird gearbeitet, eine halbe Stunde länger als vorher. Alle arbeiten 36 Stunden pro Woche.

Bremer Friseur und Mitarbeiter sehen keine Nachteile

Greta Schniggendiller
Eine halbe Stunde mehr am Tag zu arbeiten, macht Greta Schniggendiller nicht aus. Bild: Radio Bremen | Maria Sandig

"Es hat überraschend einfach funktioniert. Es war schon ein gewisses Risiko. Ein Schritt zurück wäre gegenüber meinen Mitarbeitenden nicht vertretbar", sagt Gehlhaar. "Unsere Entscheidung wurde rundum begrüßt, auch von unseren Kunden."

Nachteile sieht Geschäftsführer Detlef Gehlhaar in der neuen Regelung bislang keine. "Vielleicht für die Mitbewerber", sagt er zwinkernd. Das gesamte Team sei deutlich motivierter, alle hätten deutlich bessere Laune und sogar der Umsatz sei gestiegen.

Weil die Arbeitswoche kürzer ist, habe ich viel mehr Privatleben. Das fühlt sich gut an.

Christoph Beer, Empfang bei Friseur Headhunter

Und auch die Mitarbeiter zeigen sich zufrieden: "Die halbe Stunde mehr am Tag juckt mich nicht, wenn ich dadurch einen ganzen Tag frei habe. Wir sind alle viel fokussierter und schneller, obwohl wir es nicht müssen. Meine Arbeitsmotivation ist dadurch definitiv gestiegen", sagt Greta Schniggendiller, die seit fast fünf Jahren als Friseurin im "Headhunter" arbeitet.

So empfindet es auch ihr Kollege Christoph Beer, der am Empfang arbeitet: "Weil die Arbeitswoche kürzer ist, habe ich viel mehr Privatleben. Das fühlt sich gut an."

Weitere Bremer Unternehmen reduzieren Arbeitstage

Neben Detlef Gehlhaar haben weitere Bremer Unternehmen den Mut gehabt, die Vier-Tage-Woche einzuführen. Darunter Sylvia Heißenhuber, die die Textildruckerei und Stickerei "Siebdruck Center" aufgebaut hat. Ausschlaggebend sei ein Bericht über die Vier-Tage-Woche und die damit zusammenhängenden Vorteile für Mitarbeiter gewesen.

Das Team von Sylvia Heißenhubert
Miteinander wird laut Chefin Sylvia Heißenhuber beim "Siebdruck Center" groß geschrieben. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie sich für die Vier-Tage-Woche entschieden. Bild: Radio Bremen | Maria Sandig

"Ich habe den Link in unserer WhatsApp- Gruppe geteilt und gefragt, was mein Team davon hält. Alle waren begeistert und innerhalb einer Woche haben wir uns entschlossen, ein Pilotprojekt zu starten", sagt die Firmenchefin, die elf Mitarbeitende hat. Eine Sorge schwebte allerdings in der Luft: Wie werden die Kunden reagieren?

"Es ist ein ungewöhnlicher Schritt, doch das gehört zu unserer Unternehmenskultur – wir besprechen solche Themen zusammen und probieren es aus. Angst vor Veränderung bedeutet Stillstand. Und wir hatten ja nichts zu verlieren", sagt Sylvia Heißenhuber rückblickend. "Überraschenderweise haben alle Kunden sehr positiv reagiert. Wenn es doch mal Probleme gibt, was sehr selten vorkommt, finden wir aber immer eine Lösung."

Pluspunkt beim Fachkräftemangel in Bremen

Das Unternehmen funktioniert mit einem Stempelsystem, alle Arbeitnehmenden in Vollzeit sind 37,5 Stunden pro Woche in der Druckerei. Es steht allen frei, ob der Freitag als freier Tag genutzt und an allen übrigen Tagen mehr gearbeitet wird. "Es funktioniert wirklich gut. Wir schaffen unsere Arbeit in vier Tagen, weil wir deutlich konzentrierter und produktiver sind", sagt die Geschäftsinhaberin.

Die Firmenchefin glaubt, dass im Hinblick auf den drohenden Fachkräftemangel die verkürzte Arbeitswoche ein Pluspunkt ist. Auch wenn die Geschäftsführerin bei so manchem Kunden Neid heraushöre, sei das Feedback überwiegend positiv. "Manche nehmen es auch zum Anlass, über ihre eigenen Strukturen nachzudenken. Einer unserer Kunden hat auch die Vier-Tage-Woche eingeführt", sagt sie stolz.

Weniger Krankheitsausfälle – geringere Energiekosten

Mit dem Ziel, als Unternehmen leistungsorientiert und nicht mehr zeitorientiert zu arbeiten, hat Marcel Neubauer im November die Vier-Tage-Woche in seiner Firma Boetker Metall und Glas eingeführt. Bis Januar geht die Probephase – "aber ganz klar mit dem Ziel, es für immer zu integrieren", sagt Neubauer.

Gearbeitet wird in seinem Unternehmen von Montag bis Donnerstag, 38 Stunden bei vollem Gehalt. Aktuell prüfe er noch, ob die Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden reduziert wird. Schon jetzt sehe er die Wirkung, sagt Neubauer: "Die Mitarbeiter sind deutlich entspannter, da sie ein längeres Wochenende zur Erholung haben. Es kommt zu weniger Krankheitsausfällen und die Arbeitsmotivation ist größer", sagt der Geschäftsführer. "Ein positiver Nebeneffekt ist auch, dass unsere Energiekosten mit einem Tag weniger deutlich gesenkt werden."

Nachteile habe er noch nicht festgestellt. "Möglicherweise steigt der Druck und Stress bei der Belegschaft wegen der Verkürzung der Tage von fünf auf vier. Das müssen wir beobachten, das Feedback fiel bisher aber generell nur positiv aus."

Autorin

  • Maria Sandig
    Maria Sandig Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Der Vormittag, 23. Dezember 2022, 11:15 Uhr