Warum für diese Bremerin Therapie aus der Tabu-Ecke raus muss
Die Bremerin Mia-Sophie Haack fordert im Bremen Zwei Podcast "Eine Stunde reden", jeder Mensch, der eine Therapie macht, solle dazu stehen – auch wenn das Mut erfordert.
Mia-Sophie Haack will als Beispiel vorangehen, sie ist ehrlich, authentisch und für sie ist es auch einfach kein großes Ding. Seit sieben Jahren macht sie eine Therapie.
Damals ging es ihr einfach nicht so gut, sie erzählte einem Freund davon und der ging mit ihr zur psychologischen Beratungsstelle des Studierendenwerks auf dem Campus der Uni Bremen. Von dort aus ging es weiter zu unterschiedlichen Therapeuten, einige Erstgespräche und schließlich die Entscheidung für eine Therapeutin. Sie sieht sie wöchentlich.
Ich gehe damit tatsächlich sehr offen um, weil ich finde, das sollte in unserer Gesellschaft viel mehr ankommen, dass es völlig normal ist, eine Therapie zu machen. Ich bin nicht psychisch krank oder irgendwie gefährlich für andere oder mich selbst, nur weil ich eine Therapie mache. Das muss völlig normal sein, dass man sich Unterstützung holt, wenn man Hilfe braucht.
Mia-Sophie Haack
Die Menschen um sie herum reagieren unterschiedlich auf diese Offenheit, wenn Haack zum Beispiel sagt: "Da kann ich nicht, da bin ich zur Therapie." Die einen freuen sich mit ihr, finden es schön, dass sie das so klar sagt. Andere wollen wissen, ob es schwierig für sie ist, darüber zu sprechen. Das ist es für Haack tatsächlich nicht, im Gegenteil, sie findet es essentiell, das nach außen zu tragen.
Manche Leute erschrecken sich aber auch und gehen gar nicht weiter darauf ein. In ihrem Blick sieht Haack allerdings, dass das für sie ein komisches Thema ist. Von ihnen wünscht sie sich, dass sie ebenfalls einfach fragen.
Zwischen Gegenwartskontrolle und Vergangenheitsbewältigung
Früher fiel es Haack schwer, "Nein" zu sagen. Sie weiß: Es lauert immer die Gefahr, sich zu überfrachten. Gleichzeitig ist da die Herausforderung, den Alltag gut zu organisieren, zu strukturieren und nicht immer wieder so vieles lange vor sich her zu schieben.
Ihre Kindheit war nicht so ganz einfach, sagt Haack, als jüngstes von sieben Kindern mit sehr beschäftigten Eltern. Sie war an sieben verschiedenen Schulen, tat sich nicht immer leicht mit dem Lernen. In dem Jahr, als sich ihre Eltern trennten, flog sie als Viertklässlerin von der Waldorfschule. Jetzt ist sie selbst auf dem Weg, Kunst- und Englisch-Lehrerin zu werden.
Vieles von damals hat sie bereits aufgearbeitet, erahnt inzwischen in manchen Situationen auch schon die Einschätzung oder den Hinweis ihrer Therapeutin, denkt immer wieder "Oh, darüber muss ich unbedingt mit meiner Therapeutin sprechen."
„Wie ist die Stimmung jetzt gerade, wie geht’s Ihnen?“
Im Rückblick stellt Mia-Sophie Haack fest: "Ich verändere mich, hab mehr Kontrolle, fühle mich Angst-Situationen weniger ausgeliefert." Ob es nur die Therapie ist oder auch einfach mehr Lebenserfahrung, mehr Reife, das kann sie nicht genau sagen. Fest steht: Der Austausch mit einer unbeteiligten Person ist sehr gut für sie. Am Ziel wäre sie wohl, wenn sie in der Therapie gar nicht mehr wisse, was sie erzählen solle.
Manchmal ist das schon schwierig, da braucht es eine Zeit lang, bis ich das dann auch wirklich umsetzte. Ich hab das im Kopf, aber irgendwas blockiert es noch. Da sprechen wir dann drüber, woran es liegt, dass da diese Hemmschwelle ist. Warum versuche ich, gewisse Situationen zu vermeiden?
Mia-Sophie Haack
Ein Durchbruch war es, als Mia-Sophie Haack das erste mal in einer Therapiesitzung weinen konnte, erzählt sie gelassen. Das hat lange gedauert, drei, vier Jahre, daher ist sie überzeugt: Es lohnt sich, dran zu bleiben, es gibt nicht immer die schnelle Lösung.
Theater als andere Form der Therapie
Vor diesem Hintergrund klingt folgende Aussage der angehenden Englisch- und Kunstlehrerein gleich viel verständlicher: "Ich habe Angst, in den Strudel des Schulsystems zu geraten und den Schülerinnen und Schülern am Ende nicht gerecht zu werden," bringt Haack ihre Zweifel mit Blick auf das nach der Masterarbeit anstehende Referendariat auf den Punkt. Doch die Motivation ist groß, es besser zu machen, als manche Lehrkraft in ihrer eigenen Geschichte.
Damals in ihrer Jugend war das Theaterspielen für sie Mittel zum Zweck, gesehen zu werden, im Mittelpunkt zu stehen. Das hat sich gewandelt.
Sie spiel immer noch Theater, jetzt in der Laiengruppe Wunderland-Kollektiv. Dort erlebt sie sich als Texter- und Spielerin, der es gelingt, sich in andere Wirklichkeiten hineinzuversetzen. Aufführungen mit anderen auf die Beine zu stellen, sich hinterher begeistert in den Armen zu liegen, gemeinsam etwas schaffen, das ist es heute, was sie Theater machen lässt. Dazu gehören auch Reibungen, Konflikte und der gemeinschaftliche Mut, Diskussionen auch einfach mal zu beenden.
Wie nehmen alle so, wie sie kommen und versuchen, gemeinschaftlich ein Projekt zu machen.
Mia-Sophie Haack
Wer sie in ihren Träumen ist, ob sie an irgendeiner Stelle ihres Lebens anders abgebogen wäre, was es mit ihrer Herkunftsfamilie und ihrer kanadischen Ersatzfamilie auf sich hat – das alles erzählt sie in der Podcastfolge "Sie zweifelt, ob sie Lehrerin werden soll" hier bei und auf der Seite. Die Folge können Sie aber auch in der ARD-Audiothek hören.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Abend, 5. Oktober 2023, 21:05 Uhr