Interview

Neuer Bremer Feuerwehrchef warnt vor pauschalen Verurteilungen

Der neue Leiter der Bremer Feuerwehr Philipp Heßemer
Philipp Heßemer wird zum 1. April 2021 neuer Leiter der Bremer Feuerwehr. Bild: Feuerwehr Bremen

Nach den Turbulenzen bei der Bremer Feuerwehr steht der neue Chef Philipp Heßemer vor großen Aufgaben. Ein Neuanfang soll her, doch wie will der 40-Jährige das angehen?

Die Vorwürfe gegen einige Mitarbeiter der Bremer Feuerwehr wiegen schwer. Chats mit rechtsradikalen Inhalten, Diskriminierung, Mobbing. Wie gehen Sie damit um?

Ich will den Ermittlungsbericht nicht vorwegnehmen. Es gibt aber ja einen Zwischenbericht. Demnach gibt es zumindest keine Hinweise darauf, dass es sich in Bremen um ein rechtes Netzwerk handelt. Dennoch steht außer Frage, dass sich hier an einigen Stellen Mitarbeiter eindeutig nicht korrekt verhalten haben. Dennoch können solche Probleme überall auftreten. Ich hatte in Köln auch mit Mitarbeitern zu tun, die dienstrechtlich und strafrechtlich Grenzen überschritten haben. Große Organisationen repräsentieren eben auch einen Querschnitt der Gesellschaft.

Wie wollen Sie in Bremen verhindern, dass es erneut zu solchen Verfehlungen kommt?

So wie ich es bislang erfahren habe, sind sehr viele Leute bei der Feuerwehr Bremen tief betroffen über das, was passiert ist. Dies gilt für die direkt Betroffenen selber und was ihnen widerfahren ist. Ihnen muss geholfen werden. Und so weit ich das beurteilen kann, haben da auch die Mechanismen gegriffen. Darüber hinaus gibt es viele Feuerwehrangehörige, die jetzt unter dem medialen Druck leiden. Über sie werden Dinge gesagt, die für sie persönlich gar nicht zutreffen. Wir müssen daher auch darauf achten, dass es nicht zu pauschalen Verurteilungen kommt. Ich bin Feuerwehrmann seit meiner Jugend. Und es würde mich schon sehr wundern, wenn nur Rassisten und homophobe Menschen bei der Feuerwehr Bremen arbeiten würden. Dennoch müssen wir alle Mitarbeiter sensibilisieren, damit Rassismus, Sexismus oder Mobbing sich nicht wiederholen – das beginnt schon in der Ausbildung. Aber auch ein starker Personalrat und ein starkes Beauftragtenwesen, also zum Beispiel die Frauenbeauftragte, sind wichtig.

Haben Sie die Frauenquote der Bremer Feuerwehr im Kopf?

Ich habe eine Zahl im Kopf, aber exakt habe ich das jetzt nicht parat. So wie bei anderen Feuerwehren auch, liegt die Quote eher im einstelligen Prozentbereich.

Gibt es eine Zielquote, die Sie erreichen wollen?

Nein. Mir ist das auch von anderen Feuerwehren nicht bekannt. Das liegt auch daran, dass es bislang oft schwierig war, Frauen als geeignete Bewerberinnen anzusprechen. Denn die Feuerwehr rekrutiert bislang meist Bewerber aus handwerklichen Berufen. Das heißt, wer zur Feuerwehr geht muss vorher einen handwerklichen Beruf gelernt haben. Und dann sattelt man die Feuerwehrausbildung drauf. Und da es bei Tischlerinnen und Tischlern oder Maurerinnen und Maurern ähnliche Geschlechterverhältnisse geben dürfte, spiegelt sich dieser Frauenanteil letztlich auch in den Feuerwehren wider.

Wie ließe sich das ändern?

Eine Chance für die Zukunft ist, dass seit ein paar Jahren auch der Beruf des Notfallsanitäters und der Notfallsanitäterin als vollwertige Berufsausbildung anerkannt wird. Das erweitert den Bewerberkreis der Feuerwehr. Ich hoffe, dass sich so auch mehr Frauen bei uns bewerben.
Dennoch bleibt manche Hürde. Denn bei der Feuerwehr spielen die körperlichen Voraussetzungen nun mal eine wichtige Rolle. Man ist im Feuerwehreinsatz aufeinander angewiesen. Und wenn es zu einer kritischen Situation kommt, dann müssen sich die Feuerwehrangehörigen auch physisch auf den Partner oder die Partnerin verlassen können. Rein körperlich tun sich Frauen damit oft etwas schwerer als Männer.

In nur sieben von 19 Feuerwehrhäusern in Bremen gibt es bislang getrennte Umkleiden. Ist das etwas, was Sie schnell ändern wollen?

In einigen Fällen kann man das sicher schon organisatorisch lösen. Bei manchen Gebäuden könnten allerdings bauliche Anforderungen und Richtlinien für Hygiene und Arbeitsschutz kurzfristige Umbauten erschweren. Dann dauert es möglicherweise Jahre, bis ein Umbau abgeschlossen ist. Wenn Gebäude allerdings nicht mehr geeignet sind, den Anforderungen an ein breites Mitarbeiterspektrum Rechnung zu tragen, dann müssen wir diese Dinge als Arbeitgeber zur Verfügung stellen.

Nicht nur die Gebäude, auch die Technik der Bremer Feuerwehr dürfte für Sie als gelernter Ingenieur von großem Interesse sein. Wie steht die Bremer Feuerwehr diesbezüglich da?

Ich bin zwar Ingenieur, aber nicht vernarrt in große Feuerwehrautos und Technik. Ich finde es wichtig, dass man gut ausgerüstet ist, wehre mich aber auch immer gegen Spielereien. Es gilt Augenmaß zu wahren und zu wissen, was auch mal nicht erforderlich ist. Bei der technischen Ausstattung in Bremen gibt es an der ein oder anderen Stelle sicher ein bisschen Luft nach oben. Das gilt aber genauso für andere Feuerwehren. Und was man auch sagen muss, ist, dass in den letzten Jahren von der Stadt auch etwas getan wurde, zum Beispiel ein Fahrzeugbeschaffungsprogramm. Und die Fahrzeuge, die ich auf der Feuerwache 1 gesehen habe, scheinen mir für die Anforderungen einer Großstadtfeuerwehr durchaus angemessen zu sein.

Die Einsatzjacken der Bremer Feuerwehr.
Die Frauenquote ist nicht nur bei der Bremer Feuerwehr niedrig. Bild: Radio Bremen

Sie stehen für einen Generationenwechsel, hieß es bei Ihrer Vorstellung.

Ja, ein Auswahlkriterium war sicherlich, dass ich zwar mit gerade 40 Jahren noch relativ jung bin, gleichzeitig aber schon viel Berufs- und vor allem Leitungserfahrung habe. In Köln habe ich zuletzt eine Abteilung geleitet.

Ticken jüngere Feuerwehrleute anders als die Älteren?

Ich weiß nicht, ob sie ihren Beruf anders sehen. Ich merke aber, dass diejenigen, die ich auch zuletzt in Köln eingestellt habe und die vielleicht 20 Jahre alt sind, dass diese am Arbeitsmarkt die freie Auswahl haben. Und so fühlen sie sich auch in einer starken Position gegenüber ihrem Arbeitgeber. Dieses Selbstbewusstsein, das nehme ich bei den jungen Mitarbeitern schon war. Sie stellen hohe Anforderungen. Da muss man sich als Arbeitgeber schon strecken.

Nennen Sie mal ein Beispiel.

Nun, grundsätzlich ist der Rahmen, den die Feuerwehr bietet, enger als bei anderen Arbeitgebern. Bei uns steht nicht zuerst Kreativität, sondern Verfügbarkeit und verlässliche Leistungserbringung im Mittelpunkt. Und das bedingt eine spezielle Organisationsform, die sehr hierarchisch ist. Aufgaben müssen klar übertragen werden. Das steht natürlich einem ganz kreativen Ansatz ein bisschen entgegen. Die junge Generation wünscht sich da schon mal mehr Flexibilität. Und da müssen wir schauen, wo wir ihnen entgegenkommen können – in ihrer Lebenssituation oder was die Teilhabe bei Entscheidungen angeht.

Welche Möglichkeiten gibt es da?

Wenn ich mich mit Kollegen unterhalte, höre ich immer wieder, dass sie sich von den Informationen so ein bisschen abgeschnitten fühlen. Eine E-Mail an alle zu schicken, das reicht in Zeiten von Smartphones, Facebook und Instagram eben nicht mehr. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter das Gefühl haben, an den wesentlichen Dingen teilzuhaben. Wo sie eingebunden werden können, sollten sie daher auch eingebunden werden.

Mehr zum Thema:

Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 3. Februar 2021, 19:30 Uhr

Archivinhalt