Fragen & Antworten

Mit oder ohne Anwalt: Wie Bremer Eltern Kitaplätze einklagen können

Eine Erzieherin hilft in der Kita Kindern beim Anziehen.
Wohl dem, der sein Kind morgens zur Kita bringen kann. Nicht wenige Mütter und Väter in Bremen haben keinen Betreuungsplatz für ihr Kind im laufenden Kindergartenjahr bekommen. Bild: dpa | Oliver Berg

In Bremen fehlen 1.300 Kita- und Krippenplätze. Dabei haben Eltern einen rechtlichen Anspruch auf die Betreuung ihrer Kinder. So bekommen sie doch noch einen Kitaplatz.

Noch in dieser Legislaturperiode, also innerhalb der kommenden vier Jahre will der Bremer Senat dafür sorgen, dass es für alle Krippen- und Kita-Kinder in Bremen tatsächlich auch Krippen- und Kita-Plätze gibt. Dieses Ziel hat Senatorin Sascha Aulepp (SPD) im Gespräch mit buten un binnen ausgegeben.

Ein schwacher Trost für jene gut 1.300 Kinder in der Stadt Bremen, die aktuell ohne Betreuungsplatz dastehen, obwohl sie doch einen Rechtsanspruch darauf haben. buten un binnen erklärt, was betroffene Eltern unternehmen können, um ihre Kinder trotz Absage doch noch in der Kita oder der Krippe unterzubringen.

Ein Vater sitzt mit seinem Kleinkind im Home Office.
Kinderbetreuung im Homeoffice: Eine Notlösung mangels Krippenplatz, die längst nicht für alle Väter in Frage kommt. Bild: dpa | Christin Klose

Welche Kinder haben einen Anspruch auf einen Kita-Platz?

Alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, die noch nicht zur Schule gehen. Ihr Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ist in Paragraph 24 des achten Buchs des Sozialgesetzbuches geregelt. Bis zum dritten Lebensjahr haben sie einen Anspruch auf einen Platz in einer Krippe, danach auf einen Platz in einem Kindergarten.
 
Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz des Kindes gilt unabhängig von der Frage, ob die Eltern arbeiten oder nicht, betont der Bremer Rechtsanwalt Steffen Speichert. "Sogar Kinder, die noch nicht ein Jahr alt sind, haben Anspruch auf einen Betreuungsplatz, wenn es dafür besondere Gründe gibt", fügt er hinzu. Dabei könne es sich beispielsweise um berufliche Erfordernisse handeln.

Welche Entfernungen zum Kita-Platz und welche Einschränkungen bei Betreuungszeiten müssen Eltern in Kauf nehmen?

Der Anspruch auf einen Kita-Platz für das Kind gilt nicht für einen Platz in der Wunschkita. Allerdings dürfen sich die Eltern aussuchen, ob sich der Kita-Platz in der Nähe ihres Wohnorts oder in der Nähe des Arbeitsplatzes befinden soll. "Als Faustregel gilt, dass die Eltern den Kita-Platz in maximal 30 Minuten erreichen können müssen", so Speichert. Im Normalfall treffe dies auf Kita-Plätze im Umkreis von rund fünf Kilometern zu. In Ausnahmefällen könne aber auch eine Entfernung von zehn Kilometern zumutbar sein.

"Der Regelanspruch auf Betreuung liegt in Bremen und Niedersachsen bei sechs Stunden pro Tag", sagt Speichert. Je nach individueller Lage hätten Eltern unter Umständen aber auch Anspruch auf eine längere Betreuung ihrer Kinder.

Angenommen Eltern bekommen eine Absage aus der Bildungsbehörde. Was sollten sie nun unternehmen, um ihr Kind doch noch unterzubringen?

Wer in Bremen ein Kind für eine Kita oder eine Krippe anmelden möchte, muss das üblicherweise im Januar für das kommende Kindergarten-Jahr erledigen, das grundsätzlich am ersten August beginnt. Absagen trudelten erfahrungsgemäß meist Ende März bei den Eltern ein, berichtet Steffen Speichert, der nach eigenen Angaben schon viele Eltern in einer derartigen Lage vertreten hat. Er empfiehlt den Betroffenen, umgehend nach Erhalt der Absage einen Rechtsanwalt aufzusuchen. "Das würde ich auch im Falle einer vorläufigen Ablehnung so machen", sagt Speichert.

Im Regelfall werde der Anwalt umgehend einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht einreichen und direkt auf Verschaffung eines Betreuungsplatzes in einer städtischen Kita oder Krippe klagen. Typischerweise dauere es dann weitere sechs bis acht Wochen, bis das Urteil des Gerichts stehe. "Die Gegenseite verliert fast immer", so Speichert. Und weil sich die Rechtsprechung nicht für den Einwand interessiere, dass es keinen Platz oder kein Personal zur Betreuung gebe, müsse die Stadt in der Folge den Gerichtsbeschluss umsetzen und den Klägern einen Betreuungsplatz für ihr Kind anbieten. Einige wenige freie Plätze, die nicht auf dem Portal der Kita Bremen ausgewiesen sind, halte die Stadt ohnehin permanent vor, so der Rechtsanwalt. "Sie sind beispielsweise für Zugezogene gedacht", erklärt er die Hintergründe.

Was kostet es Eltern, einen Rechtsanwalt mit dem Verfahren zu betrauen?

Das hängt üblicherweise von dem Zeitaufwand ab, den die Anwältin oder der Anwalt betreiben muss. Seine Mandanten müssten im Mittel mit Kosten von etwa 1.400 Euro rechnen, von denen – im Erfolgsfall – die unterlegene Gegenseite allerdings rund 550 Euro übernehmen müsse, so Speichert.

Eine Erzieherin spielt mit Kindern in einer Kinderkrippe
Die Betreuung von Kindern in der Krippe ist besonders personalintensiv. In der Stadt Bremen fehlen derzeit knapp 800 Krippenplätze. Bild: dpa | Stefan Puchner

Was können Eltern unternehmen, die es sich nicht leisten können, mithilfe eines Rechtsanwalts einen Kita-Platz für ihr Kind einzuklagen?

Das Verwaltungsgericht Bremen weist auf die Möglichkeit hin, Prozesskostenhilfe beim Verwaltungsgericht zu beantragen. Hierzu müsse man allerdings seine persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse offenlegen. Nach einem geeigneten Rechtsbeistand könne man anschließend mithilfe der Anwaltskammer suchen.

Alternativ dazu kann man auch ohne Rechtsbeistand eine Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. Hierzu müssen Betroffene die Rechtsantragstelle des Gerichts aufsuchen, die sie kostenlos bei der Formulierung der Klage unterstützt, ohne allerdings beratend tätig werden zu dürfen. Weitere Informationen zu diesem Verfahren stehen auf dieser Website.

1.300 Kinder im laufenden Kindergartenjahr ohne Kita- beziehungsweise Krippenplatz – das ist eine große Zahl. Was sagt die Behörde: Wird es dabeibleiben?

Nein, sagt Aygün Kilincsoy, Pressesprecher des Ressorts für Kinder und Bildung, und verweist auf die Erfahrungen aus dem Vorjahr: So seien 2022 in den ersten zwei Monaten des Kitajahres noch etwa 1.000 Betreuungsverhältnisse neu hinzugekommen: einige aufgrund kurzfristiger Änderungen, andere wegen neu verfügbarer Fachkräfte, die zu Beginn des Kindergartenjahrs noch fehlten, wieder welche aufgrund planmäßiger späterer Aufnahmen in den Kitas. Wie deutlich sich solchen Entwicklungen dieses Jahr bemerkbar machen werden, lasse sich zwar nicht einschätzen, sagt Kilincsoy, zeigt sich aber zuversichtlich: "Insgesamt ruckelt es sich noch zurecht."

Wie viele Verfahren, in denen Eltern einen Betreuungsplatz für ihr Kind einklagen wollen, laufen derzeit am Verwaltungsgericht Bremen?

Wie Jens Bogner, Pressesprecher des Verwaltungsgerichts Bremen, mitteilt, sind derzeit noch fünf Verfahren beim Verwaltungsgericht Bremen anhängig, in denen Eltern einen Betreuungsplatz in einer Kita oder in einer Krippe einklagen wollen. Im laufenden Kalenderjahr waren es bislang ungefähr 60.

Sascha Aulepp: "Viele Kinder werden auf Kitaplatz warten müssen"

Bild: Radio Bremen

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 23. August 2023, 19.30 Uhr