Fragen & Antworten

Diese Straftaten durch Jugendliche häufen sich gerade in Bremen

Bild: dpa | PantherMedia | Andriy Popov

Raub, Diebstahl, Schlägereien: Die Polizeimeldungen zu Straftaten durch Jugendliche in Bremen reißen nicht ab. Zugenommen aber hat offenbar nur die Straßenkriminalität.

"Junge Räuber in Huchting festgenommen", "Junge Räuberin überfällt 86-jährige", "Angriffe durch Jugendliche": Wer in den vergangenen Wochen die Polizeimeldungen aus Bremen verfolgt hat, kann leicht den Eindruck gewinnen, dass Jugendkriminalität in Bremen, zumal gewalttätige Übergriffe massiv zugenommen haben – den brutalen Überfall einer Jugendbande auf eine Transfrau in einer Bremer Straßenbahn sogar ausgenommen. Doch stimmt der Eindruck? buten un binnen hat mit der Polizei und mit einem Kriminologen über Kinder- und Jugendkriminalität in Bremen gesprochen.

Hat es in den vergangenen Wochen und Monaten mehr Straftaten durch Jugendliche in Bremen gegeben als sonst?

Nein, sagt Nils Matthiesen, Sprecher der Polizei Bremen. Er nennt zwar keine neuen Zahlen für 2022, betont aber, dass die Straftaten durch Kinder und Jugendliche in Bremen auf lange Sicht gesehen eher rückläufig seien. Auch die Zahl der Gewaltdelikte sei nicht angestiegen. Das bestätigt die Kriminalstatistik: Hiernach sind in der Stadt Bremen 2021 insgesamt 2.737 Straftaten durch Kinder und Jugendliche erfasst worden, darunter 113 Raubdelikte. Zum Vergleich: fünf Jahre zuvor waren es noch 4.180 Straftaten durch Jugendliche, darunter 136 Raubdelikte.

Straftaten von Kindern und Jugendlichen in der Stadt Bremen

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Wenn die Zahlen zur Jugendkriminalität in Bremen eher rückläufig sind – wie entsteht dann der Eindruck in der Öffentlichkeit, dass es mehr Straftaten geworden sind?

Die Polizei verzeichnet seit April, insbesondere im "Viertel" sowie in der Innenstadt, einen deutlichen Anstieg speziell bei der Straßenkriminalität durch junge Straftäter und damit an Straftaten im öffentlichen Raum. Dabei gehe es meist um Raub oder um Antanz-Diebstähle, sagt Polizei-Sprechen Nils Matthiesen. Bei Antanz-Diebstählen sind Trickdiebstähle, bei denen das Opfer durch tänzelnde Bewegungen abgelenkt und dann ausgeraubt wird.

"Da haben es die vornehmlich jungen Straftäter abgesehen auf Ketten, auf wertvolle Uhren, auf Smartphones, auf Portemonnaies", erklärt Matthiesen und fügt hinzu: "Das passiert immer alles sehr schnell. Es gibt immer nur einen kurzen Kontakt zwischen den Geschädigten und dem Täter. Deshalb haben wir noch nicht so viele ermitteln können." Diejenigen, die die Polizei ermittelt habe, seien in der Regel zwischen 16 und 19 Jahre alt und kämen überwiegend aus Algerien und Marokko.

Der Kriminologe Johannes Aschermann von der Uni Bremen erklärt den Eindruck, dass Jugendkriminalität zugenommen habe, auch psychologisch: Das Gefühl von Sicherheit spiele in unserer Gesellschaft zur Zeit eine sehr große Rolle. Auch deshalb werde Kriminalität viel stärker wahrgenommen als in früheren Zeiten, selbst wenn die Zahlen dazu gar keinen Anlass böten. Hinzu komme, dass sich die mediale Darstellung von Kriminalität verändert habe, nicht nur in der Popkultur, sondern auch in der Realität, beispielsweise durch Handyaufnahmen oder solche von Überwachungskameras: "Das sorgt natürlich dafür, dass die Wahrnehmung eindrücklicher ist als vor 20, 30, 40 Jahren, als es vielleicht mal ein Foto von einem Tatort gab oder Beschreibungen in einem kleinen Text, aber nicht dieses Unmittelbare", so Aschermann.

Dunkelhaariger Mann mit grauen Schläfen in Polizei-Uniform
Zeigt sich zuversichtlich, dass die Polizei Bremen die zuletzt häufigeren Räube durch Jugendliche in der City wird aufklären können: Nils Matthiesen. Bild: Radio Bremen

Trotzdem scheint die Straßenkriminalität in Bremen ein Problem dazustellen. Was unternimmt die Polizei, um weitere jugendliche Straßenräuber festzunehmen?

Die Polizei habe eine Ermittlungsgruppe eingerichtet, die die Täter stellen solle, sagt Matthiesen. Die Ermittlungsgruppe analysiere alle Fälle, gucke nach Übereinstimmungen bei den Täterbeschreibungen und werte Geodaten aus. Der Polizei-Sprecher glaubt, dass es im Sommer auch deswegen vermehrt zu Überfällen gekommen sei, weil die Leute im Sommer dünner angezogen seien, beispielsweise Halsketten offen zeigten.

Letztes Jahr habe es ebenfalls zur Sommerzeit vermehrt Straßenkriminalität in Bremen-Mitte gegeben. Damals habe die Polizei eine Vielzahl dieser Taten fünf jugendlichen Zuwanderern zuordnen können, die daraufhin in Untersuchungshaft gekommen seien. "Und dann war auch Ruhe", so Matthiesen. Auch jetzt werde die Polizei zusehen, dass sie schnell zum Erfolg komme.

Besteht ein Zusammenhang zwischen der Straßenkriminalität in Bremen und dem Überfall auf die Transfrau in einer Bremer Straßenbahn?

Nein, unterstreicht Matthiesen. Der Überfall auf die Frau in der Straßenbahn sei "separat zu betrachten". Die Ermittlungen dazu liefen allerdings noch.

Mann mit Schnauzer, Brille und blauem Hemd vor Fensterfront
Der Kriminologe Johannes Aschermann von der Uni Bremen sagt, dass Jugendliche ihre Straftaten oft kaum planten. Bild: Radio Bremen

Gibt es typische Unterschiede zwischen Straftaten durch Jugendliche und solchen durch Erwachsene?

Ja, die gibt es, sagt der Kriminologe Johannes Aschermann. Die Straftaten, die Jugendliche begingen, seien häufig schlecht oder gar nicht geplant und folgten einfachen Denkmustern. "Oft ist Kriminalität von Jugendlichen aus der Situation heraus. Man hält sich in der Gruppe auf, bewegt sich durch die Stadt, und was sich so ergibt, passiert", erklärt Aschermann. Eine echte Tatmotivation sei daher häufig gar nicht zu erkennen. Typisch seien eher Versuche der Rechtfertigung im Nachgang.

Dass Jugendliche ihre Straftaten oft schlechter planen als Erwachsene, hat auch positive Effekte: "Die Fähigkeiten, sich der Strafverfolgung zu entziehen, sind bei Jugendlichen meist nicht so ausgeprägt", sagt Aschermann. Daher würden verhältnismäßig viele Straftaten durch Jugendliche tatsächlich erfasst und aufgeklärt, auch weil sie häufig in der Öffentlichkeit stattfänden, wie das Beispiel der Straßenkriminalität in Bremen zeige.

Ein weiterer Unterschied zwischen der Kriminalität durch Jugendliche und jener Erwachsener bestehe darin, dass Jugendliche unterm Strich weniger Möglichkeiten hätten um Straftaten zu begehen. So schieden Steuerdelikte in aller Regel von vornherein aus.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. September 2022, 19.30 Uhr