Fragen & Antworten

Bund will bei Jobcentern sparen: Das sind die Folgen für Bremen

Eingangsschild des jobcenters (Süd) in Bremen
Bremens Jobcenter werden kommendes Jahr voraussichtlich weniger Eingliederungsmittel zur Verfügung haben als im laufenden Jahr. Bild: dpa | foto2press/Oliver Baumgart

Der Bund muss sparen. Finanzminister Lindner will daher auch bei den Jobcentern Mittel streichen. Im Land Bremen wären davon wohl vor allem Langzeitarbeitslose betroffen.

445,7 Milliarden Euro möchte der Bund kommendes Jahr ausgeben – rund 30 Milliarden weniger als dieses Jahr. So sieht es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in seinem Haushaltsentwurf vor, mit dem sich am Freitag der Bundesrat befassen wird.

Zwar ist der Topf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales danach auch 2024 der mit Abstand größte im Bundeshaushalt. Lindner hat ihn gegenüber dem laufenden Jahr sogar um 5,5 Milliarden Euro auf 171,7 Milliarden Euro aufgestockt. Trotzdem kommt es auch hier zu einigen Einschnitten. So setzt der Bund bei den Jobcentern den Rotstift an – zum Missfallen Bremens.

Jobcenter im Land Bremen könnten 7,2 Millionen Euro weniger bekommen

Bleibt es bei den Plänen des Finanzministers, werden dem Jobcenter Bremen 2024 rund sieben Millionen Euro (9,6 Prozent) an Eingliederungsmitteln weniger zur Verfügung stehen als dieses Jahr, schätzt das Bremer Sozialressort. Das Jobcenter Bremerhaven müsste demnach mit etwa 1,2 Millionen Euro (sechs Prozent) weniger auskommen. Als Eingliederungsmittel bezeichnet man Geld, das die Jobcenter für Maßnahmen ausgeben können, um Arbeitssuchende an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen.

Wir sind überzeugt, dass diese Kürzungen an der falschen Stelle erfolgen und wichtige Ziele unserer Arbeitsmarktpolitik konterkarieren werden.

Nina Willborn, Sprecherin des Sozialressorts zu den Kürzungspländen des Bundes

buten un binnen ist der Frage nachgegangen, an welchen Stellen die Jobcenter Bremen und Bremerhaven kürzen würden, wenn sich Lindner mit seinen Plänen durchsetzt – und was möglichst bleiben soll, wie es ist.

Der Entwurf des Bundeshaushalts für 2024 im Vergleich zu 2023

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An welchen Stellen wollen die Jobcenter Bremens und Bremerhavens auf keinen Fall Eingliederungsmittel einsparen?

"Bei allem, was mit Jugendlichen und mit jungen Erwachsenen unter 25 Jahren zu tun hat", sagt Thorsten Spinn, Geschäftsführer des Jobcenters Bremen. "Der Berufseinstieg muss klappen", fügt er hinzu. Ganz ähnlich äußert sich Nina von Rittern, Geschäftsführerin des Jobcenters Bremerhaven. Auch sie möchte möglichst nicht bei Fördermitteln für unter-25-jährige Arbeitssuchende sparen.

"Auch die Qualifizierung ist uns eine heilige Kuh", fügt von Rittern hinzu – und liegt auch in diesem Punkt auf einer Linie mit ihrem Bremer Kollegen Thorsten Spinn. Er sagt: "Etwa zwei Drittel unserer Kundinnen und Kunden haben keinen Berufsabschluss. Daher wollen wir bei den Qualifizierungen auf keinen Fall kürzen."

Ein Lehrling zum Mechatroniker arbeitet an einer Bohrmaschine.
Bei den Angeboten zur Förderung von Berufseinsteigern (unser Foto zeigt einen Lehrling zum Mechatroniker) wollen die Jobcenter Bremens möglichst nicht kürzen. Bild: dpa | Patrick Pleul

Wenn die Jobcenter weder bei Qualifizierungen noch bei Maßnahmen für jungen Menschen Geld einsparen wollen – wo dann?

Die Jobcenter prüfen gerade, welche Eingliederungsmaßnahmen zuletzt viel, welche weniger bewirkt haben. Das machen sie jedes Jahr. Ein abschließendes Ergebnis gibt es noch, sagen Thorsten Spinn, Geschäftsführer des Jobcenters Bremen, und Nina von Rittern, Geschäftsführerin des Jobcenters Bremerhaven. "Aber natürlich ist klar, dass wir eher bei Maßnahmen sparen werden, die zuletzt ohnehin nicht so viel gebracht haben", erklärt Spinn.

Sowohl Spinn als auch Ritter betrachten als wahrscheinlich, dass sie bei Fördermaßnahmen für Langzeitarbeitslose Geld einsparen werden müssen – etwa bei den so genannten "Arbeitsgelegenheiten" (AGH), im Volksmund auch als Ein-Euro-Jobs bekannt. "Bei diesen Maßnahmen geht es darum, Menschen, die oft weit vom Berufsleben entfernt sind, zu stabilisieren, darum, ihnen mit geförderter Arbeit zu einem festen Tagesablauf zu verhelfen und sie so wieder an den ersten Arbeitsmarkt heranzuführen", erklärt Spinn.

Arbeitsgelegenheiten werden etwa von gemeinnützigen Trägern und von Werkstätten angeboten. Es handelt sich um städtischerseits eingerichtete Beschäftigungsmaßnahmen, die regulären Beschäftigungsverhältnissen keine Konkurrenz machen dürfen. Typische Tätigkeiten sind Gartenarbeiten in öffentlichen Grünanlagen oder auch gemeinnützige Arbeit in der Jugend-, Kranken-, und Altenhilfe.

Aktuell gibt es in der Stadt Bremen rund 1.000 solcher Arbeitsgelegenheiten, sagt Spinn. In Bremerhaven arbeiten zurzeit knapp 400 Personen in Ein-Euro-Jobs, teilt von Rittern mit. Im Mittel kosten diese Maßnahmen, die meist über sechs Monate laufen, die Jobcenter mehr als 500 Euro monatlich, wobei der Großteil der Summe dem Träger zufließt. Der einzelne Ein-Euro-Jobber erhält eine Aufwandsentschädigung von üblicherweise 1,50 bis zwei Euro pro Stunde.

Ein arbeitsloser Geschäftsmann als Stadtreiniger im Ein-Euro-Job.
Die so genannten Ein-Euro-Jobs, meist einfache Tätigkeiten etwa im Dienste von Reinigungsunternehmen, könnten dem Rotstift bei den Jobcentern zuerst zum Opfer fallen. Bild: dpa | Ulrich Baumgarten

Bei welchen Eingliederungsmaßnahmen werden die Jobcenter Bremens und Bremerhavens außerdem Geld einsparen, wenn ihre Mittel gekürzt werden?

Es gibt noch andere Programme für Langzeitarbeitslose, bei denen die Jobcenter Bremens und Bremerhavens eventuell Mittel kürzen werden, wenn sie Geld einsparen müssen. Spinn nennt beispielhaft ein Programm, durch das die Jobcenter Arbeitssuchende unterstützen, die sieben Jahre oder länger bereits nicht mehr sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sind.

"Die Arbeitgeber bekommen für diese Arbeitskräfte die Löhne im ersten Jahr komplett von uns erstattet und in bis zu vier weiteren Jahren teilweise", so Spinn. Außerdem durchlaufe, wer in einem solchen Programm beschäftigt sei, ein Coaching und eventuell zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen. "Das kostet natürlich entsprechend viel Geld", sagt Spinn. In der Stadt Bremen werden zurzeit mehr als 600 Personen in diesem Programm unterstützt.

Doch nicht nur die Langzeitarbeitslosen im Land Bremen könnten von Kürzungen bei den Eingliederungsmitteln durch den Bund betroffen sein. Es gebe etwa auch Angebote für Zugezogene und Alleinerziehende, die auf den Prüfstand kämen, sagt Spinn.

Wir gucken nun: Wo tut es am wenigsten weh?

Thorsten Spinn, Geschäftsführer Jobcenter Bremen

Wie wahrscheinlich ist, dass es bei den Plänen von Christian Lindner bleibt und die Jobcenter letztlich tatsächlich Millionenbeträge bei den Eingliederungshilfen werden einsparen müssen?

Darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Klar ist aber, dass der Bund unter hohem Spardruck steht, sagt etwa Matthias Makosch, Sprecher des Bremer Finanzressorts. Exakte Posten für genaue Berechnungen gebe es zwar noch nicht. Letztlich aber müssten sich die Länder und Kommunen auf viele empfindliche Einschnitte einstellen.

Die Einschnitte bei den Jobcentern versucht Bremen trotzdem noch abzuwenden. Gemeinsam mit den anderen Bundesländern und mit den kommunalen Spitzenverbänden werde Bremen bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz (ASMK) eine auskömmliche Mittelausstattung der Jobcenter fordern, teilt Sozialressort-Sprecherin Nina Willborn dazu mit. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz findet am 4. und 5. Oktober in Berlin statt.

Bremer Jobcenter-Chef: "Auch Arbeitgeber sind manchmal überfordert"

Bild: Radio Bremen
  • Bremer Gärtnerei hilft Langzeitarbeitslosen zurück in die Arbeit

    Der Bremer Lernweg bietet eine Chance bei der Gärtnerei Rihzom. Beteiligte berichten, wie es ihnen damit geht – und wie sie ihre Zukunft sehen.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. September 2023, 19:30 Uhr