Hintergrund

Lkw-Fahrer zu Unfällen: "Bei vielen fehlt das Gefahrenbewusstsein"

Feuerwehrleute bergen einen verunfallten Lkw auf der Autobahn 24.
Auffahrunfälle auf Autobahnen – das ist keine Seltenheit, wie Lkw-Fahrer Ralf Deinl täglich feststellt. (Archivbild) Bild: dpa | Ralf Drefin

Wieder ein schwerer Unfall auf der A1. Das ist keine Seltenheit, sagt ein Lkw-Fahrer zu buten un binnen. Er bemängelt fehlende Aufmerksamkeit auf den Autobahnen.

Stundenlang war die A1 nach einem schweren Auffahrunfall in der Nacht zu Donnerstag gesperrt. Ein Mensch kam ums Leben, ein anderer wurde schwer verletzt. Was die Ursache für das Unglück ist, ermittelt derzeit die Polizei.

Dass solche Unfälle keine Seltenheit sind, wissen Berufsfahrer, die viel unterwegs sind. Einer von ihnen ist Ralf Deinl. Täglich bekomme der 52-jährige Lkw-Fahrer mit, dass auf den Hauptrouten wie der A1 ein Laster auf ein Stauende fahre – zum Teil sogar mehrfach. Woran liegt das?

Die Schilderwagen mit den großen gelben Leuchtpfeilen, die bei verengten Fahrbahnen eingesetzt werden, seien quasi nicht zu übersehen. "Außer man ist abgelenkt", sagt Deinl. Etwa, weil jemand aufs Handy gucke oder sich einen Kaffee einschenke. "Das sehe ich jeden Tag, bei Lkw- und auch bei Pkw-Fahrern."

Beide Verkehrsteilnehmer schenken sich nichts.

Ralf Deinl, Lkw-Fahrer

Deinl ist festangestellter Lkw-Fahrer bei einem Großhandel für Papierbedarf. Einmal im Monat liefert er mit seinem 7,5-Tonner nach Bremen, ansonsten ist er viel im Ruhrgebiet unterwegs. Seit 1990 ist er als Lkw-Fahrer auf den Autobahnen unterwegs. Die Ablenkung durchs Handy habe zugenommen, sagt er. Dabei könne schon eine Sekunde Ablenkung reichen und es kommt zum Unglück.

Ein Schilderwagen auf der A2 in Richtung Osten.
Die Schilderwagen sind nicht zu übersehen, sagt der Lkw-Fahrer Ralf Deinl. Bild: Imago | Frank Sorge

Bei vielen Fahrern fehle es am Gefahrenbewusstsein, so Deinl. Bei Lkw-Fahrern komme gerade auf langen Strecken noch Übermüdung und Monotonie hinzu. Immerhin habe er in seinem Job regelmäßig etwas Abwechslung: Seine längsten Fahrten dauerten höchstens zweieinhalb Stunden, danach müsse er seinen Laster Be- oder Entladen. Das entlaste den Kopf.

Ein anderes Problem: Viele Lasterfahrer hielten den nötigen Sicherheitsabstand nicht ein, sagt Deinl. Ein Laster mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen müsse ab einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde mindestens 50 Meter Abstand zum Vordermann halten.

Auch der ADAC sieht fehlende Aufmerksamkeit am Steuer und zu geringe Sicherheitsabstände als Gründe für viele Unfälle. Ein großer Anteil von Auffahrunfällen könne durch automatische Notbremsassistenten (AEB) vermieden werden. Je nach Größe und maximaler Last sind sie seit einigen Jahren verbindlich vorgeschrieben. Sie sollen beim Fahren helfen, im Notfall die Notbremsung unterstützen oder gar selbstständig bremsen. Viele Lkw seien jedoch sehr lange in Betrieb, so der ADAC. Deshalb lasse sich nicht einschätzen, wie viele mittlerweile mit den Assistenten ausgestattet sind.

Zu technischen Hilfsmitteln wie etwa AEBs oder Abstandsregeltempomaten (ACC) hat Deinl gemischte Gefühle. Er habe diese Systeme in seinem 7,5-Tonner nicht installiert, würde sie aber gerne selbst einmal testen. Doch durch Gespräche mit Kollegen weiß er, dass diese von ihnen oft abgeschaltet würden. Denn sie bremsten den Fahrer oft zu stark aus – auch in Fällen, in denen das nicht nötig ist. Oft sei das lästig, könne aber auch gefährlich werden, wenn der Hintermann damit nicht rechne, sagt Deinl.

Der ADAC ist von der Wirkung der Notbremsassistenten überzeugt. Er fordert deshalb, dass sie gesetzlich stärker verankert werden sollen. Sie sollen außerdem nicht mehr abgeschaltet werden können – oder zumindest nicht mehr so leicht.

Rastplätze für Lkw-Fahrer sollen nicht ausreichen

Lkw-Fahrer Deinl sieht aber noch andere Stellschrauben, um das Unfallrisiko zu senken. Oft würde ohne Verständnis über müde Lkw-Fahrer gesprochen. Doch es fehle an Stell- und Rastplätzen, damit Lasterfahrer sich erholen könnten. Etwa müssten die Fahrer, nachdem sie ihre Ware bei einem Unternehmen abgeladen haben, sich noch einen Ruheplatz suchen – auf den Parkplätzen der Unternehmen sei das nämlich nicht erlaubt.

Der Druck in der Branche ist hoch, sagt Deinl. Das war auch schon vor Corona so. In der derzeitigen Lage würde er den Job nicht weiterempfehlen. Täglich habe er den Gedanken, ob er gesund nach Hause kommt. Auf die Frage, wie die Straße sicherer werden könne, hat er eine klare Antwort: "Es sollten sich mehr Leute an Paragraf eins der Straßenverkehrsordnung halten", sagt er. Ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Netter Nebeneffekt: "Dann läuft auch der Verkehr gleichmäßiger."

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Bild: Nonstopnews

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 20. Oktober 2022, 13 Uhr