E-Scooter-Fahrten von Minderjährigen: Wer haftet eigentlich?

Kinder fahren zu dritt auf einem E-Scooter
Diese Nutzung eines Leih-Scooters ist weder nach Anbieter-AGBs noch nach Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung erlaubt. Bild: Imago | Jochen Track

Nicht jedem ist bewusst, dass Leihroller in Bremen und Bremerhaven erst ab 18 gefahren werden dürfen. Doch was passiert, wenn Jugendliche sich nicht daran halten?

Allein, zu zweit, zu dritt? Egal! Schon 18? Wen interessiert's? Auf Leih-Scootern kennen manche Jugendliche keine Regeln und Grenzen. Vielen ist gar nicht bewusst, was erlaubt ist – und was nicht.

Vor allem die Tatsache, dass Leihroller in Bremen und Bremerhaven – anders als E-Roller im Privatbesitz – erst im Alter von 18 Jahren gefahren werden dürfen, ist vielen Bremerinnen und Bremern offenbar unbekannt. Dabei steht dies in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter Bolt, Lime und Tier.

Anbieter nutzen Zahlungsdienst als Zugangshürde

"Das Ausleihen unserer E-Scooter ist erst möglich, wenn Sie geschäftsfähig sind und ein geeignetes Zahlungsmittel in der App hinterlegt haben, für dessen Nutzung Sie ebenfalls 18 sein müssen", sagt Jan Kronenberger, Sprecher des E-Roller-Anbieters Bolt. Ein Ausleihen durch Minderjährige sei daher nur möglich, wenn Fahrerinnen und Fahrer zum einen gegen die AGBs des Unternehmens verstießen und unerlaubt eine Kreditkarte oder PayPal benutzten.

Ähnlich argumentieren auch die anderen Anbieter in Bremen und Bremerhaven. "Da zur Nutzung der App eine Kreditkarte hinterlegt werden muss, ist das Ausleihen für Minderjährige schwierig und eigentlich nur zusammen mit den Eltern möglich", sagt Lime-Sprecherin Sarah Schweiger.

Polizei und Ordnungsamt sind nicht zuständig

Dennoch gehört es mittlerweile zum Stadtbild, dass Jugendliche mit den Leih-Scootern durch die Straßen rollen. "Die einfache Lösung wären strengere Kontrollen seitens der Zahlungsmittel-Anbieter wie Paypal, ob das Mindestalter von 18 erfüllt ist", sagt Tier-Sprecher Patrick Grundmann. Wichtig seien auch stärkere Kontrollen durch die Eltern und Erziehungsberechtigten der minderjährigen Nutzer. "Zudem befürworten und unterstützen wir natürlich auch Kontrollen seitens der Polizei", sagt der Tier-Sprecher.

Doch ist die Polizei überhaupt zuständig? "Nein", sagt Lorenz Kähler, Rechtswissenschaftler der Uni Bremen. Es sei nicht Aufgabe von Polizei oder Ordnungsamt, zu kontrollieren, ob AGBs eingehalten würden. "Etwas anderes ist es, wenn die Jugendlichen jünger als 14 Jahre alt sind", sagt Kähler. Denn dann würden sie gegen die bundesweit gültige Rechtsordnung verstoßen, derzufolge das Fahren eines E-Rollers erst im Alter von 14 Jahren erlaubt sei. Aber selbst in solchen Fällen sei es – wie beim aufgesetzten Parken – stets auch eine Erwägungssache.

Man kann es so formulieren: Die Ordnungshüter müssen ein Einschreiten in Erwägung ziehen.

Lorenz Kähler, Rechtswissenschaftler der Uni Bremen

Diese Auffassung teilt auch Parsya Baschiri, Rechtsexperte der Bremer Verbraucherzentrale. "Ordnungsamt und Polizei überprüfen nur, ob die Nutzerinnen und Nutzer fahrtüchtig sind oder ob sie durch ihr Verhalten eine Gefahr für die anderen Verkehrsteilnehmenden darstellen", sagt er. Der Verbraucherschützer sieht die Anbieter in der Pflicht, die Altersbeschränkung zu kontrollieren – und gegebenenfalls Nutzerkonten zu sperren.

Anbieter gehen mit KI gegen Verstöße vor

Genau dies finde auch schon statt, sagt Bolt-Sprecher Kronenberger. "Wer gegen unsere Regeln verstößt und wen wir auf Basis des User-Profils identifizieren können, dem geben wir Strafzahlungen weiter und behalten uns Abmahnungen sowie Profilsperrungen vor." Das gelte auch für unerlaubtes Parken und andere Verstöße.

Zwei jugendliche Mädchen fahren zusammen auf einem E-Scooter
Anbieter drohen mit Profilsperrungen, wenn die Nutzungsregeln für E-Scooter verlezt werden. Bild: Imago | Michael Gstettenbauer

Gegen Probleme, wie etwa Fahren unter Alkoholeinfluss, habe Bolt inzwischen sogar einen Anti-Alkohol-Geschicklichkeitstest in die App integriert, der bei Großevents wie Silvester verpflichtend sei. Tandem-Fahrten versucht der Anbieter hingegen KI-basiert zu erkennen und zu unterbinden.

Ganz ausschließen lassen sich Verstöße bislang allerdings nicht. "In Einzelfällen kommt es vor, dass eine Fahrerin oder ein Fahrer vergisst, den E-Scooter nach der Fahrt zu sperren", sagt Lime-Sprecherin Schweiger. Wenn jemand diesen E-Scooter finde, bevor unser System erkennt, dass er nicht mehr in Gebrauch ist und sperrt, könne diese Person ihn ohne Altersnachweis auf Kosten des vorherigen Fahrers fahren, bis dieser das Problem bemerke.

Eltern kann ein Verschulden zur Last gelegt werden

Doch wer haftet, wenn bei einer unerlaubten Fahrt ein Unfall passiert? Es haftet der Unfall- beziehungsweise Schadenverursacher, heißt es beim Anbieter Lime.

Wenn Jugendliche oder Kinder für einen Unfall verantwortlich sind, kann das auch für Eltern Folgen haben, sagt Verbraucherschützer Parsya Baschiri. Wird Minderjährigen die Nutzung von Zahlungsmitteln wie Kreditkarten von den Eltern erlaubt, müssten die Eltern auch kontrollieren, wofür die Zahlungsmittel genutzt würden.

Dabei könnte auch den Eltern ein Verschulden zur Last gelegt werden

Parsya Baschiri, Verbraucherzentrale Bremen

"Es kommt auch darauf an, ob Eltern ihre Aufsichtspflicht erfüllt haben", sagt Rechtswissenschaftler Lorenz Kähler. So machten Eltern grundsätzlich nichts falsch, wenn sie ihr Kind allein durch die Stadt laufen ließen. Anders sei es, wenn die Eltern wüssten, dass das eigene Kind schon in der Vergangenheit mit einer gestohlenen Kreditkarte beim unerlaubten E-Scooter-Fahren erwischt worden sei und sie dies weiterhin duldeten. "Spätestens dann haben sie die Aufsichtspflicht verletzt – und dann haften sie auch."

Nützlich oder unnötig? Das denken die Bremer über E-Scooter

Bild: Radio Bremen

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