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Mit Lipödem am Strand – ein befreiendes Foto-Shooting bei Oldenburg

Drei junge Frauen vergnügen sich im Wasser
Lipödem-Erkrankte können beim Fotoshooting "Urlaub vom Alltag" machen. Bild: Radio Bremen | Melanie Grabowski

Scham bestimmt das Leben vieler Menschen mit Lipödem. Mit der Aktion "Lipödem ist ein Arschloch" will eine Fotografin auf die oft quälende Krankheit aufmerksam machen.

Es gibt Krankheiten, die sind selbst für manche Ärzte neu und weitgehend unerforscht. Dann werden zwar Symptome behandelt, aber oft erst gar nicht die Ursachen erkannt. So ist es mit der Krankheit Lipödem – eine Fettverteilungsstörung, bei der es zur unkontrollierten Fettvermehrung vor allem an den Beinen, Hüfte, Gesäß, aber auch den Armen kommt. Betroffen sind in Deutschland geschätzt rund 3,8 Millionen Menschen, fast ausschließlich Frauen. Die Dunkelziffer könnte noch viel höher sein, weil die Krankheit oft gar nicht erkannt wird.

Nach heutigem Stand ist die einzige Option eine sogenannte Liposuktion, also eine Fettabsaugung. Das erkennen die Krankenkassen in den meisten Fällen allerdings nicht an. So quälen sich viele Betroffene jahrelang mit Physiotherapie, enger Kompressionsversorgung und starken Schmerzen durchs Leben. Die Krankheit schreitet immer weiter voran und keiner hilft. Fotografin Melanie Grabowski will mit einem Foto-Shooting Aufmerksamkeit schaffen.

  • Die Lipödem-Reportage zum Hören

    Mit der Aktion "Lipödem ist ein Arschloch" will eine Fotografin eine wenig bekannte, aber oft quälende Krankheit zeigen. Ein Shooting mit Betroffenen fand nun bei Oldenburg statt.

Aus Scham den Strand meiden

Melanie Grabowski hat deshalb ein Foto-Shooting bei Oldenburg organisiert. Sie fotografiert an diesem Tag mehr als 60 Frauen bei dem, was sie schon sehr lange nicht mehr gemacht haben: in der Öffentlichkeit am Strand sein, im See schwimmen und den Sommer genießen.

Die Fotografin sitzt am Strand
Melanie Grabowski will mit ihren Fotos aufklären. Bild: Radio Bremen | Sina Derezynski

Was für andere zu dieser Jahreszeit ganz normal ist, ist für Lipödem-Kranke kaum denkbar. Scham hält sie davon ab. Die Fotografin hat den Frauen einen Tag Urlaub versprochen und sie in den Beachclub eingeladen. Die Frauen sind teilweise Hunderte Kilometer aus ganz Deutschland angereist. Manche haben sich sogar extra einen neuen Badeanzug oder Bikini gekauft, erzählt Grabowski.

Es sind welche dabei, die erzählt haben, dass sie seit 15 Jahren keinen Badeanzug mehr anhatten und nicht mehr im Wasser waren. Und genau für die war es ja auch gedacht.

Melanie Grabowski, Fotografin

Die Fotografin Grabowski holt die Betroffenen vor ihre Kamera. Sie veranstaltet Foto-Shootings in ganz Deutschland. Und die Frauen, die sich sonst verhüllen, zeigen die Krankheit ganz offen. Dafür haben sie sich bei Oldenburg in einem Beachclub getroffen. Für viele war dieser Tag etwas ganz Besonderes.

Lipödem-Fotoshooting weckt Emotionen

Während der Aktion ist der Strand extra für das Fotoshooting für andere Besucher gesperrt. So können die Frauen sich frei von Blicken anderer bewegen – und den Tag ganz unbefangen erleben. Und für viele ist das ein besonderer Moment, der dann in Bildern festgehalten wird.

Wir haben ein paar Kandidaten, die schon geweint haben. Die nehmen wir mit. Aber das meiste ist Freude und das sollte auch im Vordergrund stehen. Das genießen auf jeden Fall.

Melanie Grabowski, Fotografin

Im Wasser wird geschwommen, gelacht, geplanscht und posiert. Auch Sandra Krause aus Dörverden ist dabei. Im Alltag ist die 46-Jährige wegen des Lipödems bei langen Strecken sogar auf einen Rollator angewiesen. Im Wasser kann sie sich ganz frei fühlen.

Einfach mal diese Minuten für sich, dieses Leben für sich. Einfach mal glücklich sein. Unter Gleichgesinnten zu sein, tut auch mal ganz gut.

Sandra Krause, Lipödem-Patientin

Betroffene fühlen sich allein gelassen

Selbstporträts einer Frau mit Lipödem
Sandra Krause links vor ihrer ersten Operation; rechts nach ihrer fünften OP. Bild: Radio Bremen | Sandra Krause

Die Diagnose Lipödem hat Sandra Krause seit 2015. Bis dahin dachte sie, sie wäre einfach stark übergewichtig. Warum vor allem ihre Beine immer größer wurden, konnte sie sich nicht erklären. Deshalb ist es ihr so wichtig, an diesem Shooting teilzunehmen. Sie möchte mit den Fotos, auf denen die Krankheit eindeutig zu sehen ist, aufmerksam machen.

Ich hätte mir damals Hilfe gewünscht, dass man mich an die Hand nimmt und mir Aufklärung gibt. Ich habe mich damals allein gelassen gefühlt mit dieser Diagnose.

Sandra Krause, Lipödem-Betroffene

Krause genießt diesen "Urlaubstag". Ihr Motto: "Alles was der Psyche guttut, kann meiner Gesundheit auch nur guttun." Unter dem Titel "Lipödem ist ein Arschloch" veröffentlicht Fotografin Grabowski die Fotos in den sozialen Medien. Die Idee zu dem Strandshooting kam ihr unter der Dusche. Vor Ort hält sie sich im Hintergrund und lässt ihren Models freien Lauf. "Das macht glaube ich auch den Zauber der Shootings aus."

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Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Porträt Sina Derezynski
    Sina Derezynski Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Vormittag, 5. Juli 2023, 11:40 Uhr