Fragen & Antworten

Warum Stolpersteine in Bremen heute wichtiger denn je sind

Der Stolperstein von Hermann Behr auf einem Gehweg in Bremen
Im Land Bremen gibt es knapp 800 Steine, davon 120 in Bremerhaven. Bild: Radio Bremen

Für die einen sind sie wichtige Erinnerungsorte für deportierte Menschen, andere bemerken sie gar nicht: Die goldenen Stolpersteine, die seit 20 Jahren in Bremen verlegt werden.

Bei der Verlegung der ersten Bremer Stolpersteine 2004 sagte die Angehörige Lottie Levy: "Ich habe mich sehr gegrämt, dass ich keinen Grabstein auf dem Friedhof hatte." Seit damals erinnern die Stolpersteine von Sophie-Else und Maximilian Abraham an ihre 1941 während des NS-Regimes nach Minsk deportierten Eltern.

Ein älteres Foto mit einer Frau mit Regenschirm. Im Hintergrund verlegt ein Mann Stolpersteine
Lottie Levy bei der Verlegung der ersten Stolpersteine in Bremen in 2004. Bild: Radio Bremen

Levy hoffte, dass sich Menschen über diese "kleine Erinnerung" an den Ort erinnern, wo sie als Kind mit ihren Eltern gelebt hatte – auch wenn es das Haus schon längst nicht mehr gibt. Seit der Verlegung des ersten Stolpersteins in Bremen sind 20 Jahre vergangen. Seither wurden in Bremen und Bremerhaven fast 800 weitere Steine verlegt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum Projekt.

An wen erinnern die Stolpersteine in Bremen und Bremerhaven?

"Die sogenannten Stolpersteine erinnern an die Menschen, die während des Nationalsozialismus Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind", sagt Tobias Peters von der Landeszentrale für politische Bildung in Bremen. Die Steine erinnern an die in Bremen getöteten, deportierten, vertriebenen und politisch verfolgten Menschen – darunter sind nicht nur Jüdinnen und Juden.

Was steht hinter den "Stolpersteinen"?

Das Projekt "Stolpersteine" wurde 1992 vom Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufen. Die in den Boden verlegten Gedenktafeln gibt es seit 2004 auch in Bremen. Mittlerweile wurden rund 100.000 Steine in 31 europäischen Ländern verlegt. Im Land Bremen gibt es knapp 800 Steine, davon 120 in Bremerhaven.

Wir können nicht für jedes Opfer einen Stolperstein verlegen, das ist logistisch nicht machbar und illusorisch. Aber das Projekt ist noch lange nicht am Ende.

Tobias Peters sitzt in einer Bibliothek und hält einen Stolperstein in den Händen.
Tobias Peters, Landeszentrale für politische Bildung

Warum werden Jahrzehnte nach Ende des NS-Regimes noch neue Stolpersteine verlegt?

Das Projekt ist laut Peters das "größte dezentrale Mahnmal der Welt" und hat eine ganze andere Wirkung als ein Museum oder eine andere Gedenkstätte, denn dort müsse man aktiv hingehen. Doch Stolpersteine liegen in ganz in Europa verteilt und könnten gesehen werden.

Und "wenn wir sehen, was politisch in diesem Land und in Europa los ist, ist es extrem wichtig, über die Geschichte zu lernen, was damals war, um wiederum die Schlüsse für die heutige Gesellschaft zu ziehen", erklärt Peters.

Was erhofft man sich von dem Projekt?

Die Hoffnung ist, dass die Menschen emotional über die Steine stolpern. Im besten Fall bleiben sie stehen und gedenken den Opfern. Peters selbst versucht die Steine nicht zu betreten und liest die Inschrift. Er hofft, dass die Menschen die Steine bemerken und sich dann fragen, wer der Mensch ist, der in dem Haus hinter dem Stein gelebt hat ganz nach der Idee des Künstlers: "Die Namen der Opfer dorthin zurück zu bringen, wo ihre Heimat gewesen ist."

Wie kommt das Projekt in Bremen an?

"Wir haben in Bremen einen großen Rückhalt in der Gesellschaft und auch in der Politik", berichtet Peters. Dennoch gebe es auch Einzelfälle, wo die Anwohner mit der Verlegung nicht einverstanden sind. Dann überzeugt das Projekt im persönlichen Kontakt. Gegen die Verlegung der Steine können Privatpersonen aber nichts machen, da die Steine nur auf öffentlichen Gehwegen verlegt würden und es dafür eine Genehmigung gebe, so Peters.

Gleichzeitig gibt es auch Kritik, da man – bildlich gesprochen – auf die Erinnerung an die Opfer trampeln würde.

Wer finanziert die Steine?

Das Projekt ist spendenbasiert und läuft über ehrenamtliches Engagement. Es gibt Stein- und Putzpatenschaften. Oft kümmern sich auch die Menschen um den Stein, die jetzt in den Häusern wohnen. Offizieller Träger ist die Landeszentrale für politische Bildung und der Verein "Erinnern für die Zukunft" sowie der Initiativkreis Stolpersteine.

Wer entscheidet, wer einen Stolperstein bekommt und was steht dann auf dem Stein?

Die Stolpersteine von Ella Meyer und Pauline Cohen.
Mit so einer Aufschrift erinnern die Stolpersteine. Bild: Radio Bremen

Hinter jedem Stein stecken persönliche Geschichten und Schicksale, aber auch eine Menge Recherche. Der Initiativkreis Stolpersteine bereitet die Biografien der Opfer des NS-Regimes auf, geht in Archive und schaut, wo welche Steine verlegt werden können. Manchmal gibt es auch Hinweise aus der Bevölkerung, wo zum Beispiel Urgroßeltern gelebt haben.

Jede Messingtafel stellt der Künstler Gunter Demnig seit Jahren selbst her. Der Stein gibt Infos über die Namen, das Alter und das Schicksal des Opfers. Der Ort, wo ein Stein liegt, gibt Infos über den letzten Wohnort der Personen.

Bianca Marstaller im Studio vor einem Bild mit Bremer Stolpersteinen

Wer steckt hinter den Stolpersteinen in Bremen?

Rund 800 Stolpersteine gibt es in Bremen. Sie werden von Hand verlegt und regelmäßig geputzt. Ohne ehrenamtliche Helferinnen und Helfer würde es das Projekt wohl nicht geben.

Quelle: Radio Bremen

Autorin: Bianca Marstaller

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. Januar 2024, 19:30 Uhr