Interview

Experte zu verschollenem Tauchboot: "Erstmal für Fake News gehalten"

Eine Tauchkapsel schwebt unter Wasser.
Bild: dpa | ZUMAPRESS.com | OceanGate

Seit Tagen fehlt vom verschollenen Tauchboot "Titan" jede Spur. Experte Malte Fiebing-Petersen aus Wilhelmshaven berichtet, was dahinter steckt und von früheren Pannen.

Viele Menschen schauen zurzeit auf das Schicksal der Tauchkapsel "Titan", die auf einer Tauchfahrt zum 3.800 Meter tief liegenden Wrack der "Titanic" seit Tagen verschollen ist. Die Küstenwachen der USA und Kanadas suchen mit Schiffen, Flugzeugen und Tauchrobotern fieberhaft nach dem im Atlantik verschwundenen Mini-Tauchboot und seinen fünf Insassen – unter großer medialer Aufmerksamkeit.

Die Zeit drängt – der Sauerstoff an Bord dürfte Berechnungen nun zu Ende gehen. Einer, der das Geschehen mit großer Anspannung verfolgt, ist der Vorsitzende des "Deutschen 'Titanic'-Vereins", Malte Fiebing-Petersen. Bremen Eins-Moderator Dirk Böhling hat ihn befragt.

Mit welchen Gefühlen haben Sie von den ersten Nachrichten über das verschwundene Fahrzeug gehört?

Tatsächlich habe ich, als ich es zum allerersten Mal hörte – die ersten Nachrichten sickerten Sonntagnacht deutscher Zeit durch – es erstmal für klassische Fake News gehalten. Gleichzeitig ist es mir dann kalt den Rücken runtergelaufen. Zwei der fünf Insassen des Tauchbootes sind mir persönlich bekannt. Wir hatten außerdem ein Mitglied des "Titanic"-Vereins, das 2021 genau mit dieser "Titan" da runter getaucht ist und der sagte vor zwei Jahren schon: Mensch, da war hier und da wirklich eine technische Panne, hier und da wirkte es improvisiert.

Das liest und hört man jetzt nochmal mit ganz anderen Augen. Wir haben das damals in unserer Mitgliederzeitschrift so dokumentiert, das kann man bei uns auf der Webseite alles nachlesen. Und das liest man jetzt mit anderen Augen, wenn man weiß, was da jetzt passiert ist.

Wie muss man sich denn so ein Tauchboot überhaupt vorstellen?

Oft ist in den Medien von "U-Boot" die Rede. Ein Unterseeboot wäre ein Gefährt das sich völlig unabhängig auf Tauchfahrt begeben kann. Das ist in dem Fall nicht so, sondern die "Titan" ist eine Tauchkapsel, das heißt, es ist zwingend ein Mutterschiff erforderlich, das dieses Boot zu Wasser lässt und auch wieder an Bord nimmt. Und zur Orientierung ist es vor allem ganz wichtig. Daher nun auch die Situation, dass das Schiff sich unter Wasser nicht orientieren kann, da der Kontakt zum Mutterschiff abgebrochen ist.

Die "Titan" selber misst nur knapp sieben Meter und der Raum, in dem sich die Menschen befinden, nur 2,50 Meter lang. Also, es sind schon sehr beengte Verhältnisse.

Laut der Betreiber ging es um "Titanic"-Forschung – steckt da noch mehr dahinter?

Ja, letztendlich sind das kommerzielle Tauchfahrten, mit denen Geld verdient werden soll. Dadurch, dass das Wrack an sich UNESCO-geschützt ist, als Grabstätte gilt und diese Tauchfahrten nicht unumstritten sind, hat die Betreibergesellschaft sich ein bisschen einen wissenschaftlichen Anstrich gegeben. Indem es sagt, wir tauchen zu fünft runter und die drei zahlenden Gäste nennen wir Hilfswissenschaftler, so wäre die Übersetzung. Sie nennen es selber also nicht Touristen.

Wenn ich mir vorstelle, wie sich die Preise in den letzten Jahren entwickelt haben – 2021 sind sie zum ersten Mal damit runtergetaucht, da war der Platz für "nur" 100.000 Dollar zu bekommen, dieses Jahr wurden dann schon 250.000 Dollar pro Person aufgerufen. Daran merkt man schon, dass es dann doch nicht nur um die reine Wissenschaft geht. Vor allem muss man sagen, das was man mit diesem Tauchboot und den technischen Mitteln, die es hat, wirklich an wissenschaftlichen Erkenntnissen sammeln kann, ist jetzt nicht überragend, um es mal ein bisschen vorsichtig auszudrücken.

Was glauben Sie, was dort unten passiert sein könnte?

Nach allem, was ich über diese Tauchkapsel weiß und mir damals Stockton Rush, dem CEO, der jetzt auch als Pilot mitverschollen ist, erzählt hat, muss es ein Ausfall der Energie sein. Das bedeutet, dass die Batterie ausgefallen ist und dadurch Navigation und Kommunikation ausgefallen ist. Also, im Grunde genommen, ein klassischer Blackout.

Das Interview führte Bremen Eins-Moderator Dirk Böhling, aufgezeichnet von Joschka Schmitt.

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Bild: Radio Bremen
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Autor

  • Dirk Böhling
    Dirk Böhling Autor

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Vormittag, 22. Juni 2023, 11:10 Uhr