Streit um Wohnungen für Obdachlose in Bremen-Osterholz

Ein Mann mit grauem Pullover sitzt im Regen auf dem gepflasterten Bode mit einem Schirm, im Hintergrund ein Stand mit Waren

Streit um Wohnungen für Obdachlose in Bremen-Osterholz

Bild: dpa | Ingo Wagner

Der Senat will in kleinen Wohneinheiten Obdachlose langfristig unterbringen. Die Menschen sollen eng betreut werden. Trotzdem haben die Anwohner Sorge, dass der Frieden gestört wird.

"Housing First" nennt sich das Konzept und war am Montagabend Thema in der Beiratssitzung im Bremer Stadtteil Osterholz. Die war gut gefüllt, knapp 100 Besucherinnen und Besucher hatten die Einladung des Ortsbeirates angenommen und wollten ihren Frust und ihre Sorgen öffentlich machen. Die Stimmung war angespannt, denn diejenigen die gekommen waren, sind mit den Plänen des Bremer Sozialressorts nicht einverstanden. Auf einem leeren Grundstück sollen neun Bungalows entstehen mit kleinem Garten und eine Wohnfläche von 30 Quadratmetern. Diese sollen an wohnungslose Menschen in Bremen vermietet werden.

Was im ersten Moment richtig und wichtig klingt, schürt bei einigen Anwohnern, wie Engin Akgüs, Ängste. "Es soll nicht falsch rüberkommen, dass ich ein Unmensch bin, aber es ist nun mal Fakt, dass die Vergangenheit gezeigt hat, dass davon 90 Prozent entweder Alkohol oder Drogen konsumiert haben – und das in einem reinen Wohngebiet." Das Risko ist Akgüs zu groß, dass sich die Menschen an Plätzen, wie Spielplätzen, Treffpunkte suchen, wie er buten un binnen weiter sagte. "Und das möchte ich nicht."

Besorgnis bei Anwohnern

Staatsrat Jan Fries (Die Grünen)
Staatsrat Jan Fries sagte den Anwohnern weitere Gespräche zu. (Archivbild) Bild: Radio Bremen

Dass 90 Prozent der Obdachlosen alkohol- oder drogenabhängig sind – das lässt sich nicht bestätigen. Trotz der Übertreibung spricht Engin Akgüs vielen Besuchern der Beiratssitzung aus der Seele. Auch Yvonne Sogholl. Sie wohnt direkt neben dem Grundstück, auf dem das Projekt entstehen soll. Sollten dort bald Obdachlose wohnen, hätte sie Angst abends oder in der Nacht da vorbeizulaufen. Man wisse nicht, wer da einziehen wird, sagt sie. "Die Leute werden nicht umsonst obdachlos. Es gibt viele Krisen, die sie hinter sich haben oder gar Traumata oder 'ne Suchtvergangenheit oder waren vielleicht mal im Gefängnis oder haben einen schlimmen Rosenkrieg hinter sich, der auch traumatisiert hat. Das heißt, keiner lebt freiwillig auf der Straße, denke ich."

So wie da jetzt mit uns umgegangen wird, so kenne ich das in Osterholz nicht

Yvonne Sogholl, Anwohnerin in Osterholz

Sozialressort verspricht Unterstützung

Für sie ergibt "Housing First" nicht so viel Sinn. Denn ihrer Meinung nach bräuchte es eine engmaschige Betreuung. Das Konzept des Projekts sieht das aber auch vor, erklärt Jan Fries, Staatsrat im Sozialressort. "Dabei werden die aber nicht allein gelassen, sondern kriegen unterstützende Hilfen, sodass sie sich stabilisieren können und hoffentlich langfristig da wohnen können und irgendwann auch mit weniger Hilfen auskommen."

Jan Fries versucht, die Anwohner zu beruhigen und ihnen die Ängste zu nehmen, was aber meistens nicht klappt. Die Diskussion spitzt sich immer weiter zu und es fallen auch zum Teil unschöne Begriffe, die die Osterholzerin Brigitte Mühl fassungslos machen.

Ich bin sehr erschrocken über die Osterholzer Bürger. Also, das hat mit Menschenwürde nichts mehr zu tun. Es ist genauso wie es gesagt wurde, so ungefähr eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Wir und Die.

Brigitte Mühl, Anwohnerin in Osterholz

Behörde sagt weitere Gespräche zu

Es besteht also noch viel Redebedarf – und das soll jetzt in Angriff genommen werden. Das Sozialressort will sich mit den direkten Anwohnern treffen und ihnen alles bis ins kleinste Detail erklären. Denn diese Ängste, da sind sich Anwohner und der Beirat sicher, sind auch dadurch entstanden, dass die Behörde zu spät über ihre Pläne informiert hat. Im Mai sollen die Gespräche stattfinden. Und wenn alles gut geht und alle Ängste beseitigt worden sind, könnte dann im Herbst nächsten Jahres das Projekt entstehen.

Autor

  • Fabian Metzner
    Fabian Metzner

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 21. März 2023, 8:20 Uhr