Wie sich Bremerhaven gegen den Lehrermangel stemmt

Lehrer als weiße Silhouette vor einer Tafel unterrichtet vor Schülern mit ARD-Themenlogo
Die GEW in Bremerhaven befürchtet, dass das Land nicht genügend gegen den Lehrermangel unternimmt. Bild: Imago | Westend61/Montage

Der Lehrermangel wird immer dramatischer. Mit Kinospots, Stipendien und Quereinsteigern geht Bremerhaven engagiert dagegen vor. Aber wird das am Ende reichen?

In Deutschland fehlen nach aktuellen Zahlen 25.000 bis 50.000 Lehrer. In Bremerhaven waren es laut Schulamt zum Schuljahresbeginn 40 Lehrkräfte – elf mehr als ein Jahr zuvor. Der Lehrermangel könnte aber noch viel dramatischer sein: Nicht 40, sondern rund 100 Lehrkräfte fehlten, glaubt Bernd Winkelmann, Vorstandssprecher der Lehrergewerkschaft GEW in Bremerhaven. Eigentlich, so rechnet Winkelmann, müssten die Schulen eine Versorgungsquote von 105 Prozent erreichen. Erst dann seien sie beispielsweise auch gegen Krankheitswellen gewappnet.

Von so einer Versorgung ist die Stadt in den Augen vieler Schüler und Lehrer offenbar weit entfernt. In den vergangenen Jahren haben Demos gegen Unterrichtsausfall und für mehr Bildung immer wieder Tausende auf die Straße gebracht.

Lehrermangel wachsendes Problem

Sogenannte Mangelfächer sind neben Mathematik vor allem Kunst, Musik und Sport. Für Bernd Winkelmann ist das wenig überraschend, habe doch die Universität Bremen erst 2013 den Studiengang Sport eingestellt. Schulstadtrat Michael Frost (parteilos) macht gerade der Mangel in diesen Fächern mehr als nachdenklich. "Seit Pisa beschäftigen wir uns mit Mathe, Englisch, Deutsch. Das ist der Schwerpunkt. Aber ich glaube, dass diese sogenannten 'soft skills' oder der Anteil der kulturellen Bildung deutlich verstärkt in den Blick genommen werden müssen."

Schuldezernent Michael Frost in einem Klassenraum
Schulstadtrat Michael Frost hat Schwierigkeiten, die freien Lehrerstellen zu besetzen – dabei ist auch das Image der Stadt ein Problem. Bild: RadioBremen | Joschka Schmitt

Fast überall kämpfen die Schulen einerseits mit den Folgen von Pensionierungswellen, andererseits mit zu niedrigen Absolventenzahlen. In Bremerhaven werden nach Angaben der Stadt in den nächsten zehn Jahren allein 315 der insgesamt 1.196 Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand gehen. Und das bei wohl weiter steigenden Schülerzahlen. Aber: "Es gibt praktisch keinen überregionalen Stellenmarkt mehr", sagt Bremerhavens Schulstadtrat Michael Frost. Ein weiteres Problem speziell für Bremerhaven: Die Stadt habe oft das Nachsehen, weil sie ein schlechtes Image habe und als nicht besonders attraktiv gelte.

Wir befinden uns in einem harten Wettbewerb und müssen zur Kenntnis nehmen, dass junge Menschen sich entscheiden können: Wo wollen sie leben - in Berlin oder in Bremerhaven?

Michael Frost, Schulstadtrat in Bremerhaven

Kino-Werbung, Stipendien, Quereinsteiger

Dabei sieht Frost in Bremerhaven viele Vorzüge. Die will er künftigen Lehrern nahebringen – und sie an die Stadt binden. Ein eigens produzierter Kino-Werbespot sollte vor einigen Jahren angehende Lehrer nach Bremerhaven locken. Heute hätte so etwas keinen Zweck mehr, sagt Frost. Der Markt sei leergefegt. Die Stadt wirbt deswegen seit 2017 mit Stipendien. Bewerber mussten weder aus dem Land Bremen kommen, noch hier studieren. Sie mussten sich aber bereiterklären, nach dem Studium in Bremerhaven zu arbeiten. Das war ein Erfolg, bilanziert Frost. Im letzten Durchgang haben sich demnach 19 Nachwuchs-Lehrkräfte beworben, 18 davon kamen aus Bremerhaven und einer aus Bremen.

Auch finanzielle Anreize sollen locken: Grundschullehrer bekommen schrittweise das gleiche Gehalt wie Lehrer der weiterführenden Schulen. Außerdem werden Quereinsteiger aus anderen Branchen für den Lehrerberuf qualifiziert. Mittlerweile machen Quereinsteiger bereits ein Drittel der Lehrkräfte in Bremerhaven aus. Als die Stadt kürzlich 70 neue Lehrkräfte eingestellt hat, waren darunter alleine 40 Quereinsteiger. Ohne sie würde es gar nicht mehr gehen, sind sich Schulstadtrat und Gewerkschaftschef einig. Die Kollegen gingen mit großer Energie an die Arbeit, lobt Winkelmann. Sie brauchten allerdings noch Hilfe in Didaktik und Methodik.

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Aus Quereinsteigern müssen gute Pädagogen werden

Fachlich seien die Quereinsteiger meist gut aufgestellt, beobachtet auch Schulstadtrat Frost – entscheidend sei aber, ob es ihnen gelinge, ihr Wissen auch zu vermitteln. Die Stadt hilft bei der Weiterbildung, etwa am Lehrerfortbildungsinstitut (LFI). Die Quereinsteiger stellen die Schulen vor neue Herausforderungen: Vielerorts fehlten für sie Mentoren und Mentorinnen, beklagt Winkelmann. Doch insgesamt lobt er die Anstrengungen der Stadt und vor allem des Schulamtes.

"Ich finde die Dinge, die die Stadt jetzt in die Wege geleitet hat, außerordentlich gut. Herr Frost tut da wirklich das Mögliche, was er machen kann", sagt Winkelmann. Das Problem sei, dass die Fehlentscheidungen der Vergangenheit jetzt auf Frosts Schreibtisch landeten – vor allem die vom Land getroffenen Fehlentscheidungen, etwa bei der Uni Bremen: "Die Universität kommt ihrer Verpflichtung nicht nach, ausreichend Lehrer auszubilden – und das schon seit geraumer Zeit", findet der Gewerkschafter.

Winkelmann sieht nun das Land, aber auch den Bund in der Pflicht. Sie müssten die Universitäten in die Lage versetzen, genügend neue Lehrkräfte auszubilden. Er mahnt, die Weichenstellungen grundsätzlich zu überdenken:

Man muss sich gesellschaftspolitisch entscheiden: Ist das ein wichtiger Bereich – oder ist das ein Bereich, der weiter vor sich hin dümpelt? Mit dem Ergebnis, dass sich die Situation an den Schulen und in den pädagogischen Einrichtungen noch weiter verschlechtert und verschärft.

Bernd Winkelmann
Bernd Winkelmann, GEW Bremerhaven

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Autorin

  • Catharina Spethmann
    Catharina Spethmann

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. November 2019, 19.30 Uhr

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